Abschied ohne „Horror“: Intendant geht ab
Mit einem Abschied in zwei Akten verlässt mit Jahresende ein Großer der niederösterreichischen Theaterwelt die Bühne. Johann Kropfreiter, der Intendant des Amstettener Musicalsommers und Chef der Veranstaltungsbetriebe (AVB) begibt sich mit Jahresende in den Ruhestand.
Mit der Premiere des Klassikers „Rocky Horror Show“ am 17. Juli fällt für Kropfreiter der erste Vorhang. Die Produktion läuft mit vier Zusatzvorstellungen schon vor dem Start prächtig. Nach bald 33 Berufsjahren im Theaterbusiness scheint das eine Routineaufgabe zu sein, die schon Vorfreude auf den baldigen Ruhestand machen sollte. Doch falsch geraten. „Es ist noch viel Arbeit bis zur Generalprobe. Vorfreude hat da keinen Platz. Ich bin sehr angespannt“, gibt der bald 62-Jährige zu. Die heuer zum 30-jährigen Musical-Jubiläum eingeschobenen Galakonzerte und ein Gastkonzert der EAV mit 2.300 Besuchern eine Woche vor der Premiere sind zusätzliche Herausforderungen.
Kommenden Montag übersiedelt die Künstlertruppe, die schon seit Wochen in Wien probt, nach Amstetten. „Der Rhythmus ist wie jedes Jahr. Wir werden zwei Wochen und zwei Tage in der Pölz-Halle proben. Es ist spannend, wenn die Gruppe mit dem realen Bühnenbild zusammenwächst. Da sieht man, ob alle Bauteile im Ablauf funktionieren“, so der akribische Manager und künstlerische Leiter. Der Künstlertruppe möchte er in Amstetten „Hilfestellung geben, wo es nur geht“.
Künstler
Im Umgang mit Künstlern und Stars hat Kropfreiter ja nicht nur durch seine 20-jährige Indentantentätigkeit, sondern auch durch das 33-jährige Management des Programmtheaters mit jährlich drei Dutzend Konzerten und Theaterabenden Erfahrung, wie wohl wenige in NÖ. Ein Who is Who der Musical-, Theater- oder Kabarett-Szene stand auf der Bühne der Pölz-Halle.
Mit der „Rocky Horror Show“ zum Abschied verbindet Kropfreiter eine sehr positive Erinnerung in seiner Karriere. „Sie war 1992 unsere erste Produktion, mit der wir international Aufsehen auf uns ziehen konnten und die dann im Wiener Raimundtheater übernommen wurde“. Gut zehn Jahre habe er um die neuerlichen Aufführungsrechte für Amstetten gekämpft. Das heurige 30-Jahr-Jubiläum war für die verantwortlichen Agentur-Manager dann mitentscheidend für den Zuschlag.
Die Hits, die Frank'N'Furter, Riff Raff, Magenta und Co. bald von der Bühne schmettern werden, aber auch die Rockoper Tommy, die Kropfreiter als Erstaufführung nach Österreich brachte sowie Produktionen wie Hair oder Jesus Christ Superstar sind persönliche musikalische Bekenntnisse des Intendanten. „Ja, ich bin Rockmusik-Fan“, gesteht er. Aktiv spielt Kropfreiter hingegen Violine im Amstettener Symphonieorchester. Rockbands, wie Pink Floyd oder Deep Purple, hört er aber immer wieder gerne. Und Deep Purple-Keyboarder John Lord spielte auch schon persönlich in Amstetten auf.
Basis
Der breite Zugang zu Kultur und Musik wurde beim späteren Ingenieur mit technischer Ausbild im frühen Kindesalter geweckt. „Schon als Dreijähriger saß ich in Orgelkonzerten meines Onkels in St. Florian“, erinnert er sich an den berühmten oberösterreichischen Komponisten Franz Kropfreiter. Der Wunsch des damals in arabischen Ländern arbeitenden Technikers , ins Kulturmanagement zu wechseln, erfüllte sich vor 33 Jahren spontan. Kropfreiter folgte dem damaligen Pölz-Hallen-Geschäftsführer und heutigem Intendant des Theaters an Wien, Roland Geyer. Das damalige Angebot, sei mit der heutigen Vielfalt und Breite jedenfalls nicht vergleichbar, glaubt Kropfreiter einiges zur Kulturstadt Amstetten beigetragen zu haben.
Zäsuren
War der plötzliche Herztod seines in der Operettenwelt bekannten Intendantenvorgängers Heinz Ehrenfreund 1999 eine große Zäsur in Kropfreiters Karriere, so erlebte er 2012 am eigenen Leib eine dramatische Situation. Zwei Monate vor der Premiere der Erstaufführung des Musicals „Little Shop of Horror“ mit Ramesh Nair in der Hauptrolle erkrankte Kropfreiter schwer und fiel vier Monate aus. „Eine Schocksituation für das Team, das die Produktion mit unglaublicher Energie toll über die Bühne brachte“, erinnert er sich. Kropfreiter selbst ist dankbar, die limbische Enzephalitis, (eine Entzündung von Nerven im Kopf), ohne Folgeschäden überstanden zu haben.
Für den Musicalsommer war die Situation doppelt dramatisch. Galt es doch Flagge zu zeigen. 2011 fiel das Musical nämlich aus, weil die Stadt aus Spargründen die Mitfinanzierung gestrichen hatte. Für Kropfreiter noch heute eine der größten Enttäuschungen, „weil uns damals keine Alternative gelang“, meint er.
Während sein Nachfolger als AVB-Geschäftsführer dieser Tage von der Stadt bestellt wird, erfolgt die Ausschreibung für den neuen Musical-Intendanten im Frühherbst. Gute, in der Szene etablierte Leute hätten schon bei ihm angeklopft, verrät Kropfreiter aber keine Namen. Doch mit rund zehn Bewerbern sei schon zu rechnen, schätzt er. Wegen der Qualität und der vielen mutigen Erstaufführungen habe Amstetten im deutschsprachigen Raum eine Vorreiterrolle. Den inoffiziellen Titel „Bayreuth des Musicals“ hört Kropfreiter gerne. Dem neuen AVB-Geschäftsführer, der für das Abo-Theaterprogramm 2020 /21 zuständig ist, will er „beratend, aber nicht bevormundend zur Seite stehen“.
Stadtpolitik
Froh ist der Noch-Geschäftsführer, „dass ich nach so langer Zeit nicht eine abgewrackte Betriebsstätte übergeben muss. Dafür muss ich der Stadtpolitik danken“, freut er sich, dass die Theater- und Sporthalle in den vergangenen Jahren generalsaniert werden konnten. Von Seiten der Eigentümer wurde Kropfreiter auch nie in Frage gestellt.
Trotz seines Know-how werde er sich mit Jahresende völlig in den privaten Bereich zurückziehen und mehr für seine Frau und die zwei Töchter zur Verfügung stehen, kündigt er an. In der Pölzhalle will Kropfreiter dennoch oft auftauchen – als Besucher. Das Programm bis Mai 2020 ist voll mit klingenden Namen. Viele sagten zu, weil er seinen Abgang ins Spiel brachte. Trotzdem: „Das neue Wort für meine künftige Situation heißt: Chillen“.