Von Gentechnik bis bio: Was wir in Zukunft (nicht) essen

Gentechnische Eingriffe sind künftig nicht mehr nachweisbar
Der Markt für Bioprodukte wächst ebenso wie jener für gentechnisch veränderte Lebensmittel. Wegen neuer wissenschaftlicher Möglichkeiten ist es kaum möglich, Gentechnikfreiheit zu garantieren.

Der Fund von gentechnisch veränderten Weizenpflanzen in den USA sorgt für heftige Reaktionen. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter hat der EU Anfang der Woche einen Brief geschrieben. "Die EU-Kommission muss mit allen Mitteln verhindern, dass Agrarprodukte nach Europa kommen, bei denen nicht eindeutig geklärt ist, ob die Pflanze gentechnisch verändert ist." Derartige Briefe kann sich Rupprechter künftig wohl sparen.

Denn bei der neuen Methoden der Gentechnik "gibt es keinen Unterschied zu natürlicher Mutation", betont Univ.-Prof. Margit Laimer vom Department für Biotechnologie der Universität für Bodenkultur in Wien. Mit Enzymen lässt sich die DNA an einer genau festgelegten Stelle aufschneiden oder abschneiden. "Woher wollen sie wissen, dass ich genau an dieser Stelle die DNA schneiden wollte und die Veränderung nicht durch Züchtung passiert ist? Ob das natürlich passiert ist oder gewollt war, ist technisch nicht nachweisbar."

Von Gentechnik bis bio: Was wir in Zukunft (nicht) essen
Interview mit Professorin Margit Laimer in der Universität für Bodenkultur (BOKU). Wien, 30.06.2016.

Keine Garantie

Es wird daher in Zukunft wohl kaum noch möglich sein, Gentechnikfreiheit zu garantieren. Das ist derzeit bereits bei vielen Produkten der Fall. In der Pharmaindustrie ist der Einsatz von Gentechnik bei der Produktion von Insulin oder Impfstoffen durchaus üblich.

Rechtlich ist das kein Problem. Denn die Gentechnik-Regeln gelten nur für den Anbau von Pflanzen in Europa. Deshalb ist es auch möglich, dass Europa jährlich 40 Millionen Tonnen gentechnisch verändertes Soja für die Tierfütterung aus Südamerika importiert.

Bei der Käseproduktion wiederum sorgt ein Gemisch aus Enzymen dafür, dass die Milch gerinnt und Molke absondert. Die Enzyme stammen aus der Schleimhaut von Kälbermägen. Laimer ist überzeugt, dass angesichts der Mengen an Käse, die in Europa erzeugt werden, auch Gentechnik eingesetzt wird.

Manche Produzenten setzen auf Ersatzenzyme aus Schimmelpilzen. Das kann zu einem leicht bitteren Geschmack führen. Mittlerweile hat man eine zusätzliche Möglichkeit gefunden. Das wichtigste Käseenzym Chymosin wird gentechnisch erzeugt. Lebensmittelzusätze dürfen mithilfe von Gentechnik hergestellt werden.

Bestrahlung

Dazu kommt, dass derzeit Pflanzen angebaut werden, die schon in den 60er-Jahren durch Bestrahlung gentechnisch verändert wurden. Gerste, die für Whisky verwendet wird, stamme mit großer Wahrscheinlichkeit von Pflanzen, die schon vor Jahren durch Bestrahlung mutiert seien, sagt Laimer.

Es gibt in Österreich einen beträchtlichen und in den nächsten Jahren durch die neue Gentechnik wohl wachsenden Markt für gentechnisch veränderte Produkte. Allerdings gibt es keine Daten darüber, um wie viel Geld es dabei geht.

Der anhaltende Trend zur Gentechnik hat einen finanziellen Hintergrund. Wenn etwa Saatgutproduzenten mit natürlicher Züchtung arbeiten, kann es viele Jahre dauern, bis es Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften gibt. Es kann auch sein, dass das Züchtungsziel nicht erreicht wird.

Durch Forschung lässt sich feststellen, welches Gen für welche Eigenschaften verantwortlich ist. Gentechnik ermöglicht daher gezielte Eingriffe, um die gewünschten Eigenschaften herbeizuführen. Das ist schneller und billiger und somit ein beträchtlicher Wettbewerbsvorteil.

Laimer kann einseitige Vorbehalte gegen gentechnische Methoden nicht nachvollziehen. