Finanzministerium: Der Lack ist ab

Vizekanzler Michael Spindelegger
Intellektueller Aderlass, Polit-Besetzungen, frustrierte Beamtenschaft, peinliche Pannen.

Eigentlich wollten die Personalvertreter im Finanzministerium nur wissen, wie zufrieden die Kollegen mit der Rückübersiedlung in die sanierte Himmelpfortgasse in der Wiener Innenstadt sind. Schließlich stehen im November hausinterne Neuwahlen an. Etliche Beamte nutzten die anonymisierte Umfrage allerdings, um schriftlich ihren Ärger über ein wesentlich brisanteres Problem los zu werden. Über die politischen Postenbesetzungen, die breite Teile der Belegschaft frustrieren und demotivieren. Tenor: Der Postenschacher muss endlich aufhören.

Das Finanzministerium galt als Hochburg der Beamten-Elite. Dort saßen die Spitzenleute mit dem Überblick über alle Ministerien, die Steuerpolitik und das Staatsbudget. Finanzminister mussten sich immer Kritik anhören. Wer seinen Kollegen Einsparungen verordnet und Interessensgruppen nicht bedient, macht sich wenig Freunde. Das liegt in der Natur der Sache. Doch die fachliche Kompetenz des Ressorts war unbestritten.

Und heute? Angefressene Beamte, weil ihnen permanent Parteigünstlinge vor die Nase gesetzt wurden. Hohn und Spott wegen peinlicher Pannen. Etwa der Fehlstart des Pendlerrechners. Der Pfusch mit dem Hypo-Gesetz. Zuletzt gleich zwei grobe Rechenfehler bei den Kosten der ÖBB oder die schlampigen Bescheide über die Casinos-Konzessionen. Dass dann auch noch Absetzbeträge mit Freibeträgen verwechselt wurden, regt ohnehin nur noch Feinspitze auf.

"Das war das professionellste Ministerium mit den besten Sektionschefs. Aber vom Aderlass an Spitzenleuten hat sich das Haus bis heute nicht erholt", monieren Kritiker den Braindrain der letzten Jahre. Unter Michael Spindeleggers Vorgängerin Maria Fekter verabschiedete sich beispielsweise Thomas Wieser (Wirtschaftspolitik, Finanzmärkte) nach Brüssel, er führt dort die Euro-Gruppe an. Der Top-Mann für Steuerfragen, Wolfgang Nolz, wurde von Fekter zum Kapitalmarktbeauftragten degradiert. Spindelegger löste diese Stabsstelle dann auf, heute darf Nolz als Berater für Corporate Governance assistieren.

Im Frühjahr wechselte der gewichtige Budget-Sektionschef Gerhard Steger in den Rechnungshof. Spindelegger kann sich darauf gefasst machen, dass ihm Steger künftig genüsslich und erbarmungslos die Budgets zerpflücken wird.

"Die Polit-Besetzungen begannen schon unter ÖVP-Finanzminister Wilhelm Molterer", erinnern sich kritische Beobachter. Karl-Heinz Grasser war wenigstens so klug, sich auf die Expertise der Beamten zu verlassen und ließ die Mannschaft arbeiten. Molterer legte seinem Nachfolger Josef Pröll vor seinem Abgang noch schnell ein Ei und installierte den Grasser-Intimus Hans-Georg Kramer ohne interne Ausschreibung als Generalsekretär. Das ist er bis heute, obendrein leitet er Teile der Steuersektion und die Betrugsbekämpfung.

Pröll hievte Gerhard Popp, ehemals Presse-Sprecher von Ex-Landwirtschaftsminister Franz Fischler, an die Spitze der Sektion V, der die IT untersteht. Davon soll Popp im Gegensatz zu Vorgänger Arthur Winter ("Mister E-Government") freilich nicht viel Ahnung haben.

Fekter brachte ihre Leute aus dem Innenministerium mit und ließ sie nicht verkommen. Ihr Ex-Kabinettschef Gerhard Zotter leitet seit einer auf ihn zugeschnittenen Ausschreibung die Präsidialsektion. Spitzname des unbeliebten Sektionschefs: "Der Gendarm".

Für Ulrike Danzmayr und Wolfgang Eder wurden überhaupt neue Gruppenleiterposten kreiert. In der Präsidialsektion, eh klar. Dorthin versorgte Fekter noch weitere Mitarbeiter aus ihrem Kabinett. Dafür musste der fachlich erstklassige Univ.Prof. Gunter Mayr lange auf seine Bestellung zum Chef der Steuerpolitik warten.

Ein besserer Griff gelang Fekter mit der Beförderung des von Pröll geholten Ex-Journalisten Harald Waiglein zum Nachfolger von Wieser. Waiglein wird mittlerweile auch in Brüssel fachlich anerkannt.

"Die alte schwarze Freunderlwirtschaft aus der Vergangenheit führt zur Misswirtschaft in der Gegenwart", ätzt der Grüne Finanzsprecher Werner Kogler, der im Gegensatz zu Kritikern in hohen SPÖ- und ÖVP-Kreisen, die namentlich lieber nicht genannt werden wollen, offen spricht. Für Kogler ist es "unverständlich, dass Spindelegger die Fekter’schen Freundschaftsbesetzungen nicht rückgängig macht".

Spindelegger dürfte durchaus klar sein, dass er das Ministerium zu altem Glanz führen muss. Den Frust über den Postenschacher hat er amtlich, die Personalvertreter suchten bereits dringend um einen Termin an. Selbst kam Spindelegger bis dato nicht in Verdacht. Er machte Manfred Lödl, langjähriger Vize von Steger, zum Herrn übers Budget. "Mit Spindelegger gibt’s keine parteipolitischen Besetzungen mehr", attestiert Margit Markl, oberste (schwarze) Personalvertreterin.

Dafür muss sich Spindelegger vorwerfen lassen, sein Kabinett würde auf die Beamten pfeifen und sei ausschließlich polit- und PR-getrieben. Die Experten müssten ständig politische Aufträge hinrechnen. "Auch nicht besser als Fekters Kabinett", hört man intern und extern.

"Das Finanzministerium ist die zentrale Schaltstelle der Republik. Ich habe nur tolle Erfahrungen mit meinen Spitzenkräften gemacht und stehe voll hinter ihnen", verteidigt Spindelegger die fachliche Qualität seines Hauses und streicht die Sektionschefs heraus. Mit Lödl habe man in kürzester Zeit ein Doppelbudget geschafft, mit Waiglein die Hypo-Lösung und mit Mayer werde in Steuerfragen engstens zusammen gearbeitet. Was ist mit dem Rest der Truppe?

Ein Beweis dafür, wie sehr er die Expertise der Beamten schätze, sei doch alleine schon die Zusammensetzung seines Kabinetts. Dort sitzen tatsächlich einige Mitarbeiter aus dem Haus. Und die Beamten sollen durch Karriere-Planung künftig bessere Aufstiegschancen bekommen. Resümee nach einem guten halben Jahr im Job: "Wer viel macht, eckt an und provoziert Kritik. Damit muss man als Finanzminister umgehen".

Kommentare