Mit dem Messer gegen Diabetes

Mit dem Messer gegen Diabetes
Bei sehr starkem Übergewicht ist eine Operation oft der einzige Ausweg - mit unerwarteten positiven Effekten.

Menschen mit massivem Übergewicht sind nicht undiszipliniert. Ich selbst habe in neun Jahren 180 Kilogramm ab-, aber 210 Kilogramm zugenommen. Eine Operation ist der einzige Ausweg", sagt Elisabeth Jäger, Präsidentin der Adipositas-Selbsthilfegruppen. Die Operation führt zu einem überraschenden Effekt: Bei mehr als 90 Prozent der Betroffenen, die vorher an Diabetes erkrankt waren, tritt die Stoffwechselerkrankung nicht mehr auf.

"Bei Menschen mit einem Body-Mass-Index über 40 verfehlen konventionelle Methoden der Gewichtsreduktion ihr Ziel", erklärt die Stoffwechselexpertin Univ.-Prof. Alexandra Kautzky-Willer von der MedUni Wien. Rund 2500 Operationen werden jährlich bei krankhafter Fettsucht (Adipositas) in Österreich durchgeführt - mit einer jährlichen Steigerung von fünf bis acht Prozent, sagt Prim. Univ.-Prof. Stefan Kriwanek, Vorstand der Chirurgie im Wiener Donauspital.

Derzeit gibt es fünf chirurgische Verfahren - wie etwa den Magen-Bypass oder die Anlage eines Magenschlauchs. Die Folgen sind - je nach Methode - ein rascheres Sättigungsgefühl, eine Verminderung des Appetits oder eine verringerte Nährstoffaufnahme. Die Betroffenen nehmen deutlich ab - laut einer internationalen Studie im Schnitt um mehr als 40 Kilogramm. Die Zahl der Begleiterkrankungen geht zurück, betont Kriwanek.

Warum eine bestehende Diabetes-Erkrankung "gleichsam ,über Nacht' verschwindet" (Kautzky-Willer) - noch bevor die Patienten abgenommen haben -, ist noch nicht restlos geklärt. Es kommt zu Veränderungen im Haushalt der Hormone im Verdauungstrakt: So wird ein Hormon, das die Bauchspeicheldrüse (und damit die Insulinproduktion) stimuliert, verstärkt ausgeschüttet. Ein anderes, das den Appetit fördert (Ghrelin), wird hinunterreguliert. "Wir erkennen die Zusammenhänge immer besser", sagt Kriwanek. Trotz dieser Erfolge werden diese Eingriffe nur bei wirklich massiv Übergewichtigen durchgeführt: "Drei bis fünf Prozent der Bevölkerung kommen dafür in Frage."

Weniger Todesfälle

Mit dem Messer gegen Diabetes

Gleichzeitig verringert sich - das Operationsrisiko einberechnet - insgesamt das Sterberisiko. Prim. Univ.-Prof. Alexander Klaus, Vorstand der Chirurgie im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wien: "Der Vergleich der Daten von 14.000 operierten Adipositas-Patienten mit 30.000 Nicht-Operierten über 7,5 Jahre hat gezeigt: In der operierten Gruppe war das Risiko, in diesem Zeitraum zu sterben, um 50 Prozent geringer."

"Wichtig ist eine gute Nachbetreuung der Patienten", betont Kautzky-Willer. So müssen regelmäßig die Konzentration bestimmter Vitamine und Mineralstoffe sowie das Blutbild kontrolliert und Mangelerscheinungen behandelt werden: "Leider ist die Freude über den Gewichtsverlust oft so groß, dass viele diese Kontrollen nicht durchführen."

Gefäßprobleme: Immer auch an Diabetes denken

Ob Herzinfarkt, Schlaganfall, Durchblutungsstörungen oder Impotenz: "Jeder, der bereits eine Gefäßerkrankung hat - oder wo es darauf Hinweise gibt - sollte unbedingt seinen Blutzucker kontrollieren lassen", betont die Diabetologin Univ.-Prof. Alexandra Kautzky-Willer anlässlich des Welt-Diabetes-Tages am 14.11. "30 Prozent der Menschen mit Gefäßproblemen haben einen unerkannten Diabetes, weitere 30 Prozent ein unerkanntes Vorstadium."

Bei Frauen können auch Komplikationen in der Schwangerschaft und unregelmäßige Zyklen ein erhöhtes Diabetes-Risiko anzeigen: "Wobei besonders Frauen mit Risikofaktoren wie Übergewicht nicht nur den Nüchternblutzucker, sondern auch den Blutzucker nach dem Essen kontrollieren lasen sollten. Bei ihnen ist der Nüchternzucker oft weniger aussagekräftig als bei Männern." Drei von fünf Diabetes-Fällen ließen sich mit einfachen Maßnahmen verhindern: Normalgewicht, nicht Rauchen, wenig Alkohol, Bewegung, gesunde Ernährung." Wer (bei Übergewicht) fünf Prozent weniger auf die Waage bringt, verringert sein Diabetes-Risiko um 60 bis 70 Prozent.

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