„Wie zugeklebte Warnlamperln“

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Alkohol trinken ohne Nachwirkungen versprechen neue Produkte. Ärzte üben heftige Kritik

Die Zielgruppe sind „aktive Leute, die mitten im Leben stehen und Spaß an einem dynamischen Lifestyle haben – ohne die mühsamen Nachwirkungen eines Katers am Morgen danach“.

So bewirbt ein Wiener Unternehmen den „funktionellen Lifestyle-Shot“ NOHO (No HangOver, zu Deutsch: Kein Kater) , ein Nahrungsergänzungsmittel zum Trinken aus den USA. „NOHO stellt die Gesetze des Alkoholkonsums völlig auf den Kopf“, heißt es: Nehme man ein Fläschchen vor dem ersten Glas Alkohol und eines vor dem Schlafengehen zu sich, „verhindert dies den gemeinen Kater am nächsten Tag“ – unter anderem durch „die Kraft der Kaktusfeige und der Ingwerwurzel“. Heftige Kritik kommt von Medizinern. „Der Jugend wird ein flockiger Lifestyle vorgelebt. Dabei werden die Gefahren des Alkoholkonsums elegant ausgeblendet“, so Felix Fischer, emeritierter Leiter der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg Linz, in der ÄrzteWoche.

Vergiftung

„Das ist ungefähr so, wie wenn ein Autohersteller dazu rät, beim Aufleuchten von Warnlampen einfach ein schwarzes Klebeband über die Lamperln zu picken“, sagt Univ.-Prof. Michael Musalek, Ärztlicher Direktor des Anton Proksch Instituts in Wien, der größten Suchtklinik Europas, zum KURIER. „Der Kater ist eine Reaktion des Gehirns auf eine Vergiftung. Derartige Präparate gaukeln dem Körper aber vor, dass man gar keine Vergiftung gehabt hat. Alle Warnzeichen fallen weg, aber die Schädigung durch den Alkohol bleibt.“

„Das Warnlicht wird nicht ausgeschaltet“, entgegnet Verena Thiem, Geschäftsführerin von NOHO Austria. „Unser Produkt hilft nicht, eine Flasche Wodka zu vertragen. Es geht darum, die Nebenwirkungen bei einem durchschnittlichen Alkoholkonsum zu verhindern – und nicht zu mehr Konsum anzuregen.“ NOHO enthalte wichtige Mineralstoffe, Vitamine und Antioxidantien und lade den Körper damit schon im Vorhinein auf. Dadurch verhindere es die Dehydration (Austrocknung). „Es hilft dem Körper, Alkohol besser zu verarbeiten und richtet sich an Menschen, die am nächsten Tag fit sein müssen.“ Studien, die das belegen, gibt es allerdings noch keine.

Etwas länger sind bereits die österreichischen Anti-Kater-Party-Pillen K.U.R.T. auf dem Markt. Laut Werbung „für all diejenigen, die Alkohol genießen wollen, jedoch bei dem ersten Glas Rotwein oder Champagner scheitern“. Die Kapsel enthalten als „Nachfüllpackung“ jenes Enzym, welches für den Abbau von Histamin aus Nahrungsmitteln im Körper verantwortlich ist – und das laut dem Tullner Unternehmen Sciotec Diagnostic Technologies durch den Konsum von Alkohol gehemmt wird.

Keine Studien

Auch bei K.U.R.T. ist umstritten, wie wirksam es ist: Dass dieses DAO-Enzym zumindest einem Teil der Menschen mit Histaminunverträglichkeit helfen kann, die Symptome zu reduzieren, hat eine Studie gezeigt „Klinische Studien oder sonstige Hinweise, dass Kapseln mit DAO-Enzym auch einem Alkohol-Kater vorbeugen könnten, existieren allerdings keine“, so eine Beurteilung des Departments für Evidenzbasierte Medizin (Donau-Uni Krems) vom März auf der Plattform medizin-transparent.at.

Für den Suchtexperten Musalek ist unabhängig von der Diskussion über die Wirkung bereits der Ansatz problematisch: „Jedes Angebot, das verspricht, unangenehme Nebenwirkungen des Alkohols zu verhindern, erhöht die Verfügbarkeit alkoholischer Getränke.“ Und zahlreiche Studien hätten gezeigt, dass diese Verfügbarkeit der entscheidende Faktor dafür sei, wie viele alkoholkranke Menschen es in einer Gesellschaft gebe.

„Wie zugeklebte Warnlamperln“

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