Anwälte gehen mit Fotoapparat auf Beweisjagd
Können wir uns bitte ein bisserl beeilen, meine Herren!“ Richterin Karin Gusenleitner-Helm schaut vorwurfsvoll zu den beiden Rechtsanwälten. Es ist Donnerstag, kurz nach 12.00 Uhr. Seit drei Stunden wird im Saal 522 des Landesgerichtes Linz verhandelt. Es geht um das „Recht auf Licht und Luft“ (§ 364 ABGB), das Wilfried R. seiner Nachbarin Maria Weißenböck „geraubt“ haben soll.
R. ließ im Vorjahr neben seinem Haus in der Mühlviertler Gemeinde Reichenthal ein Carport hochziehen – direkt vor zwei Fenstern der 77-jährigen Witwe, die sich seitdem „zugemauert“ fühlt. Die Fronten sind verhärtet, einen außergerichtlichen Vergleich lehnen beide Parteien ab – und der Streit um R.’s Unterstellplatz wird immer kurioser. Bei der gestrigen Verhandlung ging es zum Beispiel um ein Grundstücksgutachten aus dem Jahr 1911, ein Grenzberichtungsverfahren von 1947, Fensterputzen zur Osterzeit, Feuchtigkeitsschäden, das Gefälle der Carport-Decke und R.’s Einparkkünste. Exakt um 12.31 Uhr schloss die Richterin schließlich den Prozess.
„Ich glaube, es sind genug Aspekte diskutiert worden.“ Das Urteil wird schriftlich zugestellt. Aber erst, nachdem die zwei Anwälte als Fotografen tätig waren und ihre selbst geschossenen Innen- und Außenaufnahmen von Weißenböcks Haus der Richterin vorgelegt haben – als allerletzten Beweis. Der Fototermin ist am 30. März um 9 Uhr.