APA-OTS/Chronik

Lebenswelt Heim Bundesverband: Personal muss höchste Priorität bei Pflegereform haben

Der Lebenswelt Heim Bundesverband fordert eine rasche Erarbeitung und Umsetzung der Pflegereform unter Einbindung von Pflegeorganisationen, PflegeexpertInnen und Interessensvertretungen. Erfahrungen aus der Covid-19 Pandemie müssen in die Pflegereform einfließen. Der Schlüssel zum Erfolg ist das Personal. Grundsätzlich positives Echo findet der Bericht des Sozialministeriums zur Taskforce Pflege.

COVID-19 lenkt seit einem Jahr den Fokus verstärkt auf Österreichs Alten- und Pflegeheime und deckt vom Lebenswelt Heim-Bundesverband schon lange thematisierte Systemschwächen schonungslos auf. „Es ist gut, dass diese Schwächen nun auch im öffentlichen Diskurs angelangt sind, nur so können wir daraus lernen und zukunftsfähige Strukturen bauen“, meint Markus Mattersberger, Präsident des Lebenswelt Heim Bundesverbandes.

Pflegeeinrichtungen seien keine hermetisch abgeriegelten Einheiten, sondern im Sinne einer hohen Lebensqualität für die Bewohnerinnen und Bewohner bewusst offene Organisationen. Das Infektionsgeschehen ist daher auch eng an jenes in den Gemeinden gebunden – was eine enorme Herausforderung darstellt, mit zeitweise hohen Infektionszahlen bei BewohnerInnen und MitarbeiterInnen.

Als zentrale Herausforderung nennt Mattersberger die Personalgewinnung im Pflegebereich. Einer Studie der Gesundheit Österreich GmbH zufolge, bedarf es bis zum Jahr 2030 rund 100.000 PflegemitarbeiterInnen (= rund 75.500 VZÖ, Vollzeitäquivalent), um den bevorstehenden Pflegebedarf decken zu können. Mattersberger weiß auch die außergewöhnliche Leistung des Pflegepersonals im letzten Jahr sehr zu würdigen: „Durch hohe Professionalität, Praxiskompetenz aber auch Einfühlungsvermögen konnte die Lebensqualität für die BewohnerInnen weitgehend aufrechterhalten werden. Gleichzeitig waren laufend politische Vorgaben umzusetzen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können auf ihre wirklich außergewöhnliche Leistung in diesem Pandemie-Jahr stolz sein! Mehr denn je haben sie Verantwortung übernommen. Teams entwickelten sich unter schwierigsten Bedingungen sehr positiv. Jetzt braucht es von der Politik mehr als nur Worte – eine Pflegereform, die nicht zuletzt auch dieser Leistung der Menschen in der Pflege gerecht wird“.

Personal als Schlüssel zum Erfolg

„Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren und sind in dieser Pandemie nicht nur physisch, sondern auch psychisch aufs Äußerste gefordert. Die bisher gelebte Beziehungskultur musste vielfach auf eine reine Versorgungskultur reduziert werden – ein Umstand, der nur zeitlich befristet möglich ist!“, weiß Michaela Schrumpf: Obfrau des Landesverbandes SHS – Seniorenheime Salzburg und Regionaldirektorin der Senecura für Obersteiermark und Salzburg.

Der Pflege- und Betreuungsauftrag, den Pflegeeinrichtungen zu erfüllen haben, hat sich während der Pandemie deutlich verändert. Hohe Lebens-, Pflege- und Betreuungsqualität, sowie ein Abschiednehmen in Würde, müssen jedoch auch in Zeiten einer Pandemie geleistet werden können! Anspruch in den Pflegeeinrichtungen sei es, diese Begleitung auch hinkünftig wieder im höheren Maße erbringen zu können. “Dafür braucht es mehr als nur den außerordentlichen Einsatz aller Mitarbeitenden, es braucht deutlich zukunftsfähigere Rahmenbedingungen - auch personell müssen bereits jetzt qualitativ und quantitativ intelligente Lösungen entwickelt werden.“

Der Bundesverband vermisst konkrete Entscheidungen und Taten, die ein Verständnis und Bewusstsein der politisch Verantwortlichen für die Herausforderungen und den außerordentlichen Einsatz der Mitarbeitenden über so viele Monate hinweg erkennen lassen. „Es braucht jetzt wieder Perspektiven für andere Arbeitsbedingungen, die den Beruf sonst so attraktiv und lebenswert machen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren immer und ganz besonders in den letzten Monaten unsere wichtigste Ressource. Wir wollen auch in Zukunft gute, sichere und sinnstiftende Arbeitsplätze anbieten können. Dazu müssen sich alle Beteiligten – vor allem die politischen Entscheidungsträger – auch verpflichten, ihren Worten Taten folgen zu lassen“, so Schrumpf.

