Chronik/Niederösterreich

Fall Kührer: Auch Alibi ist erfunden

Wir haben eine sehr dichte Indizienkette geknüpft“: Ernst Geiger, Leiter des Bundeskriminalamtes (BK) ist sich sicher: Michael K. ist Julia Kührers Mörder. Nicht nur die DNA des Verdächtigen wurde auf einer Decke gefunden. Die Polizei konnte nun auch das Alibi des 51-Jährigen widerlegen. Denn K. hatte angegeben, am 27. Juni 2006, dem Tag des Verschwindens von Julia Kührer, in Tschechien gewesen sein. „Sein Handy war aber in Pulkau eingeloggt. Er hat kein Alibi zur Tatzeit“, sagt Geiger. Die angebliche Fahrt nach Tschechien hat laut Aufzeichnungen der Grenzpolizei erst am Folgetag stattgefunden. Und: Der Kontakt zwischen K. und Julia Kührer dürfte deutlich enger gewesen sein, als der Verdäch¬tige immer angegeben hatte.

Enger Kontakt

Alle Inhalte anzeigen
Die damals 16-jährige Kührer stieg am 27. Juni 2006 in Pulkau (NÖ) gegen 13.30 Uhr aus dem Schulbus und verschwand. Michael K. betrieb nur wenige Meter weiter, auf dem Heimweg des Mädchens, eine Videothek. Er kannte Julia. Und zwar besser, als er bisher zugab. „Der Kontakt zu den Jugend¬lichen war nicht so lose, wie er das beschreibt. Und es wurden in der Videothek auch Suchtmittel und Getränke konsumiert“, sagt Geiger. Dafür gibt es Zeugen.

Dass die sterblichen Überreste Julias im Juni 2011 im Keller von K.s Haus im nahen Dietmannsdorf gefunden wurde, erklärte K. bisher so: Das Tor zum Grundstück sei immer offen gestanden – jeder hätte die Leiche ablegen können. „Auch das stimmt nicht“, erklärt Geiger: „Mehrmals wollte sich der Exekutor Zutritt verschaffen. Er konnte nicht hinein und musste einen Schlosser anfordern.“ Auch die Ermittler standen nach dem zufälligen Skelettfund vor verschlossenen Türen. Hineingetraut hätte sich auch sonst niemand. „Dort waren scharfe Hunde. Die Nachbarschaft hatte Angst.“ Die Skelette der Hunde fanden die Ermittler übrigens im Garten eingegraben.

Die Schlinge rund um den Hauptverdächtigen zieht sich also immer enger zu. „K. war von Anfang an unser Hauptverdächtiger. Bisher konnten wir seine Verantwortung aber nicht wider-legen“, erklärt Geiger. Jetzt können es die Ermittler, sind sie überzeugt – die Hautschuppen an der blauen Decke, in die Julia Kührer eingewickelt und mit der sie verbrannt worden war, war das entscheidende Zünglein an der Waage. Und sie gehen von Mord aus. „Fremdeinwirkung ist wahrscheinlich“, heißt es im Gutachten des Gerichtsmediziners Wolfgang Denk.

Verdächtiger leugnet

Alle Inhalte anzeigen
Trotz der Beweislast leugnet der Tatverdächtige, etwas mit Kührers Tod zu tun zu haben. Er wurde bis in den Abend hinein vom Staatsanwalt sowie „Cold Case“-Chefermittler Kurt Linzer und seinem Team einvernommen.

„Dass er erst einen Tag später in Tschechien gewesen ist, kann sein“, sagt K.’s Anwalt Farid Rifaat. „Aber er konnte rekonstruieren, dass er am Tag des Verschwindens bei einem Arztbesuch in Wien war.“ Sein Mandant zeige sich kooperativ und sei „bemüht, seine Erinnerungen nach all den Jahren aufzufrischen.“ Zur Handypeilung erklärt er: „Er war mittags in Pulkau eingeloggt. Aber Kührers Handy wurde in Horn angepeilt.“

Für die Kriminalisten ist der Fall so gut wie abgeschlossen. „Wirklich abgeschlossen ist er erst, wenn der Täter verurteilt wurde“, so der nö. Landespolizeidirektor Franz Prucher.

Kührer
https://images.spunq.telekurier.at/kuehrer.jpg/1.674.109
apa
kuehrer.jpg
Alle Inhalte anzeigen
Der Mord an dem zehnjährigen Mirco in Deutschland hat im Kriminalfall Julia Kührer zum entscheidenden Sachbeweis geführt. Dem Landeskriminalamt Hessen ist es dabei gelungen, mittels Hautschuppenanalyse im Labor eine Verbindung zwischen Täter und Opfer herzustellen. „Diese Methode haben wir im Fall Kührer auch bei der Staatsanwaltschaft Korneuburg angeregt“, erklärt der Leiter des Bundeskriminalamtes, Ernst Geiger, nachdem eine erste Standard-Überprüfung kein Ergebnis gebracht hatte.

Dieses Mal war die weit aufwendigere Methode von Erfolg gekrönt: Im DNA-Labor der Gerichtssachverständigen Christa Nussbaumer in Mödling konnten tatsächlich die Spuren des Hauptverdächtigen Michael K. auf Fragmenten jener blauen Decke sichergestellt werden, in die die Leiche eingewickelt war. „15 von 16 Merkmalspuren stimmten mit dem Profil des Verdächtigen überein“, sagt Geiger, das sei ein „eindeutiger Beweis“.