Was Patienten zu Alternativtherapeuten treibt

Der Faktor "Zeit" ist gerade für Krebspatienten ganz entscheidend.
Zeitmangel im öffentlichen System ist einer der Gründe.

"Wenn sich ein Arzt nicht ausreichend Zeit für Patienten nehmen kann – dann steigt der Wunsch nach alternativen Methoden." Das sagt Ingrid Kiefhaber, Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe. "Denn die Patienten beurteilen eine Ärztin oder einen Arzt danach, wie sehr sie sich bei ihr oder ihm aufgehoben fühlen."

Mindestens drei krebskranke Menschen sind in einem Alternativzentrum in Deutschland wenige Tage nach der Therapie gestorben. Eingesetzt wurden auch hoch toxische Substanzen wie 3-Bromopyruvat, die für die Krebstherapie nicht gelassen ist und von der es auch keine Studiendaten gibt.

"Angesichts knapper Ressourcen wird es für die Ärzte immer schwieriger, sich ausreichend Zeit zu nehmen – und das bedauern diese ja selbst", so Kiefhaber. "Auch die Ansprechpartner wechseln dadurch viel stärker." In jüngster Zeit verzeichnen die Beratungsstellen der Krebshilfe eine Zunahme der Fragen nach alternativen Methoden – häufig dann, wenn die Krankheit neuerlich aufgetreten ist bzw. ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht ist. "Hier dürfte es schon einen Zusammenhang z. B. mit der Arbeitszeitverkürzung geben."

Die Stärke der Anbieter alternativer Methoden liege darin, dass "sie sich Zeit nehmen, rhetorisch sehr gut sind und – nicht erfüllbare – Hoffnungen wecken". Auch deshalb müsse im Gesundheitssystem der Faktor Zeit mehr honoriert werden.

"Gefangene" Patienten

"Graubereiche gibt es auch bei uns, aber insgesamt bin ich davon überzeugt, dass die Patientensicherheit in Österreich hoch ist", sagt Patientenanwalt Gerald Bachinger.

In Deutschland gebe es – auch im stationären Bereich – für schwerkranke Menschen viel mehr private Angebote. "Das ist natürlich ein Einfallstor für alternativmedizinische Nischen, wo Patienten gefangen und finanziell geschröpft werden." Überdies gebe es in Österreich Berufe wie Heilpraktiker nicht.

Früher seien schwerkranke Krebspatienten in ihrer letzten Phase viel öfter als "austherapiert in ein Eck geschoben worden. Natürlich ist es da menschlich verständlich, dass man nach jedem Strohhalm greift, und ist er noch so absurd."

"Heute werden viel stärker als früher die individuellen Bedürfnisse des einzelnen Patienten in den Mittelpunkt gestellt", betont Bachinger. Wichtig ist dabei die Palliativmedizin, die nicht nur die Schmerzen lindert, sondern alles tut, damit die Patienten eine bestmögliche Lebensqualität haben. Dadurch aber sei der Druck, auf obskure Angebote auszuweichen, viel geringer. "Es werden nicht mehr Therapien um jeden Preis durchgeführt."

Und: "Auch die Bereitschaft vieler Mediziner, ergänzende, komplementäre Therapien zu akzeptieren, ist heute größer als früher."

Sehen Sie hier eine Checkliste mit Kriterien, die seriöse Therapeutinnen und Therapeuten erfüllen

Die nachstehende Info-Grafik stammt aus der Broschüre Das ABC der komplementären Maßnahmen der Österreichischen Krebshilfe. Die Broschüre gibr einen guten Überblick, wie sich verschiedene komplementäre - also die schulmedizinische Behandlung ergänzende - Verfahren auf die Lebensqualität und die Erkrankung selbst auswirken - von Akupunktur und Akupressur bis zu Yoga.

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