Umsetzung der Pflegereform

Der Bundesverband Lebenswelt Heim begrüßt den Bericht zur Taskforce Pflege, der zahlreiche Ideen beinhaltet, um die aktuelle Situation in der Pflege- und Betreuung älterer Menschen zu verbessern. Einfließen müssen auch die vielfältigen Erfahrungen, die die COVID-19-Pandemie gebracht hat. „In die Pflegereform sind nun in erster Linie PflegeexpertInnen, Pflegeorganisationen und Interessensvertretungen einzubinden. Eine „Pflegereform“, in welche die Pflegeexpertise nur pro forma einfließt, lehnen wir ab, da sie weder nachhaltig noch zielgerichtet sein kann“, so Jakob Kabas Obmann des Landesverbandes Altenpflege Steiermark, Obmann des Vereins zur Förderung der Qualität in der Betreuung älterer Menschen sowie GF des Sozialhilfeverbandes Liezen. Entscheidend sei auch, in Zusammenarbeit mit den Ländern mutig und zukunftsweisend Meilensteine zu setzen – „Wir benötigen eine Reform, die diesen Namen auch verdient“, zeigen sich die Vertreter des Bundesverbandes einig.

Einer der wesentlichen Punkte müsse die Personalfrage sein – sowohl in quantitativer wie auch qualitativer Hinsicht. Einerseits sei der Personalausbildung eine entsprechende Aufmerksamkeit zu widmen, andererseits einem guten Berufsgruppenmix. „Pflegeeinrichtungen sind Orte des Wohnens und des Lebens. Das erfordert zwingend einen ganzheitlichen Blick der Gesellschaft und der Politik auf diese Orte und die dort arbeitenden und lebenden Menschen“, erläutert Kabas. Um dies verstärkt tun und einen personzentrierten Betreuungsansatz verfolgen zu können, brauche es verschiedenste Berufsgruppen, die den Kernprozess der Pflege unterstützen, wie zB TherapeutInnen, psychologische Dienste, SozialarbeiterInnen, MedizinerInnen, aber auch unterstützende Dienste. Daher werde generell die Thematik multiprofessioneller Teams offen zu diskutieren sein. Im Vordergrund aller Pflege- und Betreuungsmaßnahmen müsse stets die Lebensqualität für die Bewohnerinnen und Bewohner stehen.

Wichtig sei auch die Frage, wo ältere und pflegebedürftige Menschen leben und alt werden wie auch gepflegt und betreut werden wollen. Denn daran knüpft sich unmittelbar die Frage, welche Aufgaben die einzelnen Systempartnerinnen und -partner in der Pflege- und Betreuungslandschaft zu leisten haben.

Über Jahrzehnte hinweg wurde in der Sozialgesetzgebung der Länder erforderliche Pflege strukturell auf das Angebot Mobiler Dienste wie stationärer Einrichtungen reduziert und flächendeckend ausgebaut. Alternative Versorgungsformen, insbesondere zur Entlastung pflegender Angehöriger hinken den aktuellen Anforderungen von Betroffenen in Angebotsbreite wie -tiefe immer noch nach. „Stationäre Pflegeeinrichtungen werden stets integraler Bestandteil einer zeitgemäßen, bedürfnis- wie lebensraumorientierten Versorgungskette bleiben. Diese trägt jedoch nur dann, wenn die einzelnen Glieder klar definierte Aufgaben haben und so miteinander verbunden sind, dass pflege- und betreuungsbedürftige Menschen die Dienstleistungen als Halt und nicht als Fessel wahrnehmen“, verdeutlicht Kabas.

Die von Pflegeeinrichtungen geforderten Leistungen können nur dann gut umgesetzt werden, wenn die Strukturen verbessert und ausreichend multiprofessionelles Personal zur Verfügung steht. „Die Politik ist gefordert, umgehend adäquate und weitreichende Schritte zu setzen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dazu sind Maßnahmen und Denkansätze erforderlich, die über Legislaturperioden und Strukturgrenzen hinausgehen“, so Kabas abschließend.

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