Kaisers letzter Geburtstag

Ulrich Habsburg-Lothringen,Ur-Ur-Ur-Ur-Urenkel Maria Theresias
Am 18. August 1916 feierte Kaiser Franz Joseph in Schönbrunn seinen 86. und letzten Geburtstag.

Das Arbeitszimmer des Kaisers im Schloss Schönbrunn. Hier verbrachte Franz Joseph seinen 86. Geburtstag – wie an jedem anderen Tag über seinen Akten gebeugt. 86 Jahre alt zu werden, war damals etwas ganz Außergewöhnliches. Dabei schien der Monarch immer noch bei relativ guter Gesundheit. Jedenfalls ließ niemand in seiner Umgebung den Gedanken zu, dass an diesem 18. August 1916 des Kaisers letzter Geburtstag gefeiert werden könnte.

Wie zu Kaisers Zeiten

Fast auf den Tag genau 100 Jahre später. Franz Josephs Audienz- und Arbeitszimmer ist bis heute unverändert geblieben, der Schreibtisch, die chinesischen Vasen, die goldene Kaminuhr – alles steht noch so da wie zu Kaisers Zeiten. Ulrich Habsburg-Lothringen schreitet durch die Residenz seiner Ahnen und ist sichtlich bewegt, "so vielen Details aus unserer Geschichte zu begegnen". Den alten Kaiser sieht er als eher tragische Figur. "Allein die Katastrophen in seinem nächsten Umfeld: die Hinrichtung seines Bruders Maximilian in Mexiko, der Selbstmord des Kronprinzen Rudolf, die Attentate auf Elisabeth und Thronfolger Franz Ferdinand – das sind Schicksalsschläge, die ein einzelner Mann kaum verkraften kann."

Modernes Zeitalter

Historisch zeichnet Ulrich Habsburg-Lothringen ein ambivalentes Bild des Kaisers: "Auch wenn er hier in Schönbrunn die Installation eines Telefons in seinem Arbeitszimmer nicht zuließ, hat er doch die Donaumonarchie in das moderne Zeitalter geführt – von der Industrialisierung über den 10-Stunden-Arbeitstag bis zur Abschaffung der Kinderarbeit. Leider fand er keine Lösung der Nationalitäten-Probleme und des sozialen Elends der breiten Masse. Er hat Österreich-Ungarn die längste Friedensperiode seiner Geschichte gebracht, konnte aber den Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht verhindern."82 der 86 Geburtstage seines Lebens hat Franz Joseph in Bad Ischl gefeiert. Den allerletzten nicht mehr, da er als oberster Kriegsherr in Kriegszeiten nicht "auf Urlaub" fahren konnte. "Kaisers Geburtstag" wird in Ischl heute noch so begangen wie damals: mit Kaisermesse, Kaiser-Trabrennen, Kaiserhymne, Kaisernacht... – und das alles mit Musikkapellen und Traditionsverbänden in alten k. k. Uniformen."Ich verstehe den Ort und die Tourismusindustrie", sagt Ulrich Habsburg, "das Ganze ist eine Art ,Trooping the Colour’ ohne Kaiser mit etwas zu viel Volksfestcharakter." Hier, in Schönbrunn, läuft aus Anlass von Franz Josephs 100. Todestag eine Sonderausstellung, die täglich von bis zu 14.000 Menschen (!) besucht wird.Auch wenn der Kaiser an seinem 86. und letzten Geburtstag noch bei Kräften zu sein schien, "lag auf allen der Alpdruck trüber Vorahnungen", schreibt Franz Josephs Flügeladjutant Albert Freiherr von Margutti in seinen Lebenserinnerungen. "In der Schönbrunner Schlosskapelle wurde an diesem Tag eine feierliche Messe gelesen", dann saß Franz Joseph an seinem Schreibtisch, ehe der Kriegsminister zur großen Mittagstafel bat, an der der Kaiser mit zahlreichen Trinksprüchen gehuldigt wurde.

Kaisers letzter Geburtstag
"Der 1. Weltkrieg (1) - Kaiser Franz Joseph und der 1. Weltkrieg", Die Dokumentation von Andreas Novak beleuchtet die ersten drei Kriegsjahre, von 1914 bis zum Tod Kaiser Franz Josephs im November 1916. Sie analysiert die Hintergründe, Motive und Mechanismen eines Krieges, bei dem es neben politisch-militärischer Vorherrschaft auch um die "Rettung des Abendlandes" ging. Um einen Kampf zwischen Ost und West, zwischen Germanentum und Slawentum. Nach der Ermordung von Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajewo unterzeichnet Franz Joseph am 28. Juli 1914 die Kriegserklärung an Serbien. Von Militärs und politischen Falken instrumentalisiert und getäuscht, entfesselte der damals 84-jährige Monarch gemeinsam mit dem deutschen Kaiser Wilhelm II eine Apokalypse. Die als zeitlich und geographisch begrenzte Strafaktion gedachte Offensive gegen Belgrad sollte sich zum bisher größten Massensterben der Menschheitsgeschichte entwickeln.Im Bild: Franz Joseph I., Kaiser von Österreich, Postkarte nach einem Gemälde von Wassmuth, 1915. SENDUNG: ORF3 - SA - 31.03.2012 - 20:15 UHR. - Veroeffentlichung fuer Pressezwecke honorarfrei ausschliesslich im Zusammenhang mit oben genannter Sendung oder Veranstaltung des ORF bei Urhebernennung. Foto: ORF/Historisches Archiv ORF. Anderweitige Verwendung honorarpflichtig und nur nach schriftlicher Genehmigung der ORF-Fotoredaktion. Copyright: ORF, Wuerzburggasse 30, A-1136 Wien, Tel. +43-(0)1-87878-13606

