„Die Lebenskraft ist unerschöpflich“
Von Josef Ertl
Peter Spatt ist Psychiater, Psychotherapeut, Arzt und Unternehmensberater. Der 48-Jährige hat hat nun das Buch „Ein Leben reicht der Mensch zu werden, der man ist“, das Freitagabend in Linz vorgestellt wurde.
KURIER: Sie sagen, das Leben soll einfach sein. Für viele ist es aber nicht einfach.
Peter Spatt: Ich will Fragen, die das Leben an jeden Menschen heranträgt, so verständlich machen, dass jeder Mensch Antwort finden kann. Es gibt in der Menschwerdung drei Wirkgrößen. Das sind die Biologie, die Sozialisation und die Kraft der eigenen Verwirklichung. Es geht darum, sich für die dritte Wirkgröße, für die Kraft der eigenen Verwirklichung begeistern zu lassen. Auch wenn das Leben schwierige Dinge bereithält, so gibt es in jedem eine Kraft, die danach drängt, so zu sein, wie er ist. Sie wird von mir als Grundpotenzial bezeichnet. Diese Kraft, die in jedem Lebewesen vorhanden ist, drängt nach Wachstum. Sonst gibt es kein Leben, denn Leben drängt nach der Lösung von Lebensproblemen.
Der Mensch soll also auf seine Lebenskraft vertrauen, damit er die Probleme lösen kann.
Diese Kraft ist hier und sie ist unerschöpflich. Es geht nur darum, sich für sie zu begeistern. Man soll die Kraft nicht in die Sozialisation setzen wie zum Beispiel in die Psychoanalyse, um die eigene Lebensgeschichte bis ins letzte Detail zu analysieren. Man soll auch nicht auf die Biologie setzen und zum Beispiel dieses oder jenes Medikament nehmen.
Stattdessen soll man überlegen, was Meines ist, was ich brauche, um Ich sein zu können, um gesund sein zu können. Es geht um die Lebenskraft. Es geht nicht darum etwas Neues zu erfinden. Ich bin praktischer Seelenarzt.
In welchem Zusammenhang steht die Seele mit der Lebenskraft?
Hier besteht ein direkter Zusammenhang. Bleibt ein Mensch offen für die Fragen des Lebens, geht es in Richtung Wachstum. Verschließt er sich, verpanzert er, dann wird Wachstum nicht mehr möglich und es gibt auch keien Persönlichkeitsentwicklung. Zwischen der Lebenskraft und der Psyche, sprich der Seele, gibt es eine direkte Verbindung, einen Dialog. Die Menschwerdung hört nie auf. Genauso wie wir Kindern eine Entwicklung gewähren, genauso müssen wir auch den Erwachsenen eine Entwicklung zugestehen. Menschen sind Mehrstufenwesen und wir können uns ständig entwickeln. Die Kunst besteht darin, dafür offen zu bleiben.
Ist diese Lebenskraft für Gläubige Gott?
Alle Zivilisationsprodukte oder auch Religionen können Hilfestellungen auf dem Weg der Entwicklung sein. Wenn ein Kind in einer christlichen Familie aufgezogen wird, lernt es den Begriff des Glaubens. Es kann an Menschen glauben oder auch an Jesus. Diese Denkstruktur führt dazu, dass der Mensch sagt, wenn ich an Jesus glaube kann, kann ich auch an mich und an andere Menschen glauben. Das ist die psychologische Wurzel des Wertes einer Religion. Glauben können ist eine zentrale Fähigkeit des Menschseins. Menschsein definiert sich durch die Entwicklung innerer Bilder, die dann durch das tägliche Tun wirklich werden. Mir ist es wichtig, einfache Werkzeuge an die Hand zu geben, um im irdischen Leben auszukommen. Dazu braucht man keine übersinnliche Fähigkeiten. Für mich ist nicht die Frage entscheidend, gibt es einen Gott oder gibt es keinen, sondern es geht um den gemeinsamen Nenner. Jeder Mensch sollte notfalls selbst eine heilige Schrift schreiben können.