Erstlesebücher für Erwachsene sollen Mut machen
Von Caroline Ferstl
Fartina stammt aus Somalia, bei ihr zu Hause herrscht Krieg. Sie lässt sich auf eine arrangierte Ehe ein, um ein neues Leben in Sicherheit zu beginnen.
Ramir flieht mit 16 Jahren in ein fremdes Land, hat kein Geld und versteht die Sprache nicht. Acht Jahre später hat er Deutsch gelernt, eine Lehre absolviert und verdient sein eigenes Geld.
Amalia musste 70 Jahre alt werden, bis sie sich ihren Lebenstraum erfüllen konnte. Davon zehrt sie auch noch im hohen Alter.
Trotz ihrer unterschiedlichen Lebenswelten teilen Fartina, Ramir und Amalia eine Gemeinsamkeit: Sie alle sind Protagonisten in den Büchern von Sabine Wiesmayer. Ihre Geschichten sind real, keine davon ist erfunden: „Es sind die Lebensgeschichten meiner Schülerinnen und Schüler. Jede einzelne davon hat mich beeindruckt, sie sollen Mut machen“, erläutert Wiesmayer.
Wiesmayer ist Deutschlehrerin für Erwachsene. Sie unterrichtet sowohl in der Privatwirtschaft, als auch in sozialen Einrichtungen, ihre Schüler sind sowohl international tätige Manager großer Konzerne als auch Menschen mit Migrationshintergrund. Auch funktionale Analphabeten betreut Wiesmayer.
Mutmacher in Buchform
Als der Deutschunterricht im ersten Lockdown kurzerhand abgesagt wurde, überlegte Wiesmayer, wie sie ihre Schüler trotzdem erreichen konnte. Da kam ihr die Idee zu den Erstlesebüchern für Erwachsene: „Die Texte sind in sehr einfachem Deutsch gehalten und in großer Schrift gedruckt. Ähnlich wie Kinderbücher – nur mit realen Themen, die Erwachsene betreffen, wie Arbeitslosigkeit, unerfüllter Kinderwunsch, Demenz, Flucht“, erzählt die 54-jährige Hennersdorferin (Bezirk Mödling).
Per Post hat Wiesmayer die Bücher an ihre Schülerinnen und Schüler geschickt und am Telefon mit ihnen gelesen. Mittlerweile kann man die Bücher auch im Handel oder beim Österreichischen Bundesverlag (ÖBV) erstehen.
Die Porträts auf den Buchumschlägen hat Wiesmayer selber gezeichnet, „das sind keine bildlosen Protagonisten, sondern echte Menschen“, verdeutlicht die Deutschlehrerin. Das nächste Buch hat sie bereits im Kopf: Eine Hilfe zum Schreibschriftlernen soll es werden.