Mein Kind kifft: Was Eltern tun können

Kiffen ist wie sich ständig in eine Daunendecke zu wickeln und dem Leben auszuweichen. Jugendliche verlernen rauschfreien Genuss
Drogenexperten raten: Ruhe bewahren, Infos sammeln, das Gespräch suchen.

Tom war knapp 14 Jahre, als er seinen ersten Joint rauchte, gemeinsam mit drei anderen Burschen. Man chillte vor allem am Wochenende, irgendwann wurde aus der Gelegenheitskifferei mehr. Der heute 16-Jährige erzählt: "Ich weiß nicht warum, aber plötzlich war’s täglich. Alles war auf einmal voll cool."

Tom hat damit aufgehört, nachdem sich seine Leistungen in der Schule stark verschlechterten, er das Interesse an seinen Hobbys verlor und seine Eltern mit ihm das Gespräch gesucht hatten. Mit ihnen gemeinsam ging er zur Drogenberatung, in der "alle alles über das Thema erfuhren". Das Aufhören war trotzdem nicht "easy", wie der Jugendliche erzählt: "Ich konnte nicht schlafen, war genervt, nervös und wollte unbedingt kiffen." Mit Unterstützung von Eltern, Therapeut und Freunden hat er es doch geschafft.

Keine Vorwürfe!

Meist sind Eltern, die erfahren, dass ihr Kind kifft, geschockt und reagieren mit Vorwürfen, Misstrauen, Beschuldigungen. Panik und Strafandrohungen sind kontraproduktiv. "Wenn der Nachwuchs Cannabis entdeckt, ist es für Eltern wichtig, Ruhe zu bewahren und ein offenes Gespräch zu suchen und im Gespräch zu bleiben. Das kann gut funktionieren, wenn man aufeinander eingeht und den anderen zu verstehen versucht", sagt Karl Kociper, Leiter der Drogenberatungseinrichtung checkit!.

Information sei alles – etwa über Konsum-Motive: Kociper: "Sie reichen von Neugierde und Lust am Experimentieren über das Kämpfen gegen ein Verbot, um sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen, um ein Bedürfnis nach Grenzerfahrungen und Ekstase zu befriedigen, um sich zu entspannen oder zu belohnen." Bei einem Großteil der Jugendlichen, die Cannabis probieren, bleibe es ein kurze Phase. Manche rutschen aber in ein tägliches Konsummuster. Oft, um sich mit einem "Ofen" runterzuholen. Stress, Unzufriedenheit und Ängste rücken in den Hintergrund. Ein wichtiger Punkt, wie Gabriele Fischer von der Uniklinik für Psychiatrie & Psychotherapie meint: "Wesentlich wäre es zu erfassen, welche Jugendlichen gefährdet sind, da sie an einer anderen Grunderkrankung leiden, wie etwa Angststörungen, und deshalb viel Cannabis konsumieren – zur Behandlung der Grunderkrankung." Das verschafft ihnen Erleichterung, es kommt eher zu einem Teufelskreis.

Viele Eltern fürchten, dass Cannabis eine Einstiegsdroge wäre. Experten beruhigen: Derzeit gäbe es dafür keine Belege, vielmehr seien es Substanzen wie Alkohol und Nikotin, die die Entwicklung eines problematischen Konsumverhaltens begünstigen (siehe rechts).

Allerdings sei der "Stoff" stärker geworden. "Die Qualität der einzelnen Sorten hat sich verändert, sie sind hochpotenter und halluzinogener", sagt Gabriela Hütter von der Steirischen Gesellschaft für Suchtfragen. Der Grund: Es zirkuliert mehr Indoor-Hanf – und dessen THC-Gehalt ist aufgrund optimaler Wuchsbedingungen um ein Vielfaches höher. Und die Kids rauchen trotzdem die selbe Menge.

Der Konsum bei Jugendlichen ist aus vielen Gründen problematisch. Hans Haltmayer, Ärztlicher Leiter der Suchthilfe Wien und Beauftragter für Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien: "Es gibt Hinweise darauf, dass Cannabis das sich bei Jugendlichen entwickelnde Gehirn beeinflusst. Welche Effekte und Langzeitfolgen daraus abzuleiten sind, ist derzeit weder eindeutig zu belegen noch seriös abzuschätzen. Gerade deshalb muss hier dringend, besonders von dauerhaftem Cannabis-Konsum abgeraten werden."

Außerdem hat der Konsum psychosoziale Folgen. Laut Stefan Bienenstein, Psychotherapeut mit Schwerpunkt Suchtprävention, mache THC unendlich lasch: "Im Fachjargon sprechen wir vom Amotivational-Syndrom. Die größte Problematik ergibt sich jedoch dadurch, dass Jugendliche, die über Jahre mit THC chillen, sich in eine zwei Meter dicke Daunendecke wickeln und so den Alltag erleben. Sie versäumen unmittelbares Erleben, Spüren und verlernen rauschfreien Genuss." Ein Jugendlicher, der fünf Jahre heftigen Cannabismissbrauch betreibt, bleibe in manchen Bereichen stehen, weil er Herausforderungen ausweicht, sich in seine entspannte Rauchhöhle zurück zieht und dem Leben den Rücken zukehrt.

"Weed chills, Alcohol kills" – mit diesem beliebten Slogan argumentieren Legalisierungsbefürworter die Freigabe von Cannabis. Alkohol sei um ein Vielfaches gefährlicher – auch psychosozial. Weil er aggressiv mache – und so für viel Unheil, speziell im familiären Umfeld, sorge.

Tatsächlich ist die globale Krankheitslast in Bezug auf Drogen bei den legalen Substanzen Alkohol und Nikotin am größten. Österreich ist, was das betrifft, europaweit führend. Laut Gabriele Fischer liegt Alkohol, in Bezug auf die Gefährlichkeit, an erster Stelle.

Designerdrogen

Von neuen Designerdrogen – so genannte neue psychoaktive Substanzen, u. a. auch "Legal Highs" aus dem Internet – ist Österreich noch wenig betroffen. Europaweit steigen die Zahlen stark an. In der Szene beobachtet Hans Haltmayer von der Suchthilfe Wien, dass Jugendliche vermehrt zu neuen, anderen Substanzen greifen, als dies früher der Fall war: "Diese sind im Internet relativ leicht zu besorgen und in ihren Wirkungen und Nebenwirkungen noch nicht sehr bekannt."

Die Entwicklung sei insofern bedenklich, als sich die gesundheitlichen Folgen hier nur schwer abschätzen lassen. Das Risiko ist größer, Analysen wie sie etwa durch die mobile Drogenberatung Checkit! durchgeführt werden, zeigen Beimengungen anderer Substanzen und, wie zum Beispiel im Fall der "Partydroge" Ecstasy, sehr hohe Dosierungen.

www.suchthilfe.at

www.checkyourdrugs.at

www.suchtfragen.at

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