900 HTL-Schüler protestierten gegen Abschiebung von Schulkollegen
"Solidarität mit unserem Mitschüler" oder "Welches Problem unserer Wirtschaft löst Abschiebung?" steht auf den Plakaten, die die Jugendlichen hoch halten. Rund 900 Schüler der HTL St. Pölten solidarisierten sich Freitagfrüh mit einem 23-jährigen Afghanen der Fachschule für Elektrotechnik. Seit drei Jahren besucht der junge Flüchtling die HTL, er gilt als bestens integriert. Nun könnte er jeden Tag in Schubhaft genommen und nach Kabul abgeschoben werden. Sein Asylantrag wurde auch in zweiter Instanz negativ beschieden.
Für seine Mitschüler unverständlich. „Jemanden, der sich gut integriert, sich einbringt und gute Leistungen bringt, sollte man nicht abschieben. Diese jungen Menschen sind wichtig für den Arbeitsmarkt und auch gut für den Staat. Ein Umdenken wäre hier wünschenswert“, sagt Schulsprecher Benjamin Trojan.
Das sieht auch seine Schulkollegin Marlene Grohs so. „Ich bin der Meinung, dass es für jeden eine Chance geben muss, der sich gut integriert“, sagt die 16-Jährige.
"Kabul ist kein Ort zum Leben"
"Die Auswirkungen der Politik unserer Regierung haben unsere Schule in der Form erreicht, dass aktuell ein Schüler unserer Anstalt konkret von einer Abschiebung nach Afghanistan bedroht ist", erklärt HTL-Lehrer Wilhelm Schmid, der den Protest unterstützt. Und zwar aus zwei Gründen, wie er dem KURIER erklärt. Zum einen aus humanitärer Sicht: " Kabul ist definitiv kein Platz zum Leben", meint er.
Zudem habe der junge Schüler keine Verwandten oder andere Anknüpfungspunkte in Kabul. Afghanistan habe er mit seiner Familie bereits als Kind verlassen, ehe er vor vier Jahren nach Österreich kam. "Dort ist auch seine Sicherheit gefährdet, weil er zu der Minderheit der Hazara gehört und Schiit ist."
Fachkräftemangel
Der andere Grund ist ein wirtschaftlicher: "Die Firmen suchen händeringend Fachkräfte. Wir bilden sie aus und dann werden sie abgeschoben. Das ist Steuergeldverschwendung", meint Schmid. Auch vorgeschützte rechtsstaatliche Prinzipien können diese Argumentation nicht entkräften.
Neben der persönlichen Tragik und den grundsätzlichen humanitären Bedenken, rüttle dieses Vorgehen am Selbstverständnis der Schule. Auch die Wirtschaftskammer Niederösterreich unterstütze seine Argumentation.
15 Schüler betroffen
Der 23-jährige Afghane ist nicht der einzige Betroffene. Insgesamt könnten rund 15 Schüler in der kommenden Zeit so aus den Klassenzimmern verschwinden. Viele von ihnen Afghanen, die in erster Instanz einen negativen Asylbescheid erhalten haben.
Einer von ihnen ist Cuhlam N., der 21-Jährige ist seit vier Jahren in Österreich. "Ich gehe gern zur Schule. Es macht mich traurig, dass ich Österreich vermutlich bald verlassen muss", sagt der HTL-Schüler.
Die Schüler und Schmid wollen da nicht tatenlos zusehen. Bis in die Präsidentschaftskanzlei ist der Lehrer mit seinem Anliegen vorgedrungen. Vergebens. Nun wollten sie zumindest gehört werden.