Mit 82 Jahren noch Ironman

Nicht selten beeindrucken alte Menschen mit ihren sportlichen Leistungen
Die Jungen sind automatisch leistungsfähiger als die Alten? Stimmt nicht! Beispiele dafür gibt es viele

Niemand würde sich einen Ironman-Teilnehmer wohl so vorstellen wie Lew Hollander. Der Grund dafür: Er ist alt. Und wer bei diesem Wettkampf die Ziellinie erreichen möchte, muss seinen Körper zuvor stundenlang quälen. 3,86 Kilometer schwimmen, 180 Kilometer Rad fahren, 42,2 Kilometer laufen. Dennoch ging Hollander 2012 mit 82 Jahren bei der Weltmeisterschaft an den Start und viele Stunden später in die Geschichtsbücher ein. Denn nie zuvor hatte ein älterer Mensch bei einer Ironman WM die Ziellinie überquert. Nicht wenige junge Frauen und Männer haben bei einem Lauf über zehn Kilometer Probleme. Ein 82-Jähriger schaffte es hingegen, über 16 Stunden lang Sport zu treiben.

Der heute 86-jährige Hollander ist kein Einzelfall. Immer wieder sorgen alte Menschen mit beeindruckenden Leistungen für Aufsehen, obwohl sie ihren sportlichen Zenit schon längst überschritten haben müssten. Beispiel Vienna City Marathon: Der beste Läufer in der Klasse der 60- bis 64-Jährigen lässt in den vergangenen zehn Jahren stets mehr als 90 Prozent des gesamten Teilnehmerfeldes hinter sich – und damit auch zahlreiche jüngere Läufer.

Beispiel Ed Whitlock: Der Kanadier läuft im Alter von 80 Jahren die 42,2 Kilometer in 3 Stunden und 15 Minuten und wäre damit beim diesjährigen Marathon in Wien schneller gewesen als mehr als 5000 jüngere Läufer. Beispiel Willie Gault: Mit 50 Jahren läuft er die 100 Meter in 10,88 Sekunden, nur 1,3 Sekunden langsamer als Usain Bolt. In Österreich gibt es momentan übrigens nur acht Menschen, die schneller laufen können als Gault. Die sind jedoch alle viel jünger.

Das ist ungewöhnlich, denn der menschliche Körper ist eigentlich in einem anderen Alter am leistungsfähigsten. Laut dem Leistungsdiagnostiker und Lauftrainer Wilhelm Lilge liegt das bei Ausdauersportarten zwischen 23 und 35 Jahren. Kommt Schnelligkeit ins Spiel, erreichen Athleten normalerweise bereits vor dem 30. Lebensjahr ihren Zenit. Somit sollten junge Menschen einen Vorteil gegenüber ihren älteren Kollegen haben. Doch so einfach ist es nicht.

Laut Lilge hängt die sportliche Leistungsfähigkeit eines Menschen von zwei Faktoren ab. Der erste Faktor besteht aus den genetischen Voraussetzungen. Sie beeinflussen unter anderem, wie der Körper auf Trainingsreize reagiert. „Wenn zehn Leute auf gleichem Leistungsniveau zehn Wochen lang gleich trainieren, erhält man zehn unterschiedliche Ergebnisse“, erklärt Lilge. Der zweite Faktor ist das Training, das „vom Alter unabhängig ist und den natürlichen Alterungsprozess aufhalten kann. So kommt es, dass viele 60-Jährige leistungsfähiger sind als die meisten 40-Jährigen und selbst 80- und 90-Jährige erstaunliche Leistungen bringen“.

Ähnlich sieht das Harald Tschan, Trainingswissenschaftler am Institut für Sportwissenschaften der Uni Wien: „Viele Studien zeigen, dass es möglich ist, die körperliche Leistungsfähigkeit lange aufrechtzuerhalten.“ Auch 60-Jährige könnten genauso leistungsfähig sein wie 30-Jährige, wenn sie sportlich aktiv sind. „Durch körperliches Training kann man 30 Jahre gewinnen“, sagt Tschan. Somit sollte man bei einem Ironman-Teilnehmer nicht nur an junge und muskelbepackte Athleten denken, sondern auch an Menschen, die so sind wie Lew Hollander: alt und trotzdem topfit.

Mit 82 Jahren noch Ironman
Nicht selten beeindrucken alte Menschen mit ihren sportlichen Leistungen

Laut dem Trainingswissenschaftler Harald Tschan von der Uni Wien ist es auch im Alter sinnvoll, mit Sport zu beginnen. Er sagt: „Es ist nie zu spät.“ Doch was gilt es dabei zu beachten?

Tschan rät zu einer Untersuchung beim Arzt sowie einer Leistungsdiagnostik, bevor man mit dem Training startet. Dadurch könne man Einschränkungen erkennen und das Training besser steuern. Häufigkeit und Intensität des Trainings sollten nicht kurzfristig gesteigert werden. „Eine zu rasche Steigerung birgt gerade bei Senioren die Gefahr von Verletzungen und Überlastungsreaktionen“, warnt Tschan.

Dem stimmt auch der Leistungsdiagnostiker und Lauftrainer Wilhelm Lilge zu. Er empfiehlt, „jede sprunghafte Belastungssteigerung unbedingt zu vermeiden“. Eine Betreuung durch einen Trainer sei nicht unbedingt notwendig, jedoch sollte man an Ruhepausen denken: „Eine ausreichende Regeneration zwischen den Trainingseinheiten sichert die Trainingswirkung und schützt vor Verletzungen“, erklärt Lilge. Hinsichtlich der Art des Trainings hält er „eine Kombination von Ausdauer- und Krafttraining“ für vorteilhaft, insbesondere bei älteren Menschen. Laut einer neuen Studie des Universitätsklinikums Homburg/Saar sollen jedoch vor allem Ausdauersportarten den Alterungsprozess verlangsamen, sogar stärker als Krafttraining.

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