"Alzheimer nicht dämonisieren"

Bis 2050 soll sich Patientenzahl verdreifachen. Arzt warnt: Nicht nur Defizite sehen.

Wir brauchen mehr Forschung, mehr Behandlung, mehr Prävention.“ Mit eindringlichen Worten kommentiert die US-Medizinerin Jennifer Weuve vom Rush University Medical Center in Chicago eine neue Alzheimer-Studie: Demnach wird sich die Zahl der Erkrankten in den USA bis 2050 verdreifachen. Wie die Liebe zweier Menschen durch eine Demenz auf die Probe gestellt werden kann zeigt der ORF am Aschermittwoch im Film „Die Auslöschung“ mit Klaus Maria Brandauer und Martina Gedeck.

"Alzheimer nicht dämonisieren"
„Auch in Österreich gehen die Prognosen von einem ähnlich starken Anstieg der Zahl der Betroffenen aus wie in den USA“, sagt Alzheimer-Spezialist Georg Psota, Chefarzt des Psychosozialen Dienstes (PSD) der Stadt Wien. „Doch persönlich glaube ich nicht, dass es tatsächlich dazu kommen wird. In den vergangenen Jahren hat es schon ein paar Mal nach ersten Erfolgen mit neuen Therapien ausgesehen. Auch wenn es noch nicht so weit ist: Ich bin sehr zuversichtlich, dass es in den kommenden 20, 30 Jahren entscheidende Fortschritte geben wird.“ Möglicherweise sei schon in einigen Jahren „mit einem Schwung an neuen Therapien“ zu rechnen. Trotzdem sei es notwendig, sich auf diese Prognosen einzustellen: „Einerseits müssen wir langfristig alles tun, um den Ausbruch der Erkrankung in ein höheres Alter zu verschieben: Durch lebenslanges Lernen, bessere Kontrolle des Blutdrucks, eine ausgewogene, obst- und gemüsereiche Ernährung, Reduktion des Alltagsstresses und generell einen gesundheitsfördernden Umgang mit sich selbst.“

Wert- und liebevoll

Kurz und mittelfristig sei es notwendig, mehr Betroffene mit einer frühen Diagnose zu erreichen: „Dann kann man mit umfassender sozialer, psychischer und auch medikamentöser Unterstützung viel erreichen.“

Psota warnt davor, Demenzerkrankungen nur unter dem Aspekt des Verlustes geistiger Fähigkeiten zu sehen: „Wir dürfen sie nicht dämonisieren. Auch Alzheimer-Patienten haben viele liebevolle und wertvolle Eigenschaften.“ Die Diagnose bedeute auch nicht das Ende jeglicher Lebensqualität: „Es gibt viele Menschen, die lange Jahre ein durchaus zufriedenes Leben führen – und das ist gerade im Alter sehr wertvoll. Ich hatte hochgradig ängstliche Patienten, die jahrelang sehr depressiv waren. Mit dem Auftreten einer Demenz war die Angst weg – sie haben sie einfach vergessen, wurden ruhiger, ausgeglichener. Ich sage nicht, dass das jetzt besser ist als ihre Situation vorher. Aber solche Beispiele zeigen, dass Alzheimer nicht immer nur eine Katastrophe für die Betroffenen ist.“ Eine differenziertere Sichtweise sei notwendig: „Wir dürfen nicht immer nur das sehen, was verloren geht. Wir müssen auch das sehen, was bleibt – und das ist oft sehr viel.“

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