„Erleben eine gespaltene Kirche“
Von Josef Ertl
Gerhard Maria Wagner (58) ist Pfarrer in Windischgarsten. Er gilt als Vertreter des traditionalistischen Flügels in der Kirche. Aufsehen erregte im Jänner 2009 seine Ernennung zum Linzer Weihbischof. Nach einer Protestwelle verzichtete er kurze Zeit später auf das Amt.
KURIER: Ist das II. Vatikanische Konzil für Sie ein Glück oder ein Unglück?
Gerhard Maria Wagner: Es ist ein Glück. Das war ein Großereignis und Papst Johannes XXIII. hat es als neues Pfingsten bezeichnet.
Was hat sich geändert?
Ich war damals im Petrinum in Linz. Wir haben die Begeisterung gespürt. Die Lehre des Konzils ist auch die Lehre der Kirche. Wesentlich gewandelt hat sich die Liturgie. Die Änderung war abrupt, was für die Leute nicht so einfach zu verstehen war. Zwischen Priestern und Laien kam es zu einem konstruktiven Miteinander. Wobei ich bis heute nicht verstehe, woher die Konkurrenz kommt, wenn man das Verhältnis Priester/Laie richtig sieht. Die Laien drängen an den Altar, wo aber der Platz des Priesters ist. Der Platz des Laien ist doch die Welt.
Das Konzil hat Hoffnungen erweckt, die nicht erfüllt wurden – wie die Erlaubnis der Pille zur Empfängnisverhütung oder die Abschaffung des Zölibats.
Das Konzil hat die Pille nicht erlaubt. Es spricht auch ganz klar vom Zölibat. Richtig ist, dass manche Priester auf das Ende des Zölibats gehofft haben. Es gab nach der Euphorie sicher eine gewisse Enttäuschung. Joseph Ratzinger, der jetzige Papst, hat sehr bald gemerkt, dass es zu einer Verwässerung des Glaubens kommt. Er hat bereits nach dem Konzil nach einem anderen Weg gesucht. Gemeinsam mit Karl Lehmann hat er die Zeitschrift „Communio“ gegründet – als Gegenzeitschrift zum „Concilium“. Heute würde man sagen, das „Concilium“ war ein linkes Blatt. Ratzinger hat versucht, die Inhalte des Konzils herauszuarbeiten. Im Dienste des Konzils und der Kirche. Es ist hier nichts zurückgedreht worden. Man spricht immer von vorkonziliar und nachkonziliar, dabei ist es immer derselbe Glaube der Kirche.
Warum sind Sie gegen die Abschaffung des Zölibats?
Weil das absolut nichts bringen würde.
Es gäbe dann aber wieder mehr Priester.
Das stimmt ja nicht. Die Evangelischen dürfen heiraten und haben auch nicht mehr Pfarrer.
Beim Pfarrernachwuchs haben die Evangelischen allerdings kein Problem.
Natürlich haben sie ein Problem, mit den Scheidungen zum Beispiel.
Warum ist der Zölibat eigentlich so wichtig?
Weil der Zölibat eine Lebensentscheidung bedeutet. Wir leben ja heute in einer Zeit, in der die Leute auch nicht mehr heiraten.
Nicht sofort.
Sie heiraten nicht mehr. Es gibt immer weniger Hochzeiten. Schauen Sie sich doch die Statistiken an. Und viele Leute heiraten später.
Ist das schlecht?
Ich will das nicht beurteilen. Ich bin Gott sei Dank Pfarrer und kein Richter. Je unverbindlicher unsere Gesellschaft wird, umso weniger Verbundenheit wird es auf Dauer geben. Das gilt natürlich auch für die Kirche.
Glauben Sie wirklich, dass es durch die Aufhebung des Zölibats weniger Verbundenheit in der Kirche gibt?
Ja, damit bekunde ich, dass es mir ernst ist. Das gilt auch, wenn man heiratet. Da heiratet man ja auch nur eine Person. Damit bekunde ich, dass es die eine allein ist. Als Priester setze ich das Zeichen, wo ich der Welt sage, sie ist schön, aber wir alle streben dem Himmel zu.
Glauben Sie, dass ein verheirateter Priester ein schlechterer Priester ist?
Das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass, wenn ich verheiratet wäre, es zu einer Kollision bei den Verpflichtungen kommen würde. Ich bin nicht so frei als verheirateter Mann. Es geht nicht nur um die Zeit, sondern auch um die Energie und Kraft. Das, was ein Ehepaar miteinander verpflichtet, verpflichtet mich mit der Gemeinschaft einer Pfarre.
Die österreichische Bischofskonferenz hat unter Kardinal König in der Frage der Empfängnisverhütung von einer Gewissensentscheidung gesprochen. Das war aus Ihrer Sicht offenbar ein Irrweg?
