Lady Gaga: Visuelle Prasserei statt Gänsehaut
Frage: Kann ein Publikum objektiv sein, das den Mann, der vor Showstart den Boden wischt, so aufregend findet, dass es in Boyband-Phonstärke kreischt? Antwort (und fürs Erraten gibt es keinen Preis): Nein!
Aber objektiv sein war das Letzte, was 15.000 Lady-Gaga-Fans in der Wiener Stadthalle wollten. Und das ist ihr gutes Recht: Schließlich haben sie genug gezahlt, um sich ganz im Gaga-Kosmos zu verlieren. Und subjektiv gesehen, ist das Spektakel schon sehenswert: Da ist die Burg-Kulisse, ein Motorrad, ein Pferd (kein lebendes, aber im Dunkeln leicht dafür zu halten), eine Geburt aus einem aufblasbaren Unterleib und ein simulierter Mord. Das – gepaart mit 14 Kostümwechseln, dem Disco-Gestampfe und den infektiösen Melodien der Gaga-Hits – ist genug, um das Adrenalin im Takt mitpumpen zu lassen.
Parodie
Aus der Distanz betrachtet, ist es ein anderes Bild: Da wirkt ein mit zwei Gewehren bestückter BH wie ein lächerlicher Versuch, Madonnas metallenen Kegel-Brustschmuck zu übertrumpfen. Da wirkt Gagas trashige Perücke aus dottergelben und rosa Strähnen, wie eine Parodie, weil sie ständig dran rumzupft und sich damit sichtlich unwohl fühlt. Und das Konzept der fünf Akte ist auch nicht ersichtlich: Etwas mit Aliens, Gefangenen und Ausbrechen muss es sein. Aber gut, vielleicht bleibt diese Erkenntnis ja den Eingeweihten, Subjektiven vorbehalten.
Trotzdem: All das hat keinen Stil. Und dann sind da noch die Botschaften von Selbstverwirklichung, Kreativität und "jeder kann alles schaffen", die die 26-Jährige so gern vom Stapel lässt. Sie treiben seltsame Blüten: Eine hat sich Cola-Dosen ins Haar gewickelt (lustig, in Gagas Sinn), viele haben Haar-Reifen mit blinkenden Plastik-Maschen gekauft, die nur die Profitgier bedienen (traurig, aber auch in ihrem Sinn).
Und wo bleibt bei all dem Theater die Musik? Die ist wie bei vielen solcher Shows nur schmückendes Beiwerk. Eines, um das es den subjektiv Angeturnten gar nicht zu gehen scheint.
Gänsehaut
Denn es gibt zwei Gänsehautmomente: Alleine am Klavier singt Lady Gaga zur Halbzeit den neuen Song "Princess Die" und später "The Edge Of Glory". Da wird deutlich, was sie eigentlich kann. Aber auch, dass ihr Publikum in all der optischen Reizüberflutung gar nicht mehr zuhören mag. Da wird dazwischen gegrölt oder der Showeffekt von gerade eben bequatscht. Und als einer der Musiker – bis dato in der Burg versteckt – nach vorne kommt und ein Solo auf der spanischen Akustik-Gitarre liefert, gibt es sogar Pfiffe.
Am Ende war’s ein pompöses Spektakel. Ein völlig belangloses. Beim Heimgehen war der Gaga-Zirkus schon am Gürtel wieder vergessen. Denn die zwei Momente, die erheben konnten, erstickten in der visuellen Prasserei.
KURIER-Wertung: *** von *****
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