Neue Krebstherapien: Erfolg auch in Österreich

Studie an der MedUni Wien: Weg zur individualisierten Krebstherapie
Studie in Wien zeigt, was individuelle Therapien leisten können.

Es ist ein ehrgeiziges Konzept, das in den kommenden Jahren vielen Patienten mit Krebserkrankungen, die auf keine Standardtherapie mehr ansprechen, neue Hoffnung geben könnte: Tumorzellen dieser Patienten werden ganz genau auf ihre genetischen Merkmale untersucht. Und danach bekommen sie das jeweils zu ihrem Tumor genau passende Medikament.

Nicht nur aus den USA gibt es dazu erfolgversprechende Meldungen - der KURIER berichtete. 55 Patienten mit metastasierten Krebserkrankungen nehmen an einer derartigen Pilotstudie (EXACT) des Comprehensive Cancer Center (CCC) der MedUni Wien und des Wiener AKH teil. "Das sind Patienten, die mit den herkömmlichen Therapien nicht mehr heilbar sind", sagt Onkologe Univ.-Prof. Gerald Prager.

Neue Krebstherapien: Erfolg auch in Österreich
APA12383834-2 - 22042013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT CI - Mit einer "Exact"-Studie mit rund 50 Patienten soll am Comprehensive Cancer Center (CCC) der MedUni Wien und des AKH erstmals in Österreich ein System zur individualisierten Krebsmedizin etabliert werden. Im Bild: Onkologe Gerald Prager von der Universitätsklinik für Innere Medizin I (Klinische Abteilung für Onkologie) am Montag, 15. April 2013, während eines Interviews mit der Austria Presse Agentur (APA). APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Zellen ihres Tumors werden mithilfe einer neuen Tumorcharakterisierung auf 750 unterschiedliche genetische Merkmale analysiert. "Anschließend schauen wir, ob es international schon irgendwo Studiendaten gibt, dass – bei welcher Krebserkrankung auch immer – ein bestimmtes Medikament genau bei solchen genetischen Merkmalen gewirkt hat", so Prager. Dieses erhält der Patient dann im Rahmen eines "individuellen Heilversuches": Es handelt sich zwar um zugelassene Medikamente, aber diese Zulassung gilt dann in der Regel nicht für jene Tumorart, in der das Präparat dann eingesetzt wird.

Zumindest stabil

Jetzt liegt eine Zwischenauswertung der (noch nicht veröffentlichten) Daten dieser Pilotstudie vor. Prager: "Durch die gezielte, individuelle Auswahl der Medikamente konnten wir zwei Drittel der Patienten helfen: Ihr Tumor konnte zurückgedrängt werden oder blieb zumindest stabil und wuchs nicht mehr weiter."

Besonders eindrucksvoll ist der Fall einer 42-jährigen Frau mit metastasiertem Darmkrebs, die im Herbst einen Tumor im Bauchraum in der Größe eines Kinderkopfes hatte (siehe die Grafik am Ende des Textes). Sie sprach auf keine der herkömmlichen Standardtherapien mehr an.

Die Genanalyse zeigte, dass es in ihren Tumorzellen einen ganz speziellen Fehler im Reparaturmechanismus der Zellen gab. "Aus kleinen Studien, auch aus dem Ausland, wussten wir, dass Melanompatienten mit dieser genetischen Auffälligkeit von einem ganz speziellen Medikament profitieren. Dieses haben wir dann bei der Patientin eingesetzt."

Mit großem Erfolg: Drei Monate später hatte sich der Tumor um mehr als die Hälfte verkleinert. "Es geht der Frau jetzt viel besser. Vor der Therapie musste sie bereits einen Rollstuhl benützen. Und jetzt beginnt sie wieder selbstständig zu gehen."

"Sehr motivierend"

Auch wenn noch Langzeitdaten fehlen: "Die bisherigen Ergebnisse sind sehr motivierend, da es für diese Patienten ja absolut keine anderen Therapiemöglichkeiten mehr gab", betont Onkologe Prager. "In Zukunft werden wir zunehmend von den Blockbuster-Chemotherapien hin zu individuelleren Ansätzen kommen."

"In den vergangenen 25 Jahren sank die Krebssterblichkeit um 21 Prozent", erklärt Univ.-Prof. Christoph Zielinski, Koordinator des Comprehensive Cancer Center von MedUniWien und AKH Wien. Das Verständnis von Krebs sei derzeit stark im Umbruch.

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Christoph Zielinski

Zwei Ansätze

Zum einen durch die zielgerichteten Therapien, die ganz präzise einzelne Strukturen oder Signalwege lahmlegen – egal, ob es sich um Brust-, Darm- oder Lungenkrebs handelt. Das wird aber auch die Einteilung der Krebserkrankungen verändern, betonen Prager und Zielinski. Also nicht mehr so sehr die Unterscheidung nach den Organen, sondern nach den genetischen Veränderungen – egal, ob sich der Tumor dann im Darm oder in der Lunge befindet.

Und zum anderen durch die neuen Immuntherapien, die den Tumorzellen jene "Tarnkappe" entreißen, mit der sie sich vor dem Angriff des körpereigenen Abwehrsystems schützen. "Beim Nierenzell-, Lungen-, Prostatakarzinom und beim Melanom verzeichnen wir hier derzeit große Fortschritte", betont Zielinski. Bei anderen Krebsarten sei die Entwicklung hingegen noch nicht so weit vorangeschritten.

Trotzdem, so Zielinski: "Beide Ansätze – zielgerichtete Therapien und Immuntherapie – werden die Landschaft der Krebsbehandlungen völlig verändern."

Sehen Sie hier, wie stark der Tumor der Frau zurückgegangen ist:

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