Woran Euro-Land krankt

Woran Euro-Land krankt
Experten sehen Mangel an staatlichen Investitionen und Sozial-Dumping als Gefahr.

Während sich die Experten in Brüssel mit einer Vertiefung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion befassen, wenden sich immer mehr EU-Bürger davon gänzlich ab. Die Akzeptanz von Euro-Land, also der gemeinsamen Währung, und auch der EU sinkt – nicht nur in Großbritannien. Am Donnerstag diskutierten Ökonomen, Gewerkschafter und Industriellenvertreter im Haus der Europäischen Union in Wien über die Fehler der Währungsunion und was sie weiterbringen könnte.

Mängelliste

Unbestritten war unter den Experten, dass die Wirtschafts- und Währungsunion in Problemen steckt. Hier die größten Brocken:

  • Kluft wächst: Auf der einen Seite die wirtschaftlich starken Länder mit sinkender Arbeitslosigkeit, wie Deutschland; auf der anderen Seite die Schwachen mit hartnäckig hohen Arbeitslosenraten, wie Griechenland oder Portugal. Die Währungsunion hätte die Unterschiede glätten sollen. Tatsächlich ist die Kluft aber gewachsen. "Wir müssen diese Divergenzen korrigieren", betonte Marcel Haag vom Generalsekretariat der Europäischen Kommission.
  • Solidarität fehlt: Nicht nur die Flüchtlingskrise hat bewiesen, dass ein Zusammenhalt der Euro- und EU-Mitglieder im Notfall nicht gegeben ist. Auch als es um Hilfen für Griechenland ging, zogen die Euro-Länder nicht an einem Strang.
  • Lasche oder falsche Regeln: Uneinig waren die Experten über die Vorgaben Brüssels für die Budgetdisziplin. Marcus Marterbauer, Chef-Ökonom der Arbeiterkammer, hält die strengen Sparvorgaben in Zeiten der Wirtschaftskrise für falsch. "Die Regeln gehören neu überdacht", betont er. Denn sie führten zu mehr Arbeitslosigkeit und noch weniger Wachstum. Gewerkschafts-Präsident Erich Foglar hält den einseitigen Fokus auf die Währungsunion schlichtweg für falsch. Da werde die Realwirtschaft vergessen. Christian Mandl von der Wirtschaftskammer hingegen glaubt, dass die Einhaltung der Regeln zu wenig streng verfolgt werde. Ausnahmen für Frankreich oder Spanien, weil dort bald gewählt werde, sollte es nicht geben.
  • Sozialausgaben: "Europa produziert ein Viertel der Welt-Wirtschaftsleistung, hat aber die Hälfte der globalen Sozialausgaben", weist Mandl von der WKO auf einen Schwachpunkt hin. Marterbauer von der AK kontert: "Mit weniger Sozialausgaben würde Europa noch weniger produktiv sein." Denn die Sozialausgaben hielten das Wachstum in Gange.

Chancen-Liste

Rasch aufgezählt war für die Experten, was Euro-Land braucht:

  • Investitionen: Und zwar staatliche, denn sie würden private Investitionen nach sich ziehen. Von Straßen über Stromnetze bis zum Wohnbau – an Investitionsfeldern mangle es nicht. Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung, hält eine Umschichtung für wichtig: Staatsausgaben für Investitionen anstatt für Konsum.
  • Soziale Gerechtigkeit: Die Mobilität der Arbeitnehmer oder die Dienstleistungsfreiheit in der EU könne nur dann reibungslos funktionieren, wenn Sozialdumping ebenso vermieden werde wie Steuerwettbewerb. Brüssel habe das wohl erkannt, betonte EU-Experte Haag. Die EU lege den Schwerpunkt daher auf soziale Gerechtigkeit und Beschäftigung.

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