Experten fordern Ende der Abschottung Behinderter
Seit ein ehemaliger Pfleger der Wiener Neustädter Waldschule Behandlungsmethoden der dort im Internat betreuten behinderten Kinder anprangerte (die Direktion widersprach den Vorwürfen), gehen die Wogen hoch. Während Experten die Schließung solcher Sondereinrichtungen fordern, sprechen Landespolitiker und Eltern von einem „Vorzeigeprojekt“.
Klaus Schneeberger, Klubobmann der NÖVP, besuchte einst selbst die Waldschule. „Die Kinder sind in der Waldschule gut aufgehoben. Inklusion wird dort gelebt. Wissen Sie, wie oft die Kinder in die Stadt gehen?“ 20 bis 25 Prozent der Kinder der Waldschule, sagt Schneeberger, könnten wohl auch in ihren Wohnorten betreut werden. „Aber bei 75 Prozent, den Schwerst-Behinderten, ist das einfach nicht möglich.“
Land schützt Schule
Die Angriffe gegen die Einrichtung hält er für einen „Wahnsinn“. „Auch die Eltern unserer Schüler sehen das so und sind sehr erbost.“ Schneeberger hat der Waldschule die Unterstützung des Landes zugesagt. „Sowohl Schule als auch Internat sind Herzeigeeinrichtungen.“
Sein Parteikollege Franz Huainigg, Behindertensprecher der Bundes-ÖVP, sieht dies im KURIER-Interview anders: „Zentrale Schulheime für Kinder sind alles andere als zeitgemäß. Kinder müssen dort in die Schule gehen können, wo ihr Zuhause ist, nur das gewährleistet eine Integration in ihrem Umfeld.“ Er fordert einen Paradigmenwechsel: „Weg von Sonderschulen, hin zu Inklusion vor Ort.“
Tiroler Vorbild
Huainigg nennt als positives Beispiel den Bezirk Reutte in Tirol: „Dort zeigt man seit fast 20 Jahren vor, dass es keine Sonderschule braucht und dass jedes Kind integriert werden kann.“
Behinderten_Experte Volker Schönwiese stößt ins selbe Horn: "Heim-Sonderschulen gehören aufgelöst und anders verwendet."
Auch seitens des ÖAR (Dachorganisation der Behindertenverbände Österreichs) liegt die Zukunft nicht in großen Einrichtungen: ÖAR-Generalsekretärin Eringard Kaufmann spricht aber von einer „großen Herausforderung, kleine Einrichtungen für Personen mit großem Pflegebedarf zur Verfügung zu stellen.“
"Fraglicher Erfolg"
Auch in der Autistenhilfe zweifelt man die Sinnhaftigkeit von Sondereinrichtungen für behinderte Kinder an. „Kinder mit sogenanntem erhöhten Förderbedarf werden zum Teil nach wie vor mit beträchtlichem Aufwand für ihre Schulbildung segregiert. Später wird ein hoher Aufwand betrieben, um sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern, zumeist mit fraglichem Erfolg“, erklärt Carolin Steidl, Expertin der Autistenhilfe.
Während Eltern von Waldschul-Kindern die Vorzüge hervorstreichen (siehe rechts), sind ehemalige Schüler geteilter Meinung. So fordert Theresia Haidlmayr, ehemalige Behindertensprecherin der Grünen, die Schließung der Waldschule, in der sie selbst sieben Jahre verbrachte. Liedermacher und Ex-Waldschüler Sigi Maron verbindet gute Erinnerungen mit der Einrichtung: „Das Internat war keine schlimme Zeit für mich.“
Positive Prüfung
Unterdessen sind die durch den KURIER-Bericht ausgelösten Prüfungen der Landessonderschule durch das Land Niederösterreich abgeschlossen. Man habe keine Hinweise auf Medikamenten-Missbrauch, mangelnde Betreuung oder Misshandlung der Kinder gefunden. Der Tenor der Prüfung: Alles ist in Ordnung. Die Volksanwaltschaft wertet die Ergebnisse ihres Ad-Hoc-Besuches in der Waldschule noch aus.
