Flussperlen für die Kaiserkrone
Von Josef Ertl
Millionen von Flussperlmuscheln bevölkerten in den vergangenen Jahrhunderten die Flüsse des Mühl- und Waldviertels. Die Sohlen der Bäche waren voll von den etwa zwanzig Zentimeter langen schwarzen Muscheln, die sich in mehreren Stockwerken übereinander auftürmten. Die Bauern schaufelten sie mit Gabeln aus den Gewässern und verfütterten das Muschelfleisch an die Schweine. Die harten Schalen mit den scharfen Kanten, die über Jahrzehnte gewachsen waren, verwendeten sie zum Entborsten der Schweine.
Die Flussperlmuscheln erfreuten nicht nur die Bauern, sondern auch die Perlenfischer. Mit speziellen Vorrichtungen zwängten sie die Muschelwände auseinander. Eine mühevolle Angelegenheit, denn nur jede 3000. Muschel enthält eine Perle. Sie entsteht, wenn ein Sandkorn oder eine andere Verunreinigung zwischen Schale und Muschelfleisch zu liegen kommt. Die Muschel überzieht sie Schicht für Schicht mit Perlmutt. Perlen waren stets gefragt. So zieren 10.000 eingefärbte Flussperlen ein altes Messgewand des Stiftes Schlägl. Sie schmücken die Kaiserkrone und Bischofsmützen.
Noch 10.000 Muscheln
Heute sind die Flussperlmuscheln vom Aussterben bedroht. In Oberösterreich gibt es noch geschätzte 10.000 Stück. Rund 2500 sind auf einer 300 bis 400 Meter langen Muschelbank der Waldaist im (Bez. Freistadt) konzentriert, der beste Bestand im Land. „Wenn man nichts tut, gibt es sie in 20 bis 30 Jahren nicht mehr", sagt Stefan Guttmann, Wasserökologe des Landes. Neben der Waldaist enthalten die Maltsch (Grenzfluss zu Tschechien), die Naarn und die Große und Kleine Mühl noch Muschelbestände. Dazu kommt der Leithenbach bei Peuerbach. Denn die Muscheln brauchen den Granitboden als Untergrund. Der ist eben nur im Mühl- und Waldviertel und im Sauwald gegeben.
Warum sind die Bestände so extrem stark zurückgegangen? Aus den Feldern und Wäldern wird viel Material und Gülle in die Flüsse und Bäche eingeschwemmt. Selbst wenn die Sedimente ganz fein sind, bringen sie den Kies und Schotter, in dem die Muscheln stecken, zum Ersticken. Die Muscheln graben sich in der ersten Phase der Entstehung richtiggehend in den Boden ein. Weil die Fortpflanzung in der Wildbahn oft nicht mehr funktioniert, hat die Landesregierung am Ortsrand von Kefermarkt eine künstliche Station errichtet. Die Fortpflanzung ist ein interessanter und komplizierter Vorgang. Die Muscheln sind erst nach 25 bis 30 Jahren zeugungsfähig.
Bachforellen als Wirte
Die Männlein streuen ihren Samen aus, den die Weibchen einsaugen. Es kommt zur Befruchtung. Die Weibchen stoßen die Muschellarven aus, die die Bachforellen zu fressen versuchen, weil sie vermuten, es handle sich um Nahrung. Die Larven nisten sich in den Kiemen der Bachforellen für rund neun Monate ein.
Nach dem ersten Winter fallen sie aus den Kiemen heraus und in das Schotter- und Kiesbett des Baches hinein, wo sie sich für fünf bis sechs Jahre eingraben. Wenn sie zwei bis drei Zentimeter groß sind, kehren sie an die Oberfläche zurück. Wenn die Muscheln überleben, haben sie ein langes Leben vor sich. Sie werden bis zu 200 Jahre alt.