Das Kreuz mit dem Hitlerhaus
Eine geschichtliche Aufarbeitung, aber bitte kein Museum. Eine gemeinnützige Einrichtung, etwas Soziales. Oder Wohnungen? Büros? Vielleicht eine Geburtenstation, denn „Geburtshaus“ nennt man es ja schon, das Gebäude, in dem Adolf Hitler am 20. April 1889 seinen ersten Schrei getan hat.
„ Hitler wurde da geboren, ja. Aber mehr auch nicht“, wird Florian Kotanko vom Zeitgeschichteverein in Braunau nicht müde zu betonen. Warum also die Aufregung? „Die Symbolik, auch wenn sie eine reine Zuschreibung ist, ist unbestritten“, erklärt Kotanko. Fakt ist: Das Haus steht seit fast zwei Jahren leer und irgendetwas muss rein. Nicht nur deshalb, weil die zuweilen kuriose Diskussion um die Nutzung für die Stadt imagemäßig alles andere als günstig ist.
Vorschläge
So forderte vor einigen Monaten ein russischer Politiker, das Haus und damit die Erinnerung an den Nationalsozialismus solle dem Erdboden gleichgemacht werden. Der Bürgermeister von Braunau, Hannes Waidbacher, wurde für die bloße Erwägung, man könne Starterwohnungen für junge Familien einrichten, international in die Mangel genommen. Der Bezirkshauptmann Georg Wojak wurde als „unsensibel“ gerügt, weil er sagte, Hitler habe dort „maximal seine Windeln gefüllt“. Der Vorschlag der Braunauer FPÖ, dem Verein „Geburtsnest“ zwei Räume für Entbindungen zur Verfügung zu stellen, wurde im Arbeitskreis der Stadt erst gar nicht ernst genommen, und nach einiger Bedenkzeit von den Hebammen dezidiert abgelehnt.
„Großartige Idee“, sagt Klaus Eberhartinger dazu im KURIER-Gespräch und kommt aus dem Lachen nicht mehr heraus. Der Entertainer ist in Braunau aufgewachsen und habe sich als Bub über die Touristen in der Salzburger Vorstadt gewundert: „Was finden die an dem greislichen Häusl?“ Aber im Ernst: „Es hat natürlich Leute gegeben, die dorthin sind, weil sie Hitler verehrt haben. Denen sollte man die Vorlage nehmen und etwas Gemeinnütziges mit dem Haus anfangen.“ Als Kontrapunkt fände er ein Asylheim gut. „Oder eine Synagoge“, scherzt er schon wieder.
Soziologe Roland Girtler traut sich gleich gar nichts dazu zu sagen: „Was man sagt, wird schlecht ausgelegt. Das Haus wird gesehen wie ein Gruselschloss und Hitler wie der Graf Dracula aus Österreich. Der Mahnstein war eine geniale Idee. Der Rest ist mehr als schwierig.“ Publizist Peter Huemer will dem Ärgernis mit der Kraft von Flora und Fauna ein Ende setzen: „Ganz einfach: Türen auf, Fenster auf – gebt es dem natürlichen Verfall preis. Irgendwann wachsen Bäumchen heraus und allmählich würde es verschwinden.“ Jede Aktion von Menschenhand ziehe nur wieder eine Diskussion nach sich. Unsinnig, meint er: „Das Haus kann nichts dafür, die Stadt kann nichts dafür. “
Belastung
Dieses „Stigma“ bereitet auch Landeshauptmann Josef Pühringer Sorgen. „Ich halte nichts davon, wenn man aus dem Haus eine Belastung konstruiert. In erster Linie muss die Bevölkerung gut mit der Lösung leben können.“
Karten auf den Tisch, fordert KURIER-Karikaturist Michael Pammesberger: „Es ist höchste Zeit, einen unverkrampften Zugang zu finden und die Geschichte zum Beispiel in Form eines Museums aufzuarbeiten. Stadt, Land und Republik sollen gemeinsam etwas auf die Beine stellen, das international herzeigbar ist.“ Und Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitees, sagt: „Egal was, es darf keine Pilgerstätte für Neonazis werden. Die Diskussion ist etwas Positives – wenigstens überlegt man sich etwas und handelt nicht einfach blind. Das wäre fatal.“
Florian Kotanko, Obmann des Vereins für Zeitgeschichte in Braunau, führt eine Chronologie zum berüchtigten Haus in der Salzburger Vorstadt Nummer 15. Demnach war es zu Hitlers Geburt 1889 im Besitz der Familie Dafner, die ein Gasthaus führte. 1912 übernahm es Josef Pommer und nannte es „Zum braunen Hirschen“.
1938 wurde das Gebäude – es hat drei Etagen zu je ca. 200 Quadratmetern – im Auftrag der NSDAP von Martin Bormann um seinen vielfachen Wert gekauft. Er machte daraus ein Kulturzentrum mit Volksbücherei.
Unmittelbar nach der Befreiung durch die Amerikaner versuchte ein deutscher Stoßtrupp, das Haus zu sprengen. US-Soldaten vereitelten dies aber. Am 1. November 1945 wurde „an der Stätte, von der aus einst Hitler in die Welt trat“ eine Ausstellung zum Grauen der Konzentrationslager gezeigt.
1951 wurde das Vermögen von Bormann zugunsten der Republik für verfallen erklärt. 1954 erhielt Kreszentia Pommer, Erbin von Josef Pommer, die Liegenschaft für eine beträchtliche Summe zurück. In den 1970er-Jahren meldeten sich immer wieder Interessenten für Miete und Kauf. Weil die Stadt befürchtete, jemand könnte daraus eine „Nazi-Kultstätte“ machen, trat man an das Innenministerium heran. Die Verhandlungen mündeten in einem Mietvertrag, der bis heute besteht.
1977 ging das Haus auf die derzeitige Eigentümerin Gerlinde P. über. Bis dahin diente es als Schulgebäude, dann zog die Lebenshilfe mit einer Behindertenwerkstätte ein. Seit 2011 steht es leer. Das Innenministerium betont seinen Auftrag, „als Hauptmieter zu verhindern, dass dort rechtsextreme Umtriebe stattfinden“. Derzeit laufen, wie berichtet, Verhandlungen mit Volkshilfe und Volkshochschule. Eine Entscheidung wird im Herbst erwartet.