Chefideologe mit Ablaufdatum

Werner Muhm
Der Klassenfeind der Konservativen – wann geht der einflussreiche Arbeiterkammer-Direktor?

Sie waren ein kongeniales Paar und ergänzten einander perfekt: Herbert Tumpel, 16 Jahre lang Präsident der Arbeiterkammer, und sein Direktor Werner Muhm. Der eher introvertierte, oft mürrische Tumpel, der öffentliche Auftritte nicht sehr mochte und seinem obersten Experten gerne den Vortritt ließ. Der rhetorisch versierte, fachlich sattelfeste Muhm, Leiter der Experten-Kaderschmiede der AK, der an der langen Leine seines Präsidenten in der SPÖ und vor allem bei Bundeskanzler Werner Faymann zunehmend an Gewicht und Einfluss gewann. Inhaltlich waren der "Präsidentendirektor", wie Muhm hausintern genannt wird, und der Präsident ohnehin auf einer Linie.

Als Tumpel im Vorjahr zwei Tage vor seinem 65er in Pension ging, rechneten auch hochrangige Kreise in der SPÖ, dass Muhm ihm folgen würde. Sie hatten sich getäuscht. Ebenso wie die ÖVP, für die Muhm als altlinker Klassenkämpfer der Gottseibeiuns ist. Der Hausbesitzer, Bauern und Millionäre erbarmungslos rupfen will. Und der sich zuletzt – erfolglos – gegen die Machtübernahme des mexikanischen Multimilliardärs Carlos Slim bei der Telekom stemmte. Auf Arbeitgeberseite freilich wird Muhm als Sozialpartner durchaus geschätzt. Als Mann mit Augenmaß und Handschlagqualität, der die Probleme der Betriebe kennt.

Wohl eher ein Wunschdenken, wenn jetzt kolportiert wird, dass sich der 64-jährige Chefideologe mit Jahresende verabschiede. Muhm denkt nicht an den Ruhestand. Er hat einen unbefristeten Dienstvertrag und muss daher nicht mit 65 Jahren abtreten. "Ich werde mit aller Tatkraft so lange weiter arbeiten, wie es dem Präsidenten und mir sinnvoll erscheint", erklärt er gegenüber dem KURIER.

Der Präsident ist seit März 2013 Rudolf Kaske. Schon als Jugendfunktionär im ÖGB sozialisiert, arbeitete sich Kaske bis zum Chef der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida hinauf. Er legte heuer einen erfolgreichen AK-Wahlkampf hin und konnte die Spitzenposition der roten FSG weiter ausbauen. Anders als Tumpel scheut der für seine offene Art geschätzte Kaske öffentliche Bühnen nicht und lässt, hört man in AK-Kreisen, keinen Zweifel daran, wer der Chef ist. Und wer politisch entscheidet.

Da soll es schon zu heftigeren Diskussionen gekommen sein, berichten hausinterne Beobachter. "Kaske schätzt Muhm als hervorragenden Fachmann sehr, und bei Sachthemen passt kein Blatt zwischen die beiden. Aber Kaske hat die Rollen klar verteilt. Muhm ist der Experte, Kaske ist für die Politik verantwortlich", weiß ein Insider. Ist also durchaus fraglich, ob Muhm über seinen 65er hinaus bleiben kann. Als fix gilt jetzt schon, dass die Nachfolge mit einer Frau besetzt wird. Gute Chancen werden Muhms Stellvertreterin Alice Kundtner eingeräumt, derzeit Bereichsleiterin für Soziales. Kaske selbst war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Noch aber sitzt Muhm fest im Sattel. Zwar ist die Achse zu Faymann nicht so eng, wie es nach außen scheint. "Ist ja nicht so, dass sich Muhm was wünscht und Faymann springt. Da gibt’s durchaus auf beiden Seiten manchmal Frustrationen", hört man aus der Umgebung des Kanzlers. Doch Muhm zählt nach wie vor zum Beraterkreis des SPÖ-Chefs.

Als die damalige ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter Klassenfeind Muhm aus dem Generalrat der Nationalbank kippte, sorgte Faymann dafür, dass der AK-Direktor bald wieder drin saß. Obendrein ist Muhm in den Aufsichtsräten der Kommunalkredit und ihrer Abbau-Bank KA Finanz, der Wiener Stadtwerke, der Wiener Städtischen Versicherung und der A.W.H. Das ist jene Gesellschaft, die für die Wiener SPÖ die Beteiligungen an der Sozialbau und am Werberiesen Gewista hält.

Beinahe hätte es Muhm auch in den Aufsichtsrat der ÖIAG neu geschafft, wenn die Aufwertung der Staatsholding nicht am parteipolitischen Gezänk gescheitert wäre. Die SPÖ wollte Muhm in den neuen Aufsichtsrat hieven – immerhin hat er Erfahrung als früherer Kontrollor in den ÖIAG-Beteiligungen Post und Telekom. Aber die ÖVP sah rot. Muhm wolle sich nur für seine Pension einflussreiche Aufsichtsratsposten sichern, geiferten die Schwarzen. "Blödsinn", grummelt der "Präsidentendirektor".

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