Jeder Fünfte hat einen Fleck in Mathe

Jeder Fünfte hat einen Fleck in Mathe
Nur die Kompensationsprüfung hat die Schüler vor einer Katastrophe bewahrt.

Jedes vierte Mädchen in der AHS hat auf die Matheklausur ein "Nicht genügend". Insgesamt hat jeder Fünfte einen Fleck auf die schriftliche Klausur. Hätte es nicht die mündliche Kompensationsprüfung gegeben, so wäre die heurige Matura katastrophal ausgefallen. Am Ende waren noch 6,9 Prozent negativ. Zum Vergleich: Vergangenes Jahr waren 10,5 Prozent nach der Klausur negativ und am Ende 4,1 Prozent.

Diese Daten präsentierten am Montag Bildungsministerin Sonja Hammerschmid und Vertreter des Bildungsinstituts Bifie, das die Matura konzipiert und durchführt (siehe Grafik unten). Die Ministerin ist mit dem Ergebnis "im Großen und Ganzen zufrieden. Es ist nicht so schlecht. Fünfer gab es auch schon bei der alten Matura."

Ein Satz, über den der Bildungsforscher Stefan Hopmann nur den Kopf schütteln kann: "Hier wird im Leben junger Menschen herumexperimentiert, die kostbare Zeit verlieren. Ich hätte mir von der Ministerin erwartet, dass sie sich hinstellt und sagt: ,Ich entschuldige mich, dass es nicht gelungen ist, eine angemessene Zentralmatura durchzuführen."

Frauen und Zahlen

Bleibt die Frage, warum die jungen Frauen so viel schlechter abgeschnitten haben. Der Mathematiker Michael Eichmair glaubt nicht, dass diese per se keine Ahnung von Zahlen haben: "Wenn ich eine Liste der zehn am ungewöhnlichsten begabten Studenten machen müsste, die ich Stanford, am MIT, an der ETH und jetzt an der Uni Wien unterrichtet habe, dann wären da ebenso viele Frauen wie Männer darauf. Aber mehr Frauen haben die Akademie verlassen."

Die Rollenbilder seien oft noch veraltet, beobachtet er. "Das hat nicht mit Talent zu tun, sondern mit Selbstbewusstsein. Und bei der ersten Frage der Matura konnte ein Schüler instinktiv die richtige Antwort geben. Aber wenn man lange darüber nachdachte, wurde es immer schwieriger. " Die Ministerin will sich jedenfalls der Frage, wie man Mädchen fördern kann, besonders widmen. "An der Uni ist es dann zu spät."

Warum die Matura heuer doch relativ schlecht ausgefallen ist, darüber rätseln die Experten. Bifie-Direktor Jürgen Horschinegg führt drei Faktoren an, die einen Einfluss haben können: "Die Zusammensetzung der Schüler. Der Test selbst, der von 180 Lehrern entwickelt wurde. Und unterschiedliche Lernstrategien der Schüler."

In 107 Klassen ein Drama

Wie groß der Unterschied ist, zeigt diese Zahl: In 122 AHS-Klassen sind alle Schüler in Mathe positiv, in 107 Klassen hat mindestens die Hälfte einen Fleck. In Oberstufengymnasien, wo die Schülerschaft sehr heterogen ist, sind die Ergebnisse teilweise besonders schlecht. Insgesamt war hier jeder Dritte bei der Mathe-Klausur negativ. Im Ministerium will man jetzt "jeden Standort anschauen, analysieren und Rückschlüsse ziehen. "

Vielleicht wäre der richtige Schluss, aus der Zentralmatura eine teilzentrale Matura zu machen, wie es etwa Wissenschaftler Hopmann vorschlägt. Denn: "Man kann eine zentrale Prüfung nie so formulieren, dass sie auch das testet, was sie soll. Das ist immer ein Lotto."

