Chronik/Niederösterreich/Sankt Pölten

Geheime Absprachen: Tischlerei-Kartell flog auf

Ein für mehrere Tage geplanter Tischlereikartell-Prozess hat am Montag am Landesgericht St. Pölten begonnen. Die Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft 28 Personen und elf Firmen wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei 107 Vergabeverfahren von 2013 bis 2019 vor. Mehreren Beschuldigten und Tischlereien wurde in der Einzelrichterverhandlung Diversion angeboten. Die Geldbußen reichten von 220 bis 19.100 Euro. Die WKStA gab keine Erklärung ab.

Schwere Vorwürfe

Die Anklage dreht sich um jahrelange Preis- und Marktaufteilungsabsprachen zwischen Tischlereien. Ausgangspunkt sei eine Hausdurchsuchung aufgrund eines Vorwurfs gewesen, blickte die Staatsanwältin im Eröffnungsvortrag zurück.

Tischlereien sollen sich darauf geeinigt haben, wer in Ausschreibungsverfahren den Zuschlag erhalten sollte, und Betriebe sollen Deckangebote gelegt haben. Statt einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen, wurden laut der Vertreterin der WKStA Angebote abgegeben, die durch Absprachen zustande gekommen sind.

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Insgesamt elf Kronzeugen von zwei Unternehmen hätten die Anklage ermöglicht, sagte die Staatsanwältin. Ausgeforscht wurden demnach in Summe rund 100 Beschuldigte, mehr als 140 Taten wurden aufgedeckt. Viele der Betroffenen waren im Ermittlungsverfahren geständig und erhielten Diversion. Die Anklage richtete sich gegen jene, die ihnen vorgeworfene Taten nicht zugaben bzw. bei denen laut Staatsanwältin aufgrund schwerer Schuld eine Diversion nicht möglich war. Die Beschuldigten sind alle unbescholten. Mehrere Angeklagte bekannten sich am Montag schuldig. Bis zum späten Vormittag erhielten 13 Personen und zwei Unternehmen Diversion.

Viele Betroffene

Die Anklage beinhaltete Ausschreibungen im Gesundheitswesen sowie im Ausstellungs- und Kindergartenbereich. Weiters wurden beispielsweise Deckangebote für den Bau eines Feuerwehrhauses in Tirol und für ein Projekt in einem Wiener Einkaufszentrum gelegt. Betroffen waren u.a. Ausschreibungen des Landes Niederösterreich, der Stadt Wien, des Wiener Gesundheitsverbunds (früher Wiener Krankenanstaltenverbund) und der Gebietskrankenkasse.

Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hatte 2019 aufgrund von Hinweisen des Wiener Stadtrechnungshofs Hausdurchsuchungen bei Tischlereien in mehreren Bundesländern wegen des Verdachts von wettbewerbsbeschränkenden Absprachen durchgeführt. In Folge wurden Geldbußen nach dem Kartellgesetz beantragt und zum Teil bereits verhängt.

Diversionen und vertage Verhandlung

Der Prozess fand in St. Pölten statt, weil laut Anklagebehörde der früheste Tatort im Sprengel des Landesgerichts liegt. Am ersten Prozesstag am Montag hatten 20 Angeklagte und sieben Betriebe Diversion erhalten, eine Angeklagte wurde freigesprochen. Eine Geldstrafe von 7.700 Euro gab es am Dienstag für einen Beschuldigten, ein Unternehmen erhielt zudem eine mit einer Geldbuße von 61.650 Euro verbundene Diversion. Drei Beschuldigten, die sich für den Prozesstag am Montag entschuldigt hatten, soll laut Richterin ebenfalls Diversion angeboten werden. Die Schuldsprüche sind Gerichtsangaben zufolge nicht rechtskräftig.

Fortgesetzt wird die Verhandlung am 1. Februar 2023, wobei sich der Prozess dann um einen  Beschuldigten sowie zwei Verbände drehen wird.

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