Chronik/Oberösterreich

„Man lässt den Geist verdunsten“

Ernst Bräuer (69), heute geistlicher Rektor der Caritas, war  Mitglied  des Diözesansynodenrates, der in den Jahren 1970 bis 1973 die Ergebnisse des II. Vatikanischen Konzils (1962-1965) aufgearbeitet hat. Es wurden damals die Grundlagen für die heutige Arbeit in der Diözese und den  Pfarren gelegt. Die Beschlüsse erfolgten weitgehend einstimmig und wurden von Bischof Franz Zauner bestätigt bzw. an die zuständigen Stellen weitergeleitet.

KURIER: Wie wurde das II. Vatikanische Konzil in Linz realisiert?
Ernst Bräuer: Es gab bereits vor dem Konzil in Linz  Dinge, die dann im Konzil umgesetzt worden sind.  So wurde die Liturgie bereits in deutscher Sprache abgehalten.  Bischof Franz Zauner, der von 1956  bis 1980 im Amt war, ist deswegen in Rom angezeigt worden. Er  erhielt dann beim Konzil bei der Wahl in die Liturgiekommission die meisten Stimmen, die jemals ein Konzilsvater erreicht hat.
Nach dem Konzil stellte sich die Frage, wie wir es umsetzen. Es gab ein Pastoralkonzil in Holland, das im ganzen katholischen Raum bekannt war.    1969 wurde Alois Wagner Weihbischof. Er erhielt den Auftrag, eine Synode durchzuführen. Zauner schrieb dann  an   jeden Haushalt einen Brief mit der Aufforderung,  Themen zu benennen. Es wurden mehr  als 116.000 Eingaben gemacht. Aus den vorgeschlagenen Themen wurden Vorlagen formuliert.   Die  letzte Synoden-Vollversammlung fand ziemlich genau vor 40 Jahren statt, am 18. November 1972. Der Bischof hat nach jeder Vollversammlung die Beschlüsse unterschrieben und bestätigt. Es ging darum, den   Gedanken des Volkes Gottes als Basis umzusetzen.

Linz ist in Hinsicht auf die Laienbeteiligung die stärkste Diözese Österreichs. Ist das eine Konsequenz der Synode?
Das war vorher schon der Fall. Bischof Zauner war ein wirklicher Fan der Katholischen Aktion. Es  war und ist  die vom Bischof getragene, auch mit Kirchensteuergeldern gestützte Bewegung. Zauner ist in die Pfarren gefahren und hat bei den Visitationen die Installierung der Männer- und Frauenbewegung eingemahnt.

Es ist zwar die Erzdiözese Wien größer, aber Linz ist aktiver. So zum Beispiel  bei den Sammel-Ergebnissen zum Peterspfennig, der ans ungeliebte Rom geht.
Ja, selbst da (lacht).  Aber auch beim Familienfasttag, der Dreikönigsaktion und der Aktion „Sei so frei“.

Warum ist Linz die stärkste Diözese?
Das hängt mit den Mustern der Katholischen Aktion zusammen und der Eigenverantwortung der Führungskräfte. Die Priester sind dort  geistliche Assistenten. Bischof Zauner hat sie in allen Pfarren installiert.
 In Linz wurde nach der Synode ein Verwirklichungsausschuss eingesetzt, der die Umsetzung der Beschlüsse überprüft hat. Der hohe Organisationsgrad bei den Laien  ist mit ein Grund, warum die Diözese so stark ist. Das ist eine Basisbewegung und nichts Aufgesetztes.

Wie kann es nun weitergehen?
Es ist gut, dass es die Reformgruppen gibt, aber es gibt keine Kanäle nach Rom.    Hier gibt es kein geordnetes dialogisches Verhältnis. So etwas wie ein Johannes XXIII. passiert nicht so schnell wieder, da hat die Kurie vorgesorgt.

Dann ist die  römisch-katholische Kirche ein hoffnungsloser Fall.
Sie ist kein hoffnungsloser Fall, aber ich habe auch keine Illusionen. Ein paternalistisches System hört gnädig zu, aber es bewegt sich überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil. Das System wird noch mit theologischem Zement gestärkt. Bei der Frauenordination beruft man sich noch auf den lieben  Gott, der das angeblich nicht will. Das ist ja schon fast eine Gotteslästerung.

Was hält Sie  in der Kirche?
Wir hatten jetzt gerade Caritaskonferenz. Was auf dem sozial-karitativen Sektor geschieht,  ist so eine Freude. Wir haben so tolle Leute. Jetzt wird überlegt, wie man die Pfarren erhalten kann, auch wenn kein Priester da ist.   Selbst die Diözesansynode   vor 40 Jahren hat es bereits abgelehnt, Pfarren zusammenzulegen.   Wir versuchen sie  mit ehrenamtlichen Leitungsteams aktiv zu halten. Es  besteht die Gefahr, dass der Geist und der Schwung entschwinden, wenn die  Generation jener Leute, die noch von der  Konzilszeit geprägt sind, aufhören. Die Frage  ist, was dann passiert.
Niemand  tritt heute gegen das Konzil auf.   Aber man lässt den Geist verdunsten und fängt ihn nicht ein, damit er zu einem Kraftwerk wird. Ich finde es schade, dass man diese Kraft des Konzils einfach verpuffen lässt statt sie zu kanalisieren. Statt dessen wird der Deckel draufgehalten. Oben bewegt sich wenig, bei manchen die Mitra ein bisschen. Schade, dass man so viel kreatives Potenzial liegen lässt.