Energie 2030: Strom erzeugen wir uns selbst

Energie 2030: Strom erzeugen wir uns selbst
Sonne, Wind und Wasser werden die Hauptquellen für Strom, der dezentral produziert wird.

Kurzer Rückblick ins Jahr 2000: Welcher Boss der damals mächtigen und siegessicheren Stromkonzerne hätte gedacht, dass er in 15 Jahren sein Unternehmen wird sanieren müssen? Ob die deutschen Energieriesen E.ON und RWE oder der heimische Verbund und so mancher Landesversorger – alle haben schwer mit den unerwarteten Änderungen in der Stromwelt zu kämpfen. Zu lange haben sie die Betreiber von Ökostromanlagen milde belächelt und deren Aufstieg übersehen.

Jetzt sind die Sonnen-, Wind- und Biomassekraftwerke die Kaiser am mitteleuropäischen Strommarkt. Sie verdienen dank Förderung gutes Geld, produzieren so viel Strom, dass die Preise abgestürzt und die alten Großkraftwerke der Platzhirschen zu Lückenbüßern verkommen sind. Ihr Strom wird nur dann gebraucht, wenn keine Sonne scheint oder kein Wind bläst.

Sonnige Zukunft

Für die alteingesessenen Großversorger ist der "Leidensweg" aber lange noch nicht zu Ende. Zur Konkurrenz durch den Ökostrom kommt in den nächsten Jahren eine Unzahl neuer Anbieter. Nicht nur Internetfirmen wie Google oder Telekom-Unternehmen drängen in den Strommarkt, sondern auch die Bürger selbst. Strom erzeugen kann in Zukunft jeder Haushalt, einfach mit Solarpaneelen am Dach und einer Speicherbatterie im Keller. Kohle und wohl auch Gas wird 2030 in der heimischen Stromerzeugung keine Rolle mehr spielen.

Da bleibt wenig Geschäft für die Stromkonzerne. Ihre Aufgabe wird es nicht nur sein, die Erzeugungslücken zu schließen, sondern auch die Netzflüsse der vielen Kleinerzeuger zu steuern. Zum Teil aber werden diese Steuerung Industriebetriebe selbst übernehmen. "Das Energiemanagement verlagert sich zum Verbraucher", ist Ralf Christian, Chef von Siemens Energy Management, überzeugt. Neue Technologien und Speicher würden dafür sorgen, dass dies auch funktioniere.

Knackpunkt Batterie

Damit der Strommarkt tatsächlich so dezentral funktioniert, sind Speicher notwendig. Noch gibt es keine hoch funktionsfähigen Batterien, die diese Aufgabe übernehmen könnten. "Alle Batterien werden beim Laden und Entladen sehr heiß. Das ist ein Risiko für Haushalte", sagt Stefan Zach, Sprecher der EVN. Er ist skeptisch, dass es in 15 Jahren schon gelinge, brauchbare Speicherbatterien zu entwickeln.

Smarte Verbraucher

Knackpunkt Nummer zwei für den hoch dezentralisierten Strommarkt der Zukunft ist der Konsument. Wer selbst Strom erzeugt, muss sich einklinken ins digitale Netz. Er braucht nicht nur einen digitalen Stromzähler, der seinen Verbrauch stetig abliest und die Daten an die Netzbetreiber weiterleitet. Er sollte auch all seine Elektrogeräte und E-Fahrzeuge digital verbinden.

Der auf diese Weise völlig gläserne Stromkunde hat es dann aber auch höchst bequem. Er kann nicht nur seinen jeweiligen Stromverbrauch am App am Handy jederzeit einsehen. Vielmehr steuert sein "smartes Home" den Verbrauch höchst energiesparend. So geht das Licht automatisch aus, wenn er den Raum verlässt. Wenn er auf Urlaub ist, öffnen und schließen sich die Jalousien je nach Sonneneinstrahlung. Und er muss nicht seine Nachbarn bitten, die Stromheizung oder -kühlung einzuschalten, bevor er aus dem Urlaub zurückkommt. Sein E-Auto oder -Fahrrad lädt sich in der Garage immer dann auf, wenn Strom gerade im Überschuss und damit billig vorhanden ist. Dass E-Autos in 15 Jahren weit verbreitet sein werden, gilt unter Experten derzeit als gesichert. Und auch zum Heizen – Stichwort: Wärmepumpe – wird Strom vermehrt eingesetzt. Der Anteil der elektrischen Energie am Gesamtverbrauch wird deutlich steigen, betont man daher bei der Energy Agency.

