„Linz ist keine Erbpacht der SPÖ“
Von Jürgen Pachner
KURIER: Herr Vizebürgermeister, Funktionäre anderer Parteien klagen immer wieder darüber, dass ein konstruktives Arbeiten mit der VP Linz angeblich kaum noch möglich ist?
Erich Watzl: Das ist nicht wahr. Bei 95 Prozent der Themen besteht durchaus Konsens. Es gibt aber natürlich ein paar wenige, die ganz klar die Unterschiede zwischen der Bürgermeisterpartei SPÖ und der ÖVP verdeutlichen. Das betrifft etwa die Eisenbahnbrücke und den Stadionumbau, wo wir glauben, dass Ressourcen vergeudet wurden. Weiters weisen wir seit Jahren immer wieder darauf hin, dass die Finanzierung der Stadt mit Fremdwährungskrediten in Höhe von 195 Millionen Schweizer Franken ein enormer Fehler war. Wir haben seinerzeit als einzige Partei dagegen gestimmt und wir waren auch nicht dafür, dass man 2004 die Verantwortlichkeit vom Gemeinderat an den Finanzstadtrat Mayr und seine Finanzverwaltung delegiert. Die finanzielle Situation ist zurzeit – vornehm formuliert – extrem angespannt. Der jungen und mittleren Generation werden damit wichtige Zukunftschancen genommen.
Kritik gibt es aber auch am Stil der VP. Sie würden versuchen, mit Halb- und Unwahrheiten politisches Kleingeld zu schlagen?
Die Vorgangsweise, wie man auf politischer Ebene miteinander umgeht, ist tatsächlich ein ernsthaftes Problem. Das liegt aber nicht an uns. Wir sprechen nur die Fehlentwicklungen an – und das führt dazu, dass Dobusch, Luger und Konsorten auf die ÖVP nicht gut zu sprechen sind. Ich werde mir deswegen aber sicher keinen Maulkorb verpassen lassen, weil eine Demokratie eigentlich davon lebt, dass unterschiedliche Meinungen vorkommen. Das Demokratieverständnis der SPÖ ist aber schlichtweg ein Wahnsinn. Kommt eine Idee von ihr, dann ist sie gut. Stammt die Idee jedoch von einer anderen Partei, so ist sie automatisch schlecht. Symbolhaft dafür war auch die Gemeinderatssitzung am 24. Jänner, in der es nur darum gehen hätte sollen, über den Bericht des Kontrollamtes zum Rechnungsabschluss 2011 zu diskutieren. Mit Hilfe fadenscheiniger formaler Argumente ist unser Antrag dazu einfach abgelehnt worden.
Ist die angespannte finanzielle Situation derzeit das größte Problem für die Stadt Linz?
Ja, weil das mittlerweile auch die Bürger im eigenen Börsel spüren. Nehmen wir nur die Verdoppelung der Parkgebühren. Da geht es mir nicht nur um die Sorge, dass der Handel weiter floriert – mit der Folge, dass Arbeitsplätze gesichert sind und Steuern bezahlt werden. Die Verteuerung hat auch Einfluss auf die Lebensqualität jedes Einzelnen. Denken Sie nur an eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, wo der Bub beispielsweise zum Augenarzt und das Mädel in die Musikschule muss. Die Frau bekommt die finanzielle Zusatzbelastung unmittelbar zu spüren. Sie kann nicht aus der Neuen Heimat mit dem Öffi in die Innenstadt fahren und den Sohn beim Arzt und die Tochter in der Schule abliefern, das wäre zeitlich gar nicht zu bewältigen. Folglich ist sie jetzt gezwungen, tiefer in die Tasche zu greifen.
Wo spüren Linzer Bürger die finanziellen Schwierigkeiten der Stadt noch am eigenen Leib?
Eine weitere Belastung, die weh tut und in Zeiten zunehmender Fettleibigkeit absolut unverständlich ist, sind die neu eingeführten Mieten in den Turnsälen der Stadt Linz – davon sind selbst die Sportvereine von ASKÖ, ASVÖ und UNION nicht mehr ausgenommen. Daran sieht man, wie angespannt die Situation schon ist.
Seit 2009 baut die Stadt Linz laufend neue Defizite. Welche Einsparungsvorschläge hat die VP, um den Trend zu stoppen?
