Mutterlose Embryos in Kulturschalen

Mutterlose Embryos in Kulturschalen
Jetzt dürften Diskussionen um den in Österreich verbotenen Forschungszweig neu beginnen.

Tag sieben: Befruchtete Eizellen nisten sich als kugeliger Zellhaufen in der Gebärmutterschleimhaut ein. Anschließend spezialisieren sich die Zellen. Aus einigen geht der Embryo selbst hervor, aus anderen die Plazenta, die seine Ernährung in der Schwangerschaft sicherstellt. So war es zumindest bisher.

Jetzt haben Forscher aus Großbritannien und den USA menschliche Embryonen erstmals zwei Wochen lang in Kulturschalen heranwachsen lassen. Und beobachtet: Die Embryonen setzten sich im Alter von etwa einer Woche an eine künstliche Substanz statt in die Gebärmutter und entwickelten sich weiter.

"Erstaunlicherweise verlief die Entwicklung in unserem System in der völligen Abwesenheit mütterlichen Inputs mindestens in den ersten zwölf Tagen normal", sagte Ali Brivanlou von der Rockefeller University in New York, der eines der Forscher-Teams geleitet hat. In einem Prozess der Selbstorganisation schlügen die Embryozellen unterschiedliche Entwicklungswege ein, berichten die Wissenschaftler in zwei Studien, die in den Fachblättern Nature und Nature Cell Biology veröffentlicht wurden.

Und wozu das Ganze? Bisher sei es nicht möglich gewesen, die Vorgänge rund um die Einnistung des Embryos außerhalb des Mutterleibes zu untersuchen. Von einer Ektogenese – so nennen Forscher ihre Vision vom Heranzüchten eines Kindes außerhalb des Mutterleibes – sei man aber noch meilenweit entfernt.

Fehlgeburt verhindern

Das Zellkultursystem ermögliche es aber zu untersuchen, warum einige Schwangerschaften so früh enden und warum die Methoden der künstlichen Befruchtungen so geringe Erfolgsraten besitzen, hoffen die Wissenschaftler. Außerdem könne die Technik genutzt werden, um die Entwicklung von Therapien mit embryonalen Stammzellen voranzubringen.

In einem Kommentar zu den Studien fordern US-Wissenschaftler die bisher in vielen Ländern praktizierte "14-Tage-Regel" auf den Prüfstand zu stellen. Nach dieser Regel dürfen Embryonen maximal 14 Tage außerhalb des mütterlichen Körpers im Labor heranwachsen.

Die vorgestellten Untersuchungen befänden sich auf Kollisionskurs mit dieser Linie, schreiben die Kommentatoren in Nature. Da nun die Kultivierung menschlicher Embryonen über den 14. Tag hinaus greifbar erscheine, müsse die Regelung neu überdacht werden, um auch in Zukunft der Forschung und eventuellen moralischen Bedenken gerecht zu werden.

Die "14-Tage-Regel" gelte in Australien, Kanada und den USA, aber auch in manchen europäischen Ländern wie Dänemark, Schweden oder Großbritannien. In einigen dieser Länder sei sie im Gesetz verankert, in anderen Teil wissenschaftlicher Richtlinien.

In Österreich wären solche Versuche genauso wie in Deutschland nicht möglich. Das Fortpflanzungsmedizingesetz verbietet sämtliche (seien es therapeutische, diagnostische oder forschende) Eingriffe an (befruchteten) Embryonen, sofern sie nicht zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich sind.

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