Warum der Euro kein "Teuro" ist

Warum der Euro kein "Teuro" ist
Die Inflation war vor der Euro-Einführung höher als danach, sagen die Statistiker. Der Preisschub hat andere Gründe.

Nein, der Euro ist kein „Teuro“. Zumindest streng statistisch und gesamtheitlich gesehen. Von 2002 – dem Jahr der Bargeldeinführung – bis November 2011 lag die jährliche Preissteigerung laut Statistik Austria bei durchschnittlich 2,0 Prozent. In den zehn „Schilling-Jahren“ davor sind die Verbraucherpreise mit jährlich durchschnittlich um 2,4 Prozent stärker angestiegen als in den zehn Jahren danach. Über den gesamten Zeitraum betrachtet wurden Waren und Dienstleistungen seit der Euro-Einführung um 22 Prozent teurer, davor aber um 24,7 Prozent. „Die Zahlen widerlegen, dass es seit dem Euro viel teurer geworden ist“, heißt es bei der Statistik Austria.

Doch was sagt schon ein Mittelwert über die Belastung für das eigene Geldbörsel aus? Tatsächlich offenbart ein Blick auf die Inflationsstatistik erhebliche Preisdifferenzen in den einzelnen Warengruppen. So ist etwa Telefonieren in der Euro-Dekade um ein Fünftel billiger geworden. Bekleidung, Haushaltsgeräte, Autos und Mieten haben sich in Euro-Zeiten weit weniger stark verteuert als in den Schilling-Zeiten.

Preisschub

Warum der Euro kein "Teuro" ist

Die für die Inflation weniger stark, aber für Haushalte sehr stark ins Gewicht fallenden Preise für Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke sowie Energie sind seit 2002 doppelt so stark gestiegen wie zuvor. Nahrungsmittel kosten heute um ein Viertel mehr als zu Euro-Beginn, Gas ist um 55 Prozent teurer und für Benzin und Heizöl muss sogar doppelt so viel bezahlt werden. „Energie- und Treibstoffpreise haben zuletzt die Inflation stark getrieben, aber das hat unabhängig von der Währung stattgefunden“, so die Erklärung der Statistiker. Sprich: Mit Schilling wäre es nicht viel anders verlaufen. Den Verteuerungen an den Rohstoff-Weltmärkten konnte sich Österreich nicht entziehen.

Täglicher Einkauf

Die Arbeiterkammer Niederösterreich (AKNÖ) wollte es genau wissen und hat 100 Preise für Waren des täglichen Bedarfs einem Zehn-Jahres-Check unterzogen. Das Ergebnis fiel höchst unterschiedlich aus. So verteuerte sich etwa ein Haarshampoo der Marke „Glem Vital“ von 1,45 Euro auf 2,79 Euro, während sich ein Kilo Reis beim Diskonter von 1,01 Euro auf 0,89 Euro verbilligte. AKNÖ-Konsumentenschützer Manfred Neubauer entlastet die Währung: „Der Preisanstieg bei Lebensmitteln hat nichts mit dem Euro zu tun“, sagt er. Preistreibend seien neben den Weltmärkten vor allem der mangelnde Wettbewerb durch ein Oligopol im Handel. Tatsächlich stiegen die Nahrungsmittelpreise etwa im Euro-Nachbarland Deutschland im selben Zeitraum nur um 16,3 Prozent, die Gesamt-Inflation lag mit 16,6 Prozent ebenfalls unter der österreichischen mit 22 Prozent.
Neubauer fand auch heraus, dass sich Markenartikel viel stärker verteuerten als No-Name-Produkte. Dazu kommt: Die Löhne und Gehälter sind unter Schilling-Zeiten stärker gestiegen. Dass Restaurant-Preise seit der Euro-Einführung moderater nach oben gingen als zuvor, überrascht Neubauer. Immerhin betrafen die meisten Beschwerden bei der 2001 eingerichteten Euro-Preiskommission das Gastgewerbe.

Rundungseffekt

Warum der Euro kein "Teuro" ist

Bewahrheitet haben sich Befürchtungen, dass sich die im Zuge der Umstellung von Schilling auf Euro ergebenden „unrunden“ Preise wieder rasch in gewohnte Preisangaben (9,99 statt 9,92 Euro) zurückverwandeln. Heute sind 75 Prozent aller Preise „psychologische Preise“, enden also auf 9 Cent (z.B. 0,99 Euro). Weitere 16 Prozent werden auf 5 Cent ab- oder aufgerundet. Ein gewisser „Rundungseffekt“ könnte vor allem bei Dienstleistungen preisbeeinflussend sein, vermuten Statistiker. Wie hoch dieser Einfluss ist, vermag aber niemand zu sagen.

Umfrage: Mehrheit glaubt an negativen Euro-Effekt Auch wenn die Statistik etwas anderes sagt: Die Österreicher trauen den Zahlen nicht und sind mehrheitlich der Meinung, dass sich die Euro-Einführung negativ auf die Inflation ausgewirkt hat. Laut Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) glauben fast 60 Prozent der Befragten an einen negativen Währungseinfluss, nur 13 Prozent glauben an einen positiven. 19 Prozent sind überzeugt, dass sich die Währung weder positiv noch negativ auf die Preise auswirkt. Interessant: Frauen sind deutlich Euro-skeptischer als Männer und auch zwischen den sozialen Schichten gibt es deutliche Unterschiede.

Vor allem Arbeitslose und Selbstständige sehen einen „Teuro-Effekt“, während Landwirte eher keinen Einfluss auf die Preise vermuten. Auf die Frage, welche Faktoren in den letzten zehn Jahren verantwortlich für die Preissteigerungen waren, gerät die neue Währung ebenfalls stark in Verdacht. Immerhin 45 Prozent der befragten Österreicher glauben, dass sich die Einführung des Euro „sehr“ auf die Preissteigerungen ausgewirkt hat, Steuern- und Gebührenerhöhungen kommen nur auf 39 Prozent, Klimakatastrophen auf 23 Prozent.
Hauptverantwortlich für die Preisschübe der letzten Zeit sind für 63 Prozent der Österreicher steigende Rohstoffpreise. Damit deckt sich die eigene Wahrnehmung doch wieder mit der amtlichen Statistik.

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