Also, wenn man auf die ÖVP gehört hätte, dann hätte man nicht schon jetzt 25 Millionen an die BAWAG bezahlt. Dann hätte man sich auch die 33 Millionen für die Pfuschlösung beim Stadion erspart. Für die Zukunft haben wir einen ganz klaren Zugang, doch zuerst bräuchte es einmal eine Einladung des Bürgermeisters, weil er ja Koordinator der Stadtregierung ist. Ich bin der Ansicht, dass zunächst die groben budgetären Zielgrößen zu diskutieren und außer Streit zu stellen sind. Denn im Sinne einer mittelfristigen Finanzplanung wäre es dringend notwendig zu formulieren, wo wir in drei oder fünf Jahren finanziell stehen wollen. Wir haben in Linz übrigens kein Einnahmenproblem – das Gesamtsteueraufkommen ist in den vergangenen Jahren ständig gewachsen. Daher betrachten wir es als absolut falschen Zugang, wenn gleich als Erstes überlegt wird, wo man den Leuten das Geld wegnehmen kann.
Was schlagen Sie vor?
Nun, der zweite Schritt sollte sein, dass man die Mitarbeiter im Magistrat sowie in den stadteigenen Unternehmungen in einen sehr offenen, nachvollziehbaren Prozess einbindet. Diese Leute muss man fragen, welche Aufgaben heute noch erledigt werden, die aber unter Umständen gar nicht mehr notwendig sind. Wir von der ÖVP stellen uns in dem Zusammenhang eine Art Aufgabenreform vor – mit der man dringend beim Magistrat selber anfangen sollte. Ich bin mir sicher, es gibt eine ganze Reihe von Tätigkeiten, die vielleicht vor 30 oder 40 Jahren erforderlich waren, die wir heute aber streichen könnten. Das bezieht sich auch auf mögliche Doppelgleisigkeiten. Daher gilt es hier wirklich auf die Belegschaft zu hören, weil diese Leute Experten in ihren Aufgabenbereichen sind und wissen, was ohne Qualitätsverlust rationalisierbar wäre. Die Erfahrung zeigt, dass bei einer gezielten Befragung der Mitarbeiter immer sehr gute und zielführende Vorschläge kommen.
Dass die Vorschläge für eine Aufgabenreform gesammelt auf dem Tisch liegen, müsste eigentlich binnen eines Jahres möglich sein. Wünschenswert wäre, wenn die zutage geförderte Palette dann sowohl ganz kleine als auch wirklich große Einsparpotenziale umfasst. Die Politik hat danach zu beschließen, bis wann was umgesetzt wird. Beispielsweise ist eine Entscheidung zu fällen, ob die Hochglanzmagazine der Stadtkommunikation, die von der Öffentlichkeit vermutlich nicht einmal wahrgenommen werden, noch notwendig sind. Oder es gilt zu klären, ob die Stadtregierung wirklich acht Stadträte braucht – und ob nicht doch sieben ausreichen? Ich glaube nämlich, auf den Finanzstadtrat könnte man verzichten, wenn er so agiert, wie er derzeit agiert (Watzl lacht).
Wären Sie bereit, auch in Ihrem Ressort Abstriche zu machen?
Ja, absolut, wir werden uns dem sicher nicht verweigern, bei Schulden in Höhe von 1,3 Milliarden Euro – ohne Linz AG – ist dringender Handlungsbedarf gegeben. Voraussetzung ist aber, dass sich wirklich alle Stadtsenatsmitglieder zu gleichen Teilen an Sparmaßnahmen beteiligen. Es kann nämlich nicht sein, dass – wie in der Vergangenheit – nur der Watzl im Kulturressort weniger Geld bekommt, der Luger im Sozialressort aber nicht. Das gehört schon gerecht verteilt.
Warum setzt sich die VP gar so vehement für den Erhalt der Eisenbahnbrücke ein – trotz enormer prognostizierter Kosten?
Es handelt sich dabei schließlich um den liegenden Eiffelturm von Linz. Die Eisenbahnbrücke ist identitätsstiftend und ist ein stadtbildprägendes Element – ein Baudenkmal, das über 112 Jahre alt ist. Wir werden in den nächsten Tagen eine Lösung präsentieren, die eine zeitgemäße Donauquerung ermöglicht und die finanzielle Belastung der Stadt Linz kleiner darstellt, als sie jetzt von Verkehrsstadtrat Luger im Einvernehmen mit seinen Brüdern und Schwestern von der ÖBB präsentiert wird.
Wo sehen Sie sich nach der Gemeinderatswahl 2015?
Nachdem wir 2003 und 2009 zulegen konnten, werden wir das auch ein drittes Mal schaffen. Denn eines ist sicher: Linz ist keine Erbpacht der SPÖ. Als Zusatzaufgabe würde ich dann gerne das Sportressort dazunehmen.