Jede Sexualpraktik kann Zika übertragen

Sextoys als Zika-Virus-Überträger?
Auch das Teilen von Sextoys ist für Schwangere in Risikogebieten riskant.

Jetzt ist es fix: Das Zika-Virus kann durch jede Form von Sex übertragen werden, wie die US-Gesundheitsbehörden bekanntgaben. Dies inkludiert auch Sex mit gleichgeschlechtlichen Partnern. Die CDC rät schwangeren Frauen mit Sexualpartnern (weiblich oder männlich) in Risiko-Zonen sich zu schützen - etwa mit Kondom. Oder aber auf Sex zu verzichten. Dabei wird auch darauf aufmerksam gemacht, dass nicht nur vaginale Penetration die Übertragung des Zika-Virus begünstigt, sondern auch Analsex oder Oralsex. Selbst das Teilen von Sextoys kann gefährlich sein.

Zuvor hatte man die erste Frau-zu-Mann-Übertragung des Virus entdeckt. Lange wurde vermutet, dass nur Moskitos das Virus übertragen können. Zika kann schwere Fehlbildungen auslösen – vor allem Mikrozephalie, wo Babies mit Kleinköpfigkeit zur Welt kommen.

Es zeigte sich übrigens auch, dass das Zeitfenster für den Nachweis einer Zika-Infektion länger ist, als bisher gedacht – nämlich 14 Tage.

Was Adriana Melo, Gynäkologin und Expertin für fetale Medizin in Campina Grande, - der zweitgrößten Stadt im brasilianischen Bundesstaat Paraiba - sah, wirkte verstörend. Die grau-weißen Bilder des Ultraschalls zeigten, dass das Baby im Bauch der der 34-jährigen Mutter offensichtlich massive Probleme hatte. Das Gehirn hielt nicht Schritt mit dem restlichen Wachstum des Kindes. Die neuronalen Strukturen zeigten höchst ungewöhnliche Veränderungen – das Gehirn war vergrößert, deformiert, alles Anzeichen für sogenannte Mikrozephalie.

Irritierende Kalkablagerungen als Rätsel

Eine Missbildung mit der sich brasilianische Gynäkologen durchschnittlich ein bis zwei Mal pro Jahr konfrontiert sehen. Die dafür häufigsten Gründe: Drogenmissbrauch, Alkoholismus, genetische Ursachen oder eine Infektion mit dem Rötelvirus. Was Melo ebenfalls irritierte – die Kalkablagerungen, die sie bemerkte. So etwas hatte sie in dieser Form und in dieser Kombination noch nie gesehen. Noch dazu war die Frau, deren Schwangerschaft sie von Anfang an begleitet hatte, keine Risikopatientin. Sie trank nicht, sie rauchte nicht, sie nahm keine Drogen – und in der Familie gab es auch keine genetisch bedingten Krankheiten. Melo stand vor einem Rätsel. Im Gespräch hatte sich allerdings herausgestellt, dass sie in der Frühschwangerschaft, ungefähr um die 8. Schwangerschaftswoche herum, einen Ausschlag hatte. Und Gelenkschmerzen. Beides war schnell vergangen, keiner hegte einen Verdacht. Und (noch) niemand vermutete eine Infektion mit dem Zika-Virus.

Der Moment, als die Ärztin stutzig wurde

Jede Sexualpraktik kann Zika übertragen
Als in kurzem Abstand eine zweite Patientin bei Melo auftauchte, deren Baby die gleichen Probleme hatte, wurde die Ärztin stutzig. Sie begann sich umzuhören – um zu entdecken, dass Kolleginnen und Kollegen in ganz Brasilien von ähnlichen Fällen berichteten. Im Oktober erfuhr sie von zirka 60 weiteren Fällen. So etwas hatte sie in ihrer 18-jährigen Praxis als Frauenärztin noch niemals erlebt.

Gerüchte kamen auf – etwa, dass dieses Phänomen in Zusammenhang mit Impfungen stehen könnte. Daran glaubte Melo nicht – sie begab sich, wie eine Detektivin, auf die Suche nach den Ursachen der fatalen Missbildung. Von Zika hatte sie natürlich schon gehört – ein bisher harmloses Virus, das im Jahr 1947 erstmals in Uganda aufgetaucht war – bei Affen. Erst im Jahr 2007 sorgte es für eine Masseninfektion bei Menschen – auf der kleinen Insel Yap, irgendwo in Mikronesien, zwischen den Philippinen und Papua Neuguinea. 2013 wanderte das Virus Richtung Osten, wo es zu einem weiteren großen Ausbruch kam – in Papua Neuguinea. In Brasilien tauchte es erstmals im Mai 2015 auf. Das Virus ist mild, viele Infizierte zeigen keine Symptome oder aber leichte wie Gelenkschmerzen, etwas Fieber, rote Augen, Ausschlag. Die Patienten erholen sich rasch. Von ersten Zika-Infektionen im Campina Grande hatte Melo im Juli 2015 gehört, doch erst im Kontext vermehrter Gehirnmissbildungen bei Ungeborenen begann sie Verdacht zu schöpfen. Sie begann, sämtliche medizinischen Informationen zu dem Erreger zu sammeln. Dabei lernte sie, dass das Virus imstande ist, das Nervensystem zu infizieren, außerdem entdeckte sie zwei Arbeiten, indem ein Zusammenhang zwischen dem Zika-Virus und Gehirnmissbildungen bei Kühen und Schafen hergestellt wurde, im Rahmen von Versuchen.

