Bürgerinitiative fordert Tempo 80 auf S4 statt Ausbau "zur Autobahn"
Von Thomas Orovits
„Haben wir keinen Zugang zu Gewessler?“, fragt Waltraud Bauch halb flehend, halb fordernd in die Runde der Aktivisten, die sich in einem Eisenstädter Lokal versammelt haben. Dass die Grünen seit wenigen Wochen erstmals in der Bundesregierung sitzen und mit Leonore Gewessler die Ministerin für Klimaschutz und Mobilität stellen, sollte im Kampf gegen den Ausbau hochrangiger Straßen doch helfen, meint die aus Bad Sauerbrunn stammende und in Eisenstadt wohnende Pensionistin.
Bauch gehört zu einer wachsenden Gruppe von Personen, die in Gemeinden entlang der Hauptverkehrsadern in den Bezirken Eisenstadt Umgebung und Mattersburg leben und sich gegen einen weiteren Ausbau dieser hochrangigen Straßen wehren. „Wir können nicht immer nur reden“, so Bauch, „wir müssen etwas tun“.
Seit 2003 tun die zur BIG A3 zusammengeschlossenen Bürgerinitiativen aus mittlerweile sieben Gemeinden etwas gegen den Weiterbau der Südostautobahn A3 vom Knoten Eisenstadt bis zur Staatsgrenze. Bisher mit Erfolg, denn seit 2004 laufen zwar – mit Unterbrechungen – die Asfinag-Planungen für das 10 Kilometer lange Stück bis zur ungarischen Grenze (frühester Baubeginn: 2027; Kosten zuletzt: rund 250 Millionen Euro), aber gebaut wurde bisher nicht.
Mehrere „Baustellen“
Seit aber absehbar ist, dass Ungarn mit seiner Autobahn M85 wohl 2023 die Grenze erreicht, ist die BIG A3 wieder im Aktivmodus. Beteuerungen der Landespolitik, dass gegen den Willen auch nur einer Kommune nicht gebaut werde, stoßen auf Skepsis. „Wir würden das sehr gerne glauben“, sagte Edith Ivancsits aus Zagersdorf, aber noch lieber hätte man „mehr Rechtssicherheit“ – sprich: die Streichung des Vorhabens aus dem Bundesstraßengesetz.
Ivancsits und Franz Bauer aus Großhöflein, ein profunder Kritiker der Lärmbelastung durch die A3, hatten sich beim letzten Zusammentreffen am Freitag Verstärkung geholt.
Denn in Bad Sauerbrunn hat sich rund um Gerhard Klawatsch und Johannes Stockinger eine Bürgerinitiative gegen den geplanten „Sicherheitsausbau“ der Mattersburger Schnellstraße S4 gebildet. Die 14,3 Kilometer lange Strecke soll um 143 Millionen Euro ausgebaut werden und eine bauliche Mitteltrennung sowie durchgehende Pannenstreifen erhalten. Baubeginn soll 2021, Verkehrsfreigabe 2024 sein. Die Befürchtung der vereinigten Gegner des Straßenausbaus: Der Sicherheitsausbau sei nur Vorwand für einen Ausbau zur Autobahn mit Tempo 130. Und in Verbindung mit einem Weiterbau der A3 bis zur ungarischen Grenze würde damit ein „hochrangiger Lückenschluss zwischen Sopron und Wiener Neustadt“ entstehen. Für Bauer wäre das de facto ein „dritter Außenring um Wien“, Leidtragende wären die Gemeinden entlang von A3 und S4. „Außer Emissionen hat das Burgenland nichts davon“, warnt Bauer. Und auch wirtschaftlich „nützt der A3-Ausbau Ungarn mehr“ als Österreich. Ungarische Dienstleister würden viel schneller in Wien sein und umgekehrt wären Sopron oder das geplante touristische Megaprojekt in Fertörakos für Österreicher schneller zu erreichen als Mörbisch oder St. Margarethen.
Öffis statt Autos
Statt des Weiterbaus der A3 sollte der öffentliche Verkehr ausgebaut werden, so Bauer und Ivancsits. In den aus Ungarn kommenden Autos säße jeweils nur eine Person, weiß Bauer aus eigener Beobachtung, „die würden locker in einen Pendlerzug passen“. Und die Bad Sauerbrunner Aktivisten Klawatsch und Stockinger haben zwar nichts gegen mehr Sicherheit auf der S4, aber viel gegen eine Autobahn vor der Tür. Mit Tempo 80 statt der derzeit erlaubten 100 wäre der Sicherheit viel mehr gedient und nebenbei würde auch die Lärmbelastung deutlich reduziert, meinen beide.
Ob die Bürgerinitiativen bei ihrem Nein zum weiteren Ausbau auf Gewessler setzen können, wollte der KURIER erfahren. Eine entsprechende Anfrage im grünen Ministerbüro blieb am Montagnachmittag unbeantwortet.