Ja, das war ein Irrweg, den Papst Johannes Paul II. in einer Ansprache an die Bischöfe klar korrigiert hat. Ich mache auch Eheseminare, weil ich in dieser Sache der Diözese kritisch gegenüberstehe. Diese Punkte sind kontrovers. Es ist innerhalb der Kirche das größte Problem, dass wir zu wenig eins sind. In der Frage Ehe haben wir die Frage der Pille. Dann der Punkt Sakramente für Wiederverheiratete. Hier gibt es erhebliche Differenzen.
Was läuft in der Diözese Linz schief?
Ich vertrete das, was normal katholisch ist. Ich vertrete nichts anderes. Wobei ich zugestehe, dass das alles für die heutige Welt manchmal nicht leicht zuträglich ist.
Die römisch-katholische Kirche ist in Traditionalisten und Reformer gespalten.
Das ist eine Sorge, die mich beunruhigt. Die Menschen erleben die Kirche gespalten. In der einen Pfarre wird das eine verkündet, in der Nachbarspfarre das andere. Es gibt aber auch viel mehr Spielraum als man glaubt.
Was spricht gegen eine Vielfalt in der Kirche?
Römisch-katholisch sein heißt auch gehorsam sein. Die Bischöfe haben sich in ihrem letzten Hirtenbrief klar deklariert. Katholisch sein heißt Mut haben. Die wesentlichen Punkte der „Ungehorsamen“ wie Zölibat, Sakramente für Wiederverheiratete und Homosexualität sind auf keinen Fall verhandelbar. Geht es nach der Öffentlichkeit, sollen nur mehr die Schwulen und die Pfarrer heiraten. Von der Ehe spricht kaum jemand. Sie gilt als ein Modell unter vielen. Was ist mit den vielen Jungen, die gar nicht mehr heiraten? In den Städten werden die Hälfte der Ehen geschieden.
Was die Pfarrerinitiative macht, ist nicht feig, oder?
Es braucht nicht viel Mut, das zu vertreten. Die Pfarrerinitiative vertritt ewig gestrige Themen, sie glaubt auch die Mehrheit zu vertreten.
Die Diözese Linz hat ein Modell entwickelt, wo Laien die Pfarrgemeinde aktiv halten, wenn kein Priester mehr da ist. Das gefällt Ihnen nicht?
Nein, überhaupt nicht. Weil es nach Auffassung der Kirche kein Team geben kann, wo sieben arbeiten und der Pfarrer einer der sieben ist. Dadurch wird der Pfarrer in seiner konkreten Verantwortung vor Gott und der Kirche geschwächt.
Der Pfarrer ist der oberste.
Schauen Sie sich das an, wie das in der Praxis ist. Wir haben nicht nur einen Priestermangel, sondern auch einen Mangel an Gläubigen. Mit dem weniger werdenden Kirchenbesuch wird auch die Gruppe jener kleiner, die sich solidarisch erklären.
Wieso sind Sie gegen die Frauenpriesterweihe? Frauen sind die Träger des Katholizismus.
Ja, aber als Mütter. Nicht als Priester. Weil die Kirche 2000 Jahre vom Geist Gottes geführt wird. Jesus hätte die Frauenpriesterweihe einführen können, wenn er das gewollt hätte. Warum hat er zum Abendmahl nicht ein paar wichtige Damen mitgenommen? Ich habe in meiner Pfarrei die Quoten längst erfüllt. Wir haben mehr als 50 Prozent Frauen im Pfarrgemeinderat.
Für die Arbeit hat die Kirche die Frauen gerne eingesetzt Aber kommandiert haben stets die Männer.
Wir haben acht Arbeitskreise, davon werden die Hälfte von Frauen geführt. Da können sie ihre Verantwortung zum Ausdruck bringen.
Ist die Zeit, in der wir leben, so viel schlechter als früher?
Als Pfarrer finde ich die heutige Zeit interessant. Ich bin von Haus aus ein Konfrontationstyp. Im Zweifelsfall streite ich lieber mit jemandem als dass man so dasitzt und nichts redet. Da kommt man ins Gespräch. Deshalb ist mir die heutige Zeit viel lieber. Früher war man nach außen hin etwas frommer und hat zum Pfarrer nicht das gesagt, was man jetzt zu mir sagt. Die Kirche muss auf die heutige Zeit reagieren, aber nicht indem sie sich anpasst. Die Frage beim Konzil war ja, wie bringen wir den Geist Gottes in die Welt und nicht, wie bringen wir den Weltgeist in die Kirche. Die Kirche ist in vielen Bereichen verweltlicht und deshalb für viele uninteressant geworden.