Chronik/Niederösterreich

Sozialdemokratie: „Sonst hätten wir sie nicht gewählt“

Aus der Ferne ist das Dröhnen mehrerer Motorsägen zu hören. Voll beladene Transporter donnern alle paar Minuten durch die Ortschaft.

Holz prägt seit jeher das Leben in Bärnkopf im Süden des Bezirks Zwettl. Wer sich umsieht, erkennt den hohen Waldanteil in der knapp 360 Einwohner zählenden Gemeinde, die als waldreichste Österreichs gilt. Trotzdem hat sich die finanzielle Lebensgrundlage vieler Bewohner verändert. Waren früher rund 100 Arbeiter in den nahen Forstbetrieben tätig, sind es jetzt nur mehr zwei.

Der Großteil der Bewohner arbeitet inzwischen auswärts oder gehört zur wachsenden Gruppe der Senioren. Obwohl die urtypische Wählerschaft weggeschmolzen ist, halten die Sozialdemokraten hier nach wie vor die absolute Mehrheit – Bärnkopf ist die stärkste SPÖ-Gemeinde Niederösterreichs.

Seit dem Jahr 2012 ist der Amtsleiter und Bürgermeister ein und dieselbe Person. Arnold Bauernfried wird von Bewohnern als nahbarer Gemeindechef beschrieben, der umsichtig agiere. Er selbst sagt, dass er einen kollegialen Umgang mit der Opposition, sprich der ÖVP, pflegt. „Seit Jahren sind fast alle Beschlüsse einstimmig gefasst worden. Bei uns ist die Welt noch in Ordnung“, sagt Bauernfried. Das sieht ÖVP-Gemeinderat Konrad Renner ähnlich. „In unserer Gemeinde kennt jeder jeden. Da wäre ein parteipolitisches Hick-Hack nicht förderlich“, sagt Renner. Um die Gesprächsbasis nicht zu gefährden, existiert ein „Gentlemen’s Agreement“. Darin heißt es sinngemäß, dass die Parteien vor den Wahlen auf das Aufhängen von Plakaten und Plakatständern verzichten.

Alle Inhalte anzeigen

Warum SPÖ?

Aber wozu braucht man noch die Sozialdemokratie, wenn die Arbeiterschaft nur noch in Bruchteilen existiert?

„Die SPÖ ist der stabile Faktor für Toleranz und Solidarität. Diese beiden Pfeiler sind überaus wichtig und müssen in unserer Gesellschaft verankert bleiben. Darum kümmern wir uns“, erklärt Bauernfried. Er meint, dass keine (politische) Bewegung fehlerfrei sei, „überall erleben wir derzeit ein auf und ab“. Leider hätten viele Menschen schnell vergessen, dass es die SPÖ war, die Sozialleistungen in Österreich erkämpft habe.

Ein paar Hundert Meter weiter sitzen im letzten Dorfwirtshaus mehrere Auswärtige am Mittagstisch. Chefin Maria Hofer richtet in ihrer kleinen Küche einen Tafelspitz an. Die 76-Jährige bedauert, dass nur mehr wenige Gäste zu ihr kommen, aber sie könne sich nicht über die Sozialdemokraten beschweren. „Ärmere Leute bekommen durch die Partnergemeinde Wiener Neudorf öfters die Möglichkeit, günstig Urlaub zu machen. Wissen Sie, wenn wir unzufrieden wären, hätte die SPÖ in Bärnkopf sicher keine 51 Prozent mehr“, sagt Hofer. Dass so viele Bewohner nach wie vor die SPÖ wählen, sei historisch bedingt. „Viele ältere Rot-Wähler geben ihre politische Einstellung an die Jungen weiter“, erklärt sie.

Das sehen die Verkäuferinnen im „Unser Gschäft für Bärnkopf“, das die Gemeinde mithilfe eines Vereins vor der Schließung rettete, ähnlich. Die Sozialdemokraten würden hier gute Arbeit leisten, daher seien sie unverzichtbar. „So blöd stellen sie sich nicht an, sonst hätten wir sie nicht gewählt. Die Gemeinde erarbeitet mit den Bewohnern Ziele, um etwa die Schule oder das Kaufhaus zu erhalten“, sagt Verkäuferin Renate Hofer. Den Roten seien die Leute noch wichtig, ergänzt ihre Kollegin Karoline Grafeneder. Als ehemalige Wienerin habe sie Bärnkopf schätzen gelernt.