Chronik/Niederösterreich

Campus Wienerwald: Neue Zukunft für Blindenheim Harmonie

Es ist ein ehrgeiziges Projekt, das auf dem Areal des ehemaligen Blindenerholungsheims „Harmonie“ in Unterdambach im Bezirk St. Pölten entstehen soll. Bereits 2017 hat Rechtsanwalt Gernot Steier aus Neulengbach den Gebäudekomplex mit samt 3,5 Hektar Agrar- und Parkfläche gekauft. Er hatte damals schon eine Vision: „Hier soll ein Campus für Kultur und Bildung herkommen. Menschen mit Beeinträchtigung, Alte und Studenten sollen hier gut leben können“, erzählt Steier.

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Und dafür griff er tief in die Taschen: 1,4 Millionen Euro war der Kaufpreis der 2014 geschlossenen Gesundheitseinrichtung. „In die Renovierung und Sanierung floss bereits nochmals so viel“, sagt er. Und hohe Investitionen braucht es noch, damit das generationsübergreifende, inklusive Lernen, Wohnen und Arbeiten am Campus Wienerwald – wie er heißt – realisiert werden kann.

 

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Geplant sind ein Bildungshaus mit Seminarzentrum inklusive Hotel, ein Kaffeehaus, eine Schulküche, ein Studentenheim sowie Wohngruppen für Betreutes Wohnen. Der große Vorteil: „Für Betreutes Wohnen gibt es noch die Genehmigung. Es ist ein barrierefreies Haus mit Kleinwohnungen. Die Infrastruktur ist derzeit für 500 Personen ausgelegt, wohnen sollen dann um die 200 hier“, schildert der Immobilienbesitzer. Der Komplex besteht aus fünf Häusern aus den 1970ern. Darin gibt es eine Kapelle, einen Konzertsaal, ein Schwimmbad sowie eine Kegelbahn. All das soll revitalisiert werden. Dahinter steht der „Dorfgedanke, ich hoffe, dass es eine funktionierende Gemeinschaft wird“, betont der Eigentümer.

 

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Gleichgesinnte

Steier hat bereits viele Gleichgesinnte gefunden, die seine Visionen teilen und sich am Campus in unterschiedlichen Formen ansiedeln möchten, etwa die Wiener Pfadfinderinnen und Pfadfinder oder die Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik Wien. Letztere soll sich vor allem bei der Gärtnerei mit Therapiegarten und Tagesstruktur für Menschen mit Förderbedarf engagieren.

Schon jetzt betreibt der Verein „Gemeinsam Gut Leben“ eine Tagesstruktur im Probebetrieb. Drei Erwachsene besuchen diese zur Zeit. Sie betreiben dort gemeinsam mit den Betreuern Gabriele und Friedemann Wolf eine kleine Landwirtschaft, mit den Erträgen – also etwa Zucchini, Tomaten oder Salat – befüllen sie Gemüsekisterl, die ausgeliefert werden. Außerdem kümmern sie sich um Hühner, Hasen, Schafe und Ziegen. Der Probebetrieb läuft seit Mitte März – eigentlich seit dem Corona-Lockdown – erzählt Martina Hess, die im Projektentwicklungsteam des Campus Wienerwalds ist.

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Ihre Tochter Marlene hat einen seltenen Gendefekt und eine Autismusstörung, sie besucht die Tagesstruktur seit dem ersten Tag. „Seit Marlene hier ist, ist sie viel offener geworden, außerdem verbessert die Arbeit im Feld ihre Körperhaltung“, sagt Hess. Als großes Glück bezeichnet auch die Mutter der 28-jährigen Sabine das Projekt: „Wir haben so etwas schon lange gesucht. Zuerst war sie in einer Tageseinrichtung, wo sie tagein, tagaus genäht hat. Da kam sie um 16 Uhr nach Hause und hatte an nichts mehr Freude. Jetzt ist sie ein anderer Mensch, nimmt wieder am Familienleben teil, hilft mit“, sagt Astrid Laa.

 

Warten auf Bewilligung

Im Wesentlichen ähnelt die Tagesstruktur des Vereins einem Bauernhof – später soll auch in der Schulküche gemeinsam gekocht werden. Außerdem sei denkbar, dass die Klientinnen und Klienten – je nach individueller Kompetenz – im Seminarbetrieb oder Kaffeehaus mitarbeiten, erklärt Steier. Derzeit gibt es für das Projekt seitens der Kostenträger (Fonds Soziales Wien bzw. NÖ Landesregierung) noch keine Bewilligung auf Kostenübernahme für die angestrebte Zahl an Förderplätzen – neun sollen es sein, im Probebetrieb sind fünf möglich. „Die Unterlagen liegen bei den zuständigen Abteilungen vor, Corona-bedingt hat sich die Begutachtung aber verzögert“, bedauert Gernot Steier. Derzeit ist der Verein auf Spenden angewiesen.

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Während die Tomaten reifen und die erste Ernte als lohnendes Ergebnis der vielen, liebevollen Arbeitsstunden eingefahren werden kann, wird an anderer Stelle gerade erst die Arbeit aufgenommen. Laut Positionspapier soll der erste Bauabschnitt Ende 2021 fertig sein, der letzte – jener mit den Wohngruppen – Ende 2023.

1966 wurde das Blindenerholungsheim „Harmonie“ in Unterdambach eröffnet. 1976 wurde das neue Anwesen – das heutige Stammhaus – eröffnet. Bis 1979 wurde es um vier barrierefreie Wohnhäuser erweitert.  2014 wurde die Einrichtung geschlossen. 2017 kaufte  Rechtsanwalt Gernot Steier das Areal, er will daraus einen Bildungs- und Kulturcampus machen.

Das Areal umfass 3,5 Hektar Agrar- und Parkfläche sowie ca. 12.000 Quadratmeter Nutzfläche. 200 Personen sollen am Campus wohnen können – rund 60 davon sollen Studierende aus dem Sozialbereich, der Musik sowie Agrar- und Umweltpädagogik. Zudem soll es Betreutes Wohnen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen und ältere Menschen geben.