Chronik/Oberösterreich

Als Vollwaise im Heim, obwohl Mutter lebte

Jenö Molnar, 67, wurde als Säugling seiner Mutter (der Vater war amerikanischer Besatzungssoldat) abgenommen und verbrachte Kindheit und Jugend in oberösterreichischen Heimen. Er galt als staatenlos und Vollwaise. Ein Gutachten spricht nun von Traumatisierung Molnars. Am Dienstag soll im Landesgericht Linz geklärt werden, ob dadurch die Verjährung von Schadenersatzansprüchen erlischt. Eine richtungsweisende Verhandlung für Tausende Heimkinder in Österreich.

KURIER: Herr Molnar, Sie fordern vom Land Oberösterreich 1,6 Millionen Euro. Wofür?

Jenö Molnar: Für eine komplett versaute Kindheit. Und die Folgen, die daraus entstanden sind.

Sie waren vom Säuglingsalter an in Heimen. Was ist Ihnen dort widerfahren?

Fast Totschlag, bewusstlos schlagen, blutig schlagen, Vergewaltigung. Das ist immer wieder passiert. Für uns Heimkinder war das aber Standard, eine völlig normale Geschichte in den oberösterreichischen Heimen.

Sie wurden Ihrer Mutter 1947 von der US-Army abgenommen?

Nach der Lehre hab ich bei der ehemaligen Nachbarin meiner Mutter nachgefragt. Die Frau sagte, dass ein Jeep der amerikanischen Militärpolizei gekommen sei und den Säugling abgeholt hat. Der Säugling war ich.

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Erst als Sie 40 Jahre alt waren, haben Sie erfahren, dass Ihre Mutter noch lebt?

Meine Mutter habe ich 1986 wiedergefunden. Sie hat mir damals gesagt, dass ihr erzählt worden ist, ich sei schon als Säugling vom meinem Vater nach Amerika gebracht worden. Dabei war ich die ganze Zeit in den Heimen in Oberösterreich.

Was geschah nach Ihrer Kindheit und Jugend in den Heimen?

Ich habe unter Brücken geschlafen, Kohlen geschleppt, im Dom geschlafen, hab mich im Winter in der Donau gewaschen. 1969 hab ich Österreich verlassen, weil ich immer noch keine Staatsbürgerschaft bekommen habe. Ich bin über die grüne Grenze nach Deutschland und habe in halb Europa gearbeitet.

Was wollen Sie mit dem Prozess erreichen?

Ich will Gerechtigkeit. Dass nie jemand mehr sagen muss, Kinder sind misshandelt worden. Das Thema Verjährung muss aufgehoben werden. Das Land Oberösterreich legt ja gerade bei der Verjährung der Taten in seinen Jugendwohlfahrtseinrichtungen eine zynische Verhaltensweise an den Tag. Diese hat mir nach dem letzten Prozesstermin einen Herzschrittmacher eingebracht. Das mit dem Geld haben meine Anwälte auskalkuliert, da geht es um den Verdienstentgang und verlorene Pensionszeiten. Ich meine, der Landeshauptmann soll sich bei allen ehemaligen Heimkindern entschuldigen.