Doku-Roman zwingt Winzer zur Aufarbeitung der NS-Geschichte
Von Gilbert Weisbier
Die Veröffentlichung eines Buches über eine Arisierung als Basis für die Gründung Vorzeige-Winzergenossenschaft (WG) Sandgrube in Krems wäre eigentlich Aufreger genug. Doch der wurde übertroffen von der Reaktion des WG-Geschäftsführers Franz Ehrenleitner. Der schlug das Angebot, ihm Informationen zu präsentieren, aus. Er verweigerte vorerst jede Beschäftigung mit dem Thema. Nun hat die WG einen neuen Weg eingeschlagen: Sie hat die ehemalige Leiterin des Dokumentationsarchives des österreichischen Widerstands engagiert, um sich damit auseinanderzusetzen.
Dass der Besitz des jüdischen Weinhändlers Paul Josef Robitschek im Jahr 1938 arisiert wurde, ist 1948 gerichtlich festgestellt worden. Um 22.000 Reichsmark, die nie ausbezahlt wurden, wie Historiker Robert Streibel erzählt, musste der Besitzer seinen großen Weinkeller und bekannte Lagen wie die Sandgrube hergeben. 1948 musste die WG 600.000 Schilling nachzahlen.
Zum dokumentarischen Roman „Der Wein des Vergessens“ (Residenz Verlag) kam es, als Bernhard Herrman im Haus seiner verstorbenen Cousine eine Metallkassette mit Briefen, Akten und Fotos fand. Darin tauchte der Name August Rieger auf, der Geschäfts- und Lebenspartner von Robitschek war. Herrman begann zu recherchieren und holte Historiker Streibel ins Boot.
„Robitschek musste flüchten. Sein Partner war mutig. Er reiste ihm mehrmals nach, um ihm geschmuggeltes Geld und Schmuck nach Triest oder Paris zu bringen. Auch die Mutter seines Freundes hat Rieger bis zur Deportation nach Theresienstadt, wo sie ermordet wurde, unterstützt“, berichtet Streibel. „Wir hatten die einmalige Gelegenheit, etwas über die persönliche Befindlichkeit Betroffener zu erfahren“, erzählt Streibel, der einige Bücher über die Kremser NS-Geschichte schrieb.
Interessiert
„Ich wusste erst nichts davon und bin selber interessiert, wir haben nämlich keine Unterlagen“, sagt WG-Obmann Franz Bauer. Nun entschied der Vorstand, dass die Geschichte aufgearbeitet wird. Damit wurde die ehemalige Leiterin des Dokumentationsarchives, Brigitte Bailer-Galanda, als Beraterin beauftragt.
„Allzu lang waren wir uns der historischen und moralischen Problematik nicht bewusst und wollen uns nun den kritischen Fragen dieser Zeit aufrichtig stellen“, hält die Genossenschaft in einer Aussendung fest. „Jede Art von Verschweigen oder Verharmlosung der Vorgänge zur Zeit des Nationalsozialismus lehnen wir ab.“