An all jene, die die Schließung solcher Einrichtungen fordern: Wie geht es danach weiter? Natürlich sollen alle Kinder die Möglichkeit haben eine VS, AHS, HS, NMS, BHS zu besuchen, aber was passiert mit schwer behinderten Kindern und Jugendlichen? Hanna W. via kurier.at
Also mein Neffe geht dort in die Schule und hat sich sehr zum Positiven verändert. Er ist viel offener und ausgeglichener als früher. Kathrin Wurzer via kurier.at
Eine Einrichtung wie die Waldschule wird erst dann überflüssig werden, wenn die Gesellschaft ihre Einstellung schwerstbehinderten Menschen gegenüber ändert. Hermann Gruber via kurier.at
Ähnliche Vorfälle wie sie berichtet wurden, hat es auch in der Behindertenschule in Mauer gegeben. Solche Heime darf es nicht mehr geben. Den seelischen Schaden, den man dort erfährt, bekommt man nicht mehr weg. Kornelia Goetzinger via kurier.at
Ich bin in dieser Einrichtung aufgewachsen und habe neun Jahre meiner Kindheit dort verbracht. Auch heute denke ich gerne an diese Zeit zurück und bin froh, dass es die Waldschule gab. David Weisz via kurier.at
Ich war selbst in meiner Pflichtschulzeit acht Jahre lang in dieser „Anstalt“ und hab dort Schauderhaftes erleben müssen. Diese und ähnliche „Anstalten“ gehören unwiderruflich geschlossen. Klaudia Karoliny via kurier.at
Als Großeltern einer mehrfach schwerst behinderten Enkeltochter, die im Zeitraum 2001 bis 2009 im Internat der „Waldschule“ betreut wurde, sind wir mehr als schockiert über Ihre reißerischen Artikel. Ihre Berichterstattung ist tendenziös und unvollständig, daher leider einseitig recherchiert. Helmut Bachmayer via eMail
Unsere Tochter besucht ebenfalls seit vier Jahren die Schule. Wir ärgern uns jedes Jahr über die Therapie-Einteilung in der Schule und auch über die mangelnden und ständig schwindenden Therapeuten. Leider stößt man in der Schule auf taube Ohren, wenn man das Problem anspricht. Barbara und Hermann Deimel via eMail
Hier in der Waldschule haben wir die Möglichkeit in Kleingruppen zu arbeiten, den Kindern den notwendigen Freiraum zu gewähren, auf emotionale Ausbrüche zu reagieren, sich auf jedes einzelne Kind zu konzentrieren. Susi S. via kurier.at
Meine Frau fährt täglich unseren Sohn morgens in die Waldschule und holt ihn mittags wieder ab. Das sind in Summe 250 Kilometer täglich. Das würden wir nicht in Kauf nehmen, wenn wir nicht überzeugt wären, dass es eine gute Schule ist. Hans Lauber via kurier.at
Ich bin die Mutter eines elfjährigen schwerbehinderten Sohnes, der seit fünf Jahren als externer Schüler die Waldschule besucht, ich liebe meinen Sohn und ich will das Beste für ihn. Das ist die Waldschule. Michaela Lehrner via kurier.at
Ich setze mich seit über 20 Jahren als Lehrerin und als Wissenschafterin für die schulische Integration von Kindern mit Behinderungen ein. Schulen wie die Waldschule widersprechen der Kinderrechtskonvention, weil sie statt Teilhabe Aussonderung praktizieren und fortschreiben. Niederösterreich hat in den vergangenen zwanzig Jahren anstelle von Integration die Sonderschulen stark ausgebaut. Petra Flieger via eMail
Der Skandalreporter des KURIER, Herr Georg Hönigsberger, hat wieder zugeschlagen. So wie er seinerzeit katholische Heime und Jugendheime der Gemeinde Wien auf Grund von zweifelhaften Informationen verleumdet hat, macht er es nun gegen die allseits geachtete Waldschule Wr. Neustadt. Dr. Josef Brandstetter via eMail
Die Wahrheit muss ans Licht, in Österreich liegt genug im Graubereich und dann sagen alle, warum fiel das niemanden auf. Sowas wie es Philipp S. (der Ex-Pfleger, der das Internat der Waldschule anprangert, Anm.) getan hat, muss man sich mal trauen. Ich habe Respekt für Philipp S. und dass er diesen Schritt getan hat. Steffi Kuderer via kurier.at
Es gibt genug Menschen, die Anschuldigungen bewusst erfinden, um damit einer Einrichtung schaden zu wollen! NO Name via kurier.at
Solche Menschen brauchen wir, die hinsehen und agieren und nicht den Kopf in den Sand stecken oder die Augen verschließen. emilia b. via kurier.at
Mein Sohn besucht nun das fünfte Jahr extern die Waldschule, ist dort sehr gut aufgehoben und wird liebevoll und kompetent betreut. Die Geduld, die Lehrer, Erzieher,Therapeuten und Pfleger aufbringen ist bewundernswert. Ingrid Dorn via kurier.at
Es geht nicht um Personen, die ihren Job gut machen in der Behindertenarbeit. Es geht darum, dass Einrichtungen und Heime nicht zeitgemäß sind, gegen Menschenrechte von Natur aus verstoßen und da im Grunde auch kein Mensch leben will. Dorothea Brozek via kurier.at
Bemerken kann man nur etwas wenn man hinsehen will. Was ist mit dem Jungen der nach dem Einnässen von einer Pflegerin in den „Hof zum Trocknen in der Sonne“ geschickt wurde? Noch Anonym via kurier.at
Ich habe auch ein Kind in der Waldschule und es gibt nichts Besseres für Kinder mit Behinderung. Vera Jokesz via kurier.at