Chronik

Checkliste gegen häusliche Gewalt

Es sind verdächtige Auffälligkeiten, die im hektischen Spitalsalltag oft nicht richtig gedeutet werden: Kinder etwa, die immer wieder mit Sturzverletzungen in der Ambulanz landen. Oder Frauen mit blauen Flecken an den Oberarmen oder Oberschenkel-Innenseiten.

Solche Symptome müssen natürlich nicht, können aber Folgen häuslicher Gewalt sein. Laut Statistik ist davon in Österreich jede fünfte Frau betroffen. In rund 70 Prozent der Fälle werden nicht nur die Frauen selbst, sondern auch ihre Kinder misshandelt.

Spitäler sind meist die erste Anlaufstelle, wo Gewalt- und Missbrauchsfälle entdeckt werden könnten. Doch oft trauen sich die Opfer nicht, dort über ihre Misshandlungen zu reden. Und auch das Personal scheut sich manchmal, die Patientinnen auf den Verdacht anzusprechen. "Aus Angst, die Privatsphäre zu verletzen", schildert Sabine Eder, stv. Leiterin der Opferschutz-Gruppe im AKH Wien. "Dabei gibt es nichts Schlimmeres, als in einer solchen Situation zu schweigen."

Dieses Tabu soll jetzt gebrochen werden. Im Rahmen des von der EU mitfinanzierten Projekts "Gewaltfrei leben" haben Experten einen Leitfaden zur Versorgung betroffener Patientinnen für Management und Personal in Krankenhäusern erstellt. Am Donnerstag wurde er von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) präsentiert.

Leitfaden

Der Leitfaden soll künftig in möglichst vielen Spitälern zum Einsatz kommen. Zu ihm gehört unter anderem eine Checkliste, die es den Mitarbeiten erleichtern soll, verdächtige Symptome zu erkennen und die Patientinnen so anzusprechen, dass sie ein Vertrauensverhältnis aufbauen können. Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Gewaltopfer rasch die nötige Unterstützung bekommen und vor ihren Peinigern in Sicherheit gebracht werden können.

Im Wiener AKH gibt es bereits seit einigen Jahren an mehreren Abteilungen (darunter Gynäkologie und Kinderheilkunde) Opferschutz-Gruppen, deren Mitglieder speziell auf solche Situationen geschult sind. Die Erfahrungen seien durchaus positiv, erzählt Eder: "Es gibt nur sehr wenige Gewaltopfer, die sich einem Gespräch mit dem Personal verschließen." Seit es die Teams gebe, würden immer mehr Gewaltopfer während ihres Spitalsaufenthalts als solche identifiziert.

220 Fälle

Flächendeckende Daten über die Häufigkeit gibt es zwar noch keine, aber allein im Vorjahr wurden laut Eder in der Ambulanz der Unfallchirurgie rund 220 Fälle bekannt. Zehn Prozent davon waren übrigens männliche Gewaltopfer. Vereinzelt sind die Verletzungen so schwer, dass das Krankenhaus von sich aus Anzeige erstatten muss.

Künftig stärker in den Fokus rückt der richtige Umgang mit den gewalttätigen Partnern, die ihre Opfer oft ins Spital begleiten. Mit dem Ziel, zu verhindern, dass die Frau dem Personal von den Übergriffen erzählt. "Das merkt man oft daran, dass der Mann dauernd für die Frau antwortet", sagt Eder.

Manchmal kommt es sogar vor, dass auch das Personal tätlich bedroht wird. Spezielle Deeskalationstrainings sollen dafür sorgen, derartige Situationen zu entschärfen.