In Frauenkirchen wurde eine neue Zeitkapsel versteckt
Von Paul Haider
So nahe kommt man dem Himmel an keinem anderen Ort im Flachland rund um den Neusiedler See: Rund 15 Kilometer nördlich von Österreichs tiefstem Punkt (114 Meter Seehöhe in Apetlon, Anm.) ragen die zwei Kirchtürme der Basilika Frauenkirchen 53 Meter in die Höhe.
An ihrer Spitze wird ein Zeitzeuge des Jahres 2022 das nächste Jahrhundert verbringen. Auf Initiative von Pater Thomas Lackner wurden zwei Zeitkapseln in die beiden Gloriolen gelegt – das sind die gülden glänzenden Aufsätze ganz oben am Kirchturm.
„Mit der Aktion Zeitkapsel 2022 bis 2122 bieten wir die Möglichkeit an, dass man sich für die über-übernächste Generation verewigt. Der Mensch sucht nach etwas, das dieses Leben auf Erden überdauert. So Gott will, wird der Kirchturm in 100 Jahren noch stehen und das Dokument wird in der Kapsel drin sein. Damit kann jeder ein Stück Kirchturmgeschichte schreiben“, erzählt Pater Thomas im Gespräch mit dem KURIER.
Die Idee ist freilich nicht neu. Zeitkapseln haben in katholischen Kirchen Tradition. Auch in Frauenkirchen wurde eine gefunden – im Zuge der Renovierung eben jener Gloriolen, die im Juli vom Kirchturm abgenommen wurden. Bei einem Rundflug mit seiner Kamera-Drohne hatte der technik-affine Pfarrer Haarrisse entdeckt, woraufhin er die Restaurierung in die Wege geleitet hat.
Als der Ei-förmige Mittelteil des Kirchturmschmucks geöffnet wurde, fiel den staunenden Franziskaner-Brüdern die Zeitkapsel in die Hände. Sie ist älter als das Burgenland und datiert auf anno 1905. 117 Jahre später wurde das Fundstück geöffnet. Darin befanden sich beschriftete Wachs-Stücke, eine kleine Heiligenfigur, verschiedene Bilder und Briefe.
Nachrichten aus 1905
Eines der Schriftstücke in ungarischer Sprache wurde von Nikolaus Esterhazy (1869–1920) signiert. Ein anderer, in Latein verfasster Brief, berichtet von Renovierungsarbeiten am Kirchturm.
Ein Auszug aus der Übersetzung: „Dieser Turm, einer von beiden, deren hölzerne Teile vor zwei Jahrhunderten errichtet, durch Blitzschlag beschädigt worden sind, wurde im Jahr des Herrn 1905 erneuert und renoviert. Die heiligen Reliquien, ehrfurchtsvoll eingeschlossen, wurden unverletzt vorgefunden“.
Die Zeitkapsel und ihr Inhalt sollen nächstes Jahr bei einer Ausstellung im Kloster der Franziskaner-Brüder gezeigt werden, kündigt Pfarrer Lackner an.
Und welche Botschaften hinterlassen die Teilnehmer der Aktion „Zeitkapsel 2022–2122“ der Nachwelt? Pater Thomas gibt einen Einblick: „Es waren sehr berührende Zeugnisse dabei. In vielen wurde beschrieben, dass wir in einer schwierigen Zeit leben, mit Corona und den wirtschaftlichen Herausforderungen. Oft wurden die Familien beschrieben und die Bitte an Gott gerichtet, dass auch die nächsten Generationen immer wieder den Blick nach oben richten können“.
Seit dem 14. Jahrhundert ist Frauenkirchen Wallfahrtsort. Die Kirche wurde in beiden Türkenkriegen zerstört. Die heutige Basilika ist die größte Kirche im Burgenland und wurde von 1695 bis 1702 nach Plänen des Architekten Francesco Martinelli errichtet
Kloster
seit mehr als 300 Jahren wird die Basilika von einem Franziskaner-Konvent betreut. 1999 zogen auch fünf Josefsschwestern im Kloster ein.
100 Euro hat ein Platz in der Zeitkapsel gekostet – ein Euro pro anvisiertem Aufbewahrungsjahr im Kirchturm. Mehr als 50 Personen wollten sich einen reservieren. Die Einnahmen kommen der Erhaltung der Basilika zugute. Am Ende waren es so viele Teilnehmer, dass gar nicht alles in nur eine Zeitkapsel passte. So wurden die zukünftig historischen Dokumente auf zwei Kapseln aufgeteilt.
Auch Pater Thomas selbst hat etwas hineingelegt: Einen Kirchenführer und eine Broschüre über das Zeitkapsel-Projekt. Und noch etwas: „Eine Eineuromünze, damit die Leute in 100 Jahren, wenn sich Bitcoin durchgesetzt hat, erfahren, womit wir gezahlt haben“, scherzt der Geistliche mit dem Faible für Hightech.
Neuer Glanz
Noch einmal zurück zum Kirchturm-Schmuck: Den Frauenkirchner Gloriolen wurde im Südburgenland neuer Glanz verliehen. Die Spenglerei Janisch aus Stegersbach hat die Kirchturmaufsätze restauriert und mit mehreren Schichten vergoldet. „Jetzt strahlen sie wieder in den Seewinkel und in den Heideboden hinein und ich glaube, der Anblick wird allen eine Freude bereiten“, sagt Pater Thomas mit einem breiten Lächeln.
Der Glanz soll wieder rund 100 Jahre währen – so lange wird auch die neue Zeitkapsel in lichten Höhen schlummern.