Drei (Ex-)Bürgermeister werden angeklagt
Von Thomas Orovits
Mehr als drei Jahre wurde ermittelt, jetzt ist die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSt) in Wien zu einem Ergebnis gekommen: Drei – ehemalige oder noch amtierende – ÖVP-Bürgermeister aus dem Südburgenland werden wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs (§ 302 StGB) angeklagt, bestätigte WKSt-Sprecher Erich Mayer am Montag auf KURIER-Anfrage.
Es geht um Scheinanmeldungen ungarischer Schüler am früheren Hauptschul-Standort Josefinum in Eberau. Franz Wachter (Deutsch-Schützen) ist noch aktiv, Walter Strobl (Eberau) und Peter Schlaffer (Moschendorf) haben bei der Kommunalwahl im vergangenen Herbst nicht mehr kandidiert. Der Strafrahmen beträgt sechs Monate bis fünf Jahre. Bei rechtskräftiger Verurteilung zu mehr als einem Jahr Haft droht aktiven Politikern der Amtsverlust.
Vor Gericht müssen auch insgesamt drei Gemeindebedienstete aus allen Gemeinden und der frühere ÖVP-Vizebürgermeister von Eberau, Helmut Temmel.
54 Kinder
Im einzelnen geht es um folgende Fälle: In Deutsch-Schützen sollen zwei Kinder an der Adresse von Ortschef Wachter angemeldet gewesen sein.
In Moschendorf handelt es sich um sechs Kinder mit „Wohnsitz“ am Gemeindeamt, ein Kind soll an einer Privatadresse und ein weiteres bei (Ex-)Bürgermeister Schlaffer gemeldet gewesen sein. Zwei der Kinder haben den Kindergarten besucht.
In Eberau geht es in Summe um 44 Kinder, die an verschiedenen Adressen gemeldet waren, vom Gemeindeamt über den Kindergarten bis zu Pfarramt, Kommunikationszentrum und Feuerwehrhaus. Dass auch ein Kind an der Wohnadresse des Vizebürgermeisters gemeldet war, wurde dem (Ex-)Politiker zum Verhängnis. Die Verhandlungen werden allesamt am Landesgericht Eisenstadt stattfinden, Termine stehen noch aus.
Ermittelt wird auch gegen den Bildeiner Ortschef Walter Temmel. Weil der ÖVP-Politiker auch Bundesrat ist, muss es in seinem Fall einen Vorhabensbericht an die Oberstaatsanwaltschaft geben, an dem arbeitet die WKSt noch. Dass die Ermittlungen so lange gedauert haben, begründet WKSt-Sprecher Mayer damit, dass es immer wieder neue Anzeigen gegeben habe.
Keine Überraschung
Wirklich überrascht ist Eberaus langjähriger Bürgermeister Walter Strobl nicht, nachdem in den letzten Monaten etliche Bürgermeister angeklagt wurden – zuletzt der Stremer Bernhard Deutsch von der ÖVP (sein Fall gehört ursächlich zu den jetzt publik gewordenen) und der frühere rote Langzeitbürgermeister Matthias Gelbmann aus Andau. Strobl beklagt, dass „Scheinanmeldungen“ im Zuge von sprengel-fremdem Schulbesuch schon in den 1970er-Jahren gängige Praxis waren und lange als Kavaliersdelikt galten, jetzt „werden wir wie Schwerverbrecher behandelt“.
Dabei wäre im Fall der Privatschule Josefinum eine Anmeldung der ungarischen Schüler nicht einmal erforderlich gewesen. „Vielleicht war es blinder Gehorsam oder Dummheit“, sucht Strobl nach einer Erklärung. Unausgesprochen bleibt, dass mitunter Schuldirektoren bei Bürgermeistern vorstellig wurden, weil sie die Schülerzahl erhöhen wollten.
Scheinanmeldungen sind ein juristischer Dauerbrenner. Seit Jahren laufen Ermittlungen gegen (Ex)-Bürgermeister, deutlich mehr als ein Dutzend standen oder stehen im Visier der Justiz, die meisten Verfahren sind bei der Staatsanwaltschaft Eisenstadt anhängig. Einige Verfahren wurden eingestellt, andere endeten vor Gericht – gegen den Bürgermeister von Pama und den Ex-Ortschef von Lockenhaus gibt es rechtskräftige Geldstrafen, der Güssinger Bezirkshauptmann hat gegen eine teilbedingte Geldstrafe berufen (sein Fall hängt mit den Scheinanmeldungen in Eberau zusammen). Das bisher prominenteste Opfer musste von der landespolitischen Bühne abtreten: Ex-VP-Landesrat Werner Falb-Meixner nahm 2011 nach bedingter Verurteilung zu sieben Monaten den Hut.