Chronik

Länder schauen bei Behinderten weg

Bundesländer, die ein Bundesgesetz nicht einhalten? So etwas gibt es. Denn drei Bundesländer kommen derzeit der Verpflichtung nicht nach, genügend behinderte Menschen einzustellen. Das ergab eine parlamentarische Anfragebeantwortung von Sozialminister Alois Stöger (SPÖ).

Doch was besagt das Gesetz überhaupt? Jedes Unternehmen, das mehr als 25 Arbeitnehmer einstellt, muss auf je 25 Dienstnehmer mindestens einen Behinderten beschäftigen. Die Bundesministerien sowie die Länder sind von dieser Pflicht nicht ausgeschlossen. Salzburg, Vorarlberg und Tirol (siehe Grafik) haben sich mit dem Stichmonat Dezember nicht an das Behinderteneinstellungsgesetz gehalten. Für die Länder gilt dasselbe, wie für die jedes andere Unternehmen: Wer diese Pflichtzahl nicht erfüllt, muss für jeden fehlenden Arbeitnehmer eine Ausgleichstaxe (ab 253 Euro) zahlen – und das pro Monat.

Diese drei mussten für die Nichterfüllung tief in die Tasche greifen. Laut KURIER-Informationen haben die Länder zusammen mehr als 1,33 Millionen Euro eingezahlt. Salzburg musste 107.328 Euro, Tirol 517.674 Euro und Vorarlberg satte 705.487 Euro auf den Tisch legen.

Diese Taxen, die jeder Dienstgeber als "Strafe" einzahlen muss, fließen nicht in das Staatsbudget. Sondern in einen Fonds, der dann wieder für die Unterstützung von Menschen mit Behinderung verwendet wird. Über die Höhe der Taxen wird oft diskutiert, Behindertenverbänden befinden diese für zu gering. Insgesamt wurden vergangenes Jahr 149 Millionen Euro in den Fonds eingezahlt.

Ministerien säumig

Nicht nur drei Länder verstoßen gegen das Gesetz, sondern auch zwei Bundesministerien. Beim Innenministerium fehlten mit Jahreswechsel 436 behinderte Angestellte. Von insgesamt 34.847 Dienstnehmern, die als relevant angesehen werden. Nicht miteinberechnet werden Lehrlinge und freie Dienstnehmer sowie Präsenzdiener oder karenzierte Personen. Rollstuhlfahrer sowie Blinde werden zum Beispiel bei der Statistik doppelt angerechnet. Vom Innenministerium heißt es auf Anfrage: "Die Differenz ergibt sich vor allem daraus, dass der Personalstand zum allergrößten Teil Exekutivbedienstete umfasst, für diese spezifischen Aufgabenbereiche aber gleichzeitig die volle Exekutivdienstfähigkeit gefordert ist." Das Innenministerium will jetzt den "deutlichen geringeren Personalanteils der Verwaltung" erhöhen. Es wurde dafür bereits eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet.

Zu wenige Lehrer

Das Bundesministerium für Bildung (BMB) hat ein noch viel stärkeres Defizit aufzuweisen. Bei 54.643 relevanten Personen haben mit Jahreswechsel satte 1353 Arbeitnehmer mit Behinderung gefehlt.

2010 fehlten dem Ressort – damals noch Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur – 1392 behinderte Dienstnehmer. Das ergab in den vergangenen sechs Jahren keine wirkliche Veränderung. 882 Personen mit eingeschränkter Mobilität sind aktuell beim Bildungsministerium angestellt, die Mehrheit davon arbeitet in der Verwaltung, wird im Sekretariatsdienst oder als Portiere eingesetzt.

"Die Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention wurden bereits mit der Novelle des Hochschulgesetzes im Jahr 2013 aufgenommen und mit der diesjährigen Novellierung nochmals aktualisiert. Wir gehen davon aus, dass diese Neuerungen in den Pädagogischen Hochschulen zu einer höheren Anzahl von Absolventen mit Behinderungen des Lehramtsstudiums und somit zu einer Erhöhung der Zahl von Lehrern mit Behinderungen führen wird", heißt es vom BMB.

Weil der Bund insgesamt aber der Pflicht nachkommt und ein Plus von 398 behinderten Dienstnehmern aufweist, müssen die zwei genannten Ressorts keine Ausgleichstaxen zahlen.

Kritik

Kritik kommt vom Behindertenverein Bizeps. "Das Innen- wie auch das Bildungsministerium haben es in der Vergangenheit verabsäumt, diesem Thema hohe Priorität zuzuweisen", sagt Obmann Martin Ladstätter. Weil sich das Ministerium sehr lange gegen behinderte Lehrer gewehrt habe, gebe es jetzt kaum welche. "Da verwundert es nicht, dass alleine das Bildungsministerium über 1300 Stellen nicht besetzt hat."