Schluss mit dem Krieg

Doch all die Ehrerbietungen konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Monarchie in den letzten Lebensmonaten ihres Kaisers militärisch in die Defensive geriet. Die Verluste der k. k. Armee waren verheerend, und das blieb Franz Joseph nicht verborgen. "Es steht schlecht um uns", sagte er wenige Tage vor dem 86. Geburtstag zu seinem Flügeladjutanten Margutti, "vielleicht schlechter als wir ahnen. Die hungernde Bevölkerung des Hinterlandes kann auch nicht mehr weiter. Wir werden sehen, ob und wie wir noch den Winter übertauchen können. Im nächsten Frühjahr mache ich unbedingt Schluss mit dem Krieg. Ich will nicht, dass wir rettungslos zugrunde gehen." Der Kaiser rechnete also damit, dass er das darauffolgende Jahr noch erleben – und dann den Krieg beenden würde.Ulrich Habsburg-Lothringen ist "kein Monarchist", wie er sagt, "alles hat seine Zeit und die der österreichisch-ungarischen Monarchie ist vorbei. Aber man soll die Geschichte nicht pauschal schlecht machen. Ich selbst sehe vieles kritisch, aber die Habsburger sind mit all ihren Fehlern und Verdiensten ein Teil unseres Staatswesens – zumindest ebenso sehr wie die 100 Jahre der Republik, und das sollte anerkannt werden."

500 Habsburger

Ulrich Habsburg-Lothringen ist eines der rund 500 heute lebenden Mitglieder des einstigen Herrscherhauses – und eines, das mehrmals von sich reden machte: 2011 setzte er nach einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof durch, dass sich die Mitglieder der Familie Habsburg um das Amt des Bundespräsidenten bewerben dürfen. Im Jahr darauf forderte der als grüner Gemeinde-rat in Kärnten tätige Landwirt die Wiedereinführung der Adelstitel in Österreich.

Hätte er sich nicht konsequenterweise heuer für das Amt des Bundespräsidenten bewerben sollen? "Hätte mich eine große Partei unterstützt, wäre ich angetreten, aber allein kann man das nicht schaffen." Im ersten Wahlgang hat er Irmgard Griss gewählt, jetzt setzt sich der Habsburger für Alexander Van der Bellen ein.

Kaisers letzter Geburtstag
Interview mit Ulrich Habsburg-Lothringen anlässlich einer Sonderausstellung zum 100. Todestag von Kaiser Franz Joseph in Schloss Schönbrunn am 05.08.2016 in Wien.

Der Tod des Kaisers

Nach einem stabilen Sommer und Frühherbst beginnt sich Franz Josephs Gesundheitszustand Anfang November 1916 bedrohlich zu verschlechtern. Und doch sitzt er mit einer hartnäckigen Bronchitis, hohem Fieber und totaler körperlicher Erschöpfung täglich an seinem Schreibtisch. Selbst am 21. November, dem Tag seines Todes, arbeitet er noch die ihm vorgelegten Akten auf. Kurz nachdem er an diesem Abend zu Bett geht, hört – um 21.05 Uhr – sein Herz zu schlagen auf. Die Monarchie wird ihn um nur zwei Jahre überleben.

Kaiser Franz Joseph

Geboren am 18. August 1830 in Schönbrunn. 1854 Heirat mit der bayerischen Prinzessin Elisabeth, 1858 Geburt des Thronfolgers Rudolf, der 1889 durch Selbst-mord endet. 1898 wird Franz Josephs Frau „Sisi“ ermordet, 1914 sein Thronfolger Franz Ferdinand. Am 28. Juli 1914 unterzeichnet Franz Joseph die Kriegserklärung an Serbien, die den Ersten Weltkrieg und das Ende der Donaumonarchie zur Folge hat. Er regiert Österreich 68 Jahre bis zu seinem Tod am 21. November 1916 in Schönbrunn.

Ulrich Habsburg

Geboren am 3. Oktober 1941 in Wolfsberg/Kärnten, wo er als Forst-wirt lebt. Ulrich Habsburg-Lothringen, ein Ur-Ur-Ur-Ur-Urenkel Maria Theresias, wurde bekannt, als er eine Beschwerde beim Verfassungsgericht einbrachte, weil sich die Mitglieder herrschender oder ehemals herrschender Familien nicht um das Amt des Bundespräsidenten bewerben durften. Danach beschlossen alle Parlamentsparteien in einer Wahlrechtsreform, dass auch Habsburger zur Wahl des Staatsoberhaupts antreten dürfen.

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