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Wie stehen die Verbraucher zu den neuen Trends am Strommarkt? Das Beratungsunternehmen Deloitte hat sie befragt und fünf Typen herausgefunden.

Kommunaler Typ Eine knappe Mehrheit von 32 Prozent der Befragten bezeichnet sich als bezeichnet sich als gemeinschaftsorientiert. Dieser Typ geht gerne Einkaufsgemeinschaften und Bürgerbeteiligungen ein.

Sonniger Typ 31 Prozent sehen in der Sonnenenergie die Zukunft. Das sind vor allem Frauen zwischen 16 und 24 Jahren. Sie sind umweltbewusst, aber nicht IT-affin.

IT-Typ Ein Viertel der Befragten – vor allem junge Männer – nennt sich umweltbewusst und sehr IT-affin. Sie haben großes Interessen an Eigen-Stromerzeugung.

E-Auto-Typ Fast 19 Prozent zählen sich zu dieser Gruppe. Ihr Altersdurchschnitt ist mit mehr als 60 Jahren der höchste der fünf Typen. Sie haben mit Abstand die höchste Kaufbereitschaft für Elektroautos, sind aber Einkaufsgemeinschaften und Bürgerbeteiligungen gegenüber skeptisch.

Kostenignoranter Typ Zwölf Prozent der Befragten – vor allem Hausfrauen mit niedrigem Bildungsniveau – sind diesem Typ zuzurechnen. Sie kennen die Energiekosten nicht und interessieren sich auch nicht dafür. Sie setzen auf traditionelle Energie und kaufen auch keine Autos mit alternativen Antrieben. Sie sind auch nicht IT-affin. Häufig leben sie mit Familie in einem eigenen Haus.

Österreichs größtem Stromerzeuger, dem Verbund, steht angesichts der Umwälzungen am Strommarkt ein großer Wandel bevor. Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber im Gespräch mit dem KURIER zu ...

... Ausblick 2030 Wir fokussieren auf drei Standbeine: die Erzeugung aus erneuerbaren Energien – vor allem Wasserkraft, ergänzt um Windkraft; die sichere Stromversorgung als verlässlicher Netzbetreiber und auf das Wachstum als Anbieter von kundenorientierten Dienstleistungen.

... Konkurrenz Viele Start-ups mit energienahen Angeboten drängen in den Markt. Das beweist, wie interessant dieser Markt ist. Ich sehe das als lustvolle Herausforderung. Wir punkten mit langer Erfahrung und Expertise.

... Kundenwünsche Der Stromkunde will nicht mehr die nackte Kilowattstunde kaufen, er will Komfort, Sicherheit und intelligentes Energiemanagement. Unsere Privatkunden werden zusehends selbst zum Stromerzeuger und sie rüsten ihr Eigenheim mit PV-Anlage, Wärmepumpe und Batterie-Speicher auf.

... Stromverbrauch Der Bedarf an Strom in Österreich wird bis 2030 von einem Fünftel auf ein Drittel des Gesamtenergieverbrauchs steigen. Das ergibt sich vor allem deswegen, weil fossile Energie in den Bereichen Mobilität und Heizen zunehmend durch Strom ersetzt wird.

... Pumpspeicherkraftwerke Im derzeitigen energiewirtschaftlichen Umfeld rechnet sich der Neubau von Pumpspeicherkraftwerken nicht. Dennoch sehen wir mittelfristig einen wachsenden Bedarf an allen Formen von Speicherung. Dies vor allem deswegen, weil die Stromproduktion aus Wind und Sonnen weiter stark steigen wird, diese aber stark schwankt. Pumpspeicherkraftwerke können Stromüberschüsse zum Auffüllen ihrer Wasserspeicher verwenden und bei Strommangel Energie produzieren. Damit stabilisieren sich auch die Netze.

... Klimawandel Im Rahmen der Klimakonferenz Ende 2015 in Paris konnten sich alle teilnehmenden Staaten auf einen Vertrag einigen, um die -Emissionen drastisch zu senken und dadurch die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 bis 2 Grad zu minimieren. Das bestätigt unseren Dekarbonisierungsweg und die Entwicklung des Verbund zu einem CO2-freien Stromversorger.

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