Schülerreaktion

Auch Schülervertreter Maximilian Gnesda und Elternvertreter Gernot Schreyer können der Teilmatura viel abgewinnen. Denn vergleichbar seien die Ergebnisse nicht wirklich: „Das gilt insbesondere für die Kompensationsprüfung, wo die Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich waren. Das wissen wir aus Rückmeldungen von Eltern.“ Ein Blick auf die Statistik gibt ihm recht. In Kärnten haben sehr viele den Fleck weggebracht, in Salzburg nur die Hälfte. Sektionschef Christian Dorninger widerspricht: „Wir haben überall die gleichen Bedingungen.“
Maximilian Gnesda sieht die Matura jedenfalls auf dem Scheideweg: „Entweder wir machen sie teilzentral. Oder wir machen es wie in Frankreich, wo die Aufgaben nicht nur zentral gestellt, sondern auch geprüft werden. Gnesda ist jetzt jedenfalls erst einmal erleichtert: „Wir hatten ja befürchtet, dass 35 Prozent negativ sind. 22 Prozent sind zwar viel, aber nicht so viel.“

Originelles Format

Ob zentral oder nicht. Die Art der Prüfung hält der Mathematiker Eichmair für ein "originelles" Format, anders als etwa in Bayern, wo Beispiele noch immer vorhersehbarer sind. "Sie hat ein Niveau, bei dem wir uns nicht verstecken müssen. Einige Fragen hätte ich persönlich anders formuliert."

Jedenfalls habe sich der Zugang zur Mathematik verändert, man müsse heute Konzepte und Begriffe besser verstehen als früher. "In manchen Unterrichtskonzepten hat sich dieser nachhaltigere Ansatz noch nicht durchgesetzt. Ich vermute, dass sich das in den Ergebnissen sehr klar niederschlagen wird. Mathematik muss man schon früh so unterrichten, nicht erst am Schluss."

Im Detail

Eine Premiere war die Zentralmatura für die berufsbildenden Schulen. Nicht nur, weil die Aufgaben vom Bifie vorgegeben wurden. In manchen Schulen, wie etwa den Tourismusschulen, war Mathematik erstmals ein Prüfungsfach. Die Ergebnisse waren fast so wie erwartet. In der HTL haben in Mathe 13,2 Prozent ein "Sehr gut". Bei den humanberuflichen und Kindergarten-Schulen schafften das nur 5,4 Prozent. Hier hatten die Schüler die Möglichkeit, nur mündlich anzutreten. Die HTL-Schüler konnten dafür Englisch freiwillig als Prüfungsfach wählen.

Jeder Fünfte hat einen Fleck in Mathe

Codename „Top Secret“ – so könnte man die Geheimnistuerei rund um die Zentralmatura-Ergebnisse in einem Agentenfilm-Titel zusammenfassen. Ein bisserl wie im Pentagon. Umso spannender war, ob der Tamtam wenigstens etwas Handfestes bringen würde: erste Lehren, Erkenntnisse oder Ideen aus den teilweise desaströsen Mathe-Ergebnissen vor Kompensationsprüfung – vor allem an den BORG, aber auch an den AHS. Doch nein. Stattdessen wurde erneut beteuert, dass erst am Freitag vergangener Woche alle Daten vorgelegen wären. Die erste knackige Conclusio der Bildungsministerin Sonja Hammerschmid: „Man muss genau hinschauen“. In einem Interview für das Abendjournal in Ö 1 tat Hammerschmid die Ergebnisse gar mit einem "So what?" ab - nachdem sie argumentiert hatte, dass sich die meisten Schüler ihr Nicht genügend durch die Kompensationsprüfungen ja verbessern konnten.

Akuter Handlungsbedarf

Wer sich diese wenigen treffsicheren Sager auf der Zunge zergehen lässt, ahnt, was da möglicherweise kommen wird: so manch Diffuses, aber keine Ansagen, die auch nur ansatzweise die Note Sehr gut, Gut oder Befriedigend verdienen würden. Und vermutlich auch keine selbstkritische Evaluation, was da tatsächlich passiert ist. So what, genau. Das, obwohl der Handlungsbedarf in Sachen Mathe-Matura akut scheint und die Not durch die Ergebnisse offensichtlich wird. Alleine bei den AHS lag die Fünfer-Quote bei den Klausuren um das Doppelte höher als im Vorjahr. In den Oberstufenrealgymnasien hatte ein Drittel aller Schüler einen Fleck. Das ist dramatisch. Und macht klar, dass man in diesem Schlüsselfach einfach noch nicht auf internationalem Zentralmatura-Niveau agiert und Ministerium sowie BIFIE dringend nachsitzen müssten. Das gilt übrigens auch für die Lehrer. Hätte man nämlich im Fach Mathematik noch zugewartet, auf ein durchdachteres Matura-Konzept und Lehrer-Nachschulung gesetzt, wäre den Schülern viel erspart geblieben.

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