Im November 2015 zog sie erstmals Fruchtwasser aus dem Bauch Betroffener, um es analysieren zu lassen. Zum gleichen Zeitpunkt war sie zu einer medizinischen Konferenz in Sao Paulo geladen – das Thema: die Gehirnentwicklung des Fötus. Auf ihre Reise nahm sie sämtliche Befunde, medizinische Aufzeichnungen und Ultraschallbilder ihrer Patientinnen mit, um sich mit Experten auszutauschen. Etwa mit Gustavo Malinger, einem Fachmann für pränatale Diagnostik aus Israel und einer der bekanntesten Experten für das fetale Gehirn. Mit den Fakten konfrontiert, zweifelte er zuerst an der Theorie, die Mikrozephalie könne mit dem Virus in Zusammenhang stehen. Doch Melo blieb hartnäckig: Da gibt es ein Muster, das alles ist kein Zufall.

Weltweit das erste Mal Zika im Fruchtwasser

Schließlich ging alles sehr schnell: Auf ihre Initiative hin ermöglichte das brasilianische Gesundheitsministerium den Patientinnen einen Flug nach Sao Paolo, um dort den Experten zu treffen. Malinger sah sich die Frauen vor Ort in einem privaten Spital an. Was nicht sein durfte, wurde zur schrecklichen Wahrheit: Ultraschall- und MRI-Bilder zeigten, dass die Gehirnstrukturen der Ungeborenen komplett zerstört waren, ebenso wie die Augen der Babys. Die Kinder hatten keine Chance.

Das war am 14. November 2015. Den Montag darauf bekam Melo die Ergebnisse der Fruchtwasseruntersuchung, das Ergebnis: Das erste Mal, weltweit, wurde in Fruchtwasser das Zika-Virus entdeckt. Damit wurde die ganze Aggressivität des Virus offensichtlich. Und der Verdacht auf einen Zusammenhang mit den Gehirnmissbildungen der Ungeborenen erhärtete sich. Die Gynäkologin Adriana Melo informierte das brasilianische Gesundheitsministerium, eine Woche später veröffentlichte auch das European Centre for Disease, Prevention and Control erstmals ein Statement über einen möglichen Zusammenhang von Zika und Mikrozephalie. Der Rest ist Geschichte und allgemein bekannt.

Der aktuellste Wissensstand: Das Zika-Virus kann laut französischen Forschern offenbar nicht nur Gehirne von Ungeborenen schädigen. Die Wissenschafter schilderten am Donnerstag in der Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“ den Fall eines 81-jährigen Manns, der nach einer Kreuzfahrt im Jänner in ein Krankenhaus nahe Paris eingeliefert worden sei. In seiner Rückenmarksflüssigkeit sei das Virus gefunden worden. Der vor seiner Kreuzfahrt im Pazifik völlig gesunde Patient habe unter hohem Fieber und Lähmungserscheinungen gelitten und sei zwischenzeitlich ins Koma gefallen, schrieb das Forscherteam. Bei ihm sei eine Meningoenzephalitis, eine Hirn- und Hirnhautentzündung, diagnostiziert worden. Mittlerweile gehe es ihm etwas besser.

Am Dienstag hatte ein anderes französisches Forscherteam über einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Zika-Virus und schweren Rückenmarksentzündungen berichtet. Das Virus wurde demnach im Rückmark einer 15-Jährigen nachgewiesen, die Mitte Jänner in einer Klinik im französischen Überseegebiet Guadeloupe mit einer halbseitigen Lähmung eingeliefert worden war.

Es gibt überdies deutliche Hinweise, dass Zika das Guillain-Barre-Syndrom, eine schwere Nervenkrankheit, auslöst. Zika soll bei einer Infektion von Schwangeren bei deren ungeborenen Kindern Mikrozephalie, einen abnorm kleinen Kopf und damit zusammenhängende neurologische Schäden auslösen. US-Forscher fanden nach eigenen Angaben inzwischen den ersten Beweis für einen biologischen Zusammenhang.

Das unter anderem von der Ägyptischen Tigermücke übertragene Zika-Virus grassiert derzeit vor allem in Lateinamerika. Besonders betroffen ist Brasilien: Die Zahl der Zika-Infektionen wird dort auf 1,5 Millionen geschätzt.

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