61-Jähriger schoss in Kinderzimmer
Von Tamara Gmaschich
Nach den Schüssen auf ein Mehrparteienhaus in der Nacht auf Dienstag jagte in Mattersburg ein Gerücht das andere. Waren Türkenhasser oder Ausländerfeinde am Werk? Der schnelle Ermittlungserfolg schaffte am späten Nachmittag Klarheit. Ein 61-jähriger Burgenländer konnte als Schütze ausgeforscht werden. Der Mann gestand, mit einem Gewehr vom gegenüberliegenden Gelände auf zwei Wohnungen im zweiten Stock gefeuert zu haben.
Ein Projektil durchschlug die Jalousien, das andere drang durch den Rollokasten in die benachbarte Wohnung ein und blieb in der Mauer stecken. In beiden Zimmern schliefen Kinder türkischstämmiger Familien, die zwei Buben blieben unverletzt und bekamen von dem Vorfall nichts mit.
Lärm als Motiv
Was das Motiv betrifft, „steckt kein Türkenhass oder Ausländerhetze dahinter“, kann Oberstleutnant Norbert Janitsch vom Landeskriminalamt erste Mutmaßungen entkräften. Der Schütze gab an, er und seine schwer kranke Frau hätten die Lärmbelästigung der beiden Familien nicht mehr ausgehalten.
Die beiden betroffenen Familien hatten Dienstagvormittag „keinen konkreten Verdacht“. Aber: „Wir sind uns sicher: das war gezielt,“ mutmaßte Ebru C. im KURIER-Gespräch. Streit habe es jedenfalls mit niemandem gegeben.
Die 22-Jährige war Montagnacht, kurz nach 23 Uhr, ins Zimmer zu ihrem schlafenden Sohn Yakup gekommen. „Wie ich das Licht aufgedreht hab‘ – plötzlich
Von diesem ersten Schuss in der Nachbarwohnung aufgeschreckt, rannte Aydin A. hinaus ins Stiegenhaus. Nur wenige Minuten später sollte es in seiner Wohnung, im Zimmer seiner beiden Söhne, 9 und 19 Jahre, knallen. Dort durchschlug das Projektil die Jalousien, die Fensterscheibe und eine Tür und prallte an der Wand ab. „Sekunden vorher war meine Frau noch im Kinderzimmer, unser großer Sohn war gerade duschen“, erzählt der 43-Jährige. „Mein kleiner Sohn Enes hat geschlafen. Der Neunjährige ganz unbeeindruckt: „Ich hab’ nix gemerkt“. Seinen Eltern hingegen stand Dienstagvormittag die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. „Es war großes Glück, dass nicht mehr passiert ist“.
Von einem „heißen Pflaster“ in der Mattersburger Siedlung könne keine Rede sein. „Die Wohnhausanlage in der Wienerstraße ist eine der größten Siedlungen in Mattersburg“, sagt Bürgermeisterin Ingrid Salamon. Das Schussattentat sei schrecklich und „sehr bedauerlich“.
Trotzdem will die Bürgermeisterin von sozialen Spannungen in der Wohnhausanlage der Oberwarter Siedlungsgenossenschaft (OSG) am Rande des Bezirksvorortes nichts wissen. Um sicher zu gehen, wurden 2009 Streetworker eingesetzt, die die Situation näher beleuchten sollten. Dieses Projekt wurde eingestellt. „Es war nicht mehr notwendig“, sagt Salamons Pressesprecher Martin Hollweck, „weil es ganz einfach keine Probleme gab.“
Probleme
Es würden mehr als 400 Leute auf einem Fleck leben. „Aber Probleme zwischen neuen und alten Burgenländern gibt es nicht“, meint Salamon. Auch die Polizei sei hier nicht vermehrt im Einsatz, im Vergleich zu anderen Stadtteilen.
„Es ist eher ruhig in der Siedlung“, erklärt ein Beamter vom Polizeiposten Mattersburg. Wenn Einsätze sind, dann wegen Lärmbelästigung oder anderen Kleinigkeiten. Probleme mit Kriminalität gebe es keine in der Wienerstraße. R. Pittner