Chronik/Oberösterreich

Das neue Arbeiten: Flexibel und kürzer

35 Stunden verteilt auf vier Tage pro Woche ohne Gehaltseinbußen. Womit das junge oberösterreichische Unternehmen „tractive“ derzeit vorprescht, könnte bald öfter auftauchen. Die Arbeitswelt ist im Wandel und mit ihr auch die Ansprüche der Arbeitnehmerinnen und -nehmer. tractive produziert GPS-Tracker für Hunde und Katzen. So können besorgte Besitzer immer mitverfolgen, wo sich ihre Fellnase gerade herumtreibt.

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Seit Juli arbeitet das gesamte Team rund Wolfgang Reisinger und Michael Hurnaus in der Regel von Montag bis Donnerstag. „Natürlich gibt es einige Ausnahmen, etwa im Kundendienst. Die 4-Tage-Woche hilft uns auf jeden Fall dabei, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bekommen und auch zu halten. Gerade für junge Leute ist die Arbeit heutzutage nicht alles. Sie wollen eine ausgeglichene Work-Life-Balance und einen sinnvollen Job. Beides können wir bieten“, erklärt COO Wolfgang Reisinger. 170 Leute aus 40 Nationen arbeiten derzeit für tractive, das Durchschnittsalter ist 30 Jahre, derzeit gibt es 40 bis 50 offene Stellen.

Blick in die Zukunft

Das neue Bürogebäude in Pasching direkt neben der Plus City ist ebenfalls ein Blick in die Zukunft der Arbeitswelt: Viel Raum für freies Arbeiten, große Küchen als zentrale Kommunikationsorte, eine Arena für Präsentationen und ein Wald, der mitgenutzt werden kann und in dem ein kleiner Kubus steht. Darin lässt es sich mit Blick ins Grüne kreativ und ohne Ablenkung arbeiten.

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Einmal pro Woche soll demnächst der Foodtruck vorfahren. Und zu den gesetzlichen fünf Wochen Urlaub gibt es pro Jahr sechs weitere „Balancing Days“, die für die physische und mentale Gesundheit verwendet werden sollen. „Ich glaube fest daran, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit all diesen Angeboten nur noch produktiver und motivierter sind“, ist Reisinger überzeugt.

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Um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Deshalb hat sich auch das Architekturbüro Poppe*Prehal aus Steyr entschlossen, ab September auf die 4-Tage-Woche umzusteigen, allerdings ohne Stundenreduktion. „Wir stellen es unseren Leuten frei, ob sie das möchten oder nicht. Derzeit steht es 50:50“, sagt Andreas Prehal, einer der beiden Geschäftsführer, und lacht: „Das wird für mich selber gar nicht so einfach. Wenn man ein Unternehmen aufgebaut und immer sehr intensiv gearbeitet hat, tut man sich mit der 4-Tage-Woche wirklich schwer.“

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„Wir sind gerade dabei, das Konzept auszuarbeiten und für die verschiedenen Abteilungen unterschiedliche Lösungen zu finden. Ich hoffe sehr, dass wir dann mit Anfang 2023 mit der 4-Tage-Woche starten können.“ Ines Schiller ist Bürgermeisterin von Bad Ischl und möchte umsetzen, was den Gemeindebediensteten wichtig ist. „Es wird immer schwieriger, Leute für den öffentlichen Dienst zu bekommen, auch weil wir mit dem Gehaltsschema sehr eingeschränkt sind. Dafür wollen wir auf anderer Ebene punkten und einen Versuch ist es auf jeden Fall wert“.

Vor allem Frauen wollen flexibel arbeiten, auch mal von zu Hause aus: „Da wollen wir einen Beitrag leisten, das zu ermöglichen. Vor allem, weil ich sehe, dass die Arbeit meist genauso gut oder besser erledigt wird“, so Schiller.

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"Arbeitszeitverkürzung und Lohnausgleich"

„Prinzipiell begrüßen wir die  Vier-Tage-Wochen, weil längere zusammenhängende Freizeitblöcke nachweislich einen höheren Erholungseffekt haben. Nur die Arbeitstage pro Woche bei unveränderter Gesamtarbeitszeit zu reduzieren, greift aber zu kurz“, sagt AK-Präsident Andreas Stangl: „Das hätte bei 40-Stunden-Wochen permanente 10-Stunden-Arbeitstage zur Folge. Diese sind nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen auf Dauer ungesund.  Damit Vier-Tage-Wochen positive Auswirkungen haben, sollten sie  mit Arbeitszeitverkürzung und Lohnausgleich verbunden werden. Viele Betriebe haben erkannt, dass das die Produktivität oft sogar steigert und zu weniger Krankenständen führt.“

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"Kein Etikettenschwindel zur Arbeitszeitreduktion"

„Die 4-Tage-Woche kann nur auf betrieblicher Ebene entschieden und umgesetzt werden. Dahinter soll sich kein Etikettenschwindel zur Arbeitszeitreduktion verbergen“, sagt Doris Hummer, Präsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich.
Die Arbeitszeit sei natürlich verdichtet, „viele möchten das nicht. Sie wollen zum Beispiel soziale Faktoren nicht verlieren“, so Hummer. In Wahrheit komme es vor allem auf die Flexibilität an, die die Unternehmen ihren Mitarbeitern bieten,  „es gibt dafür keine Geheimformel. Erfolgreich werden auch nur die, die sich über das Pflichtmaß hinaus anstrengen. Wenn man eine Arbeit gerne macht, ist das ja auch eine große Freude“, meint die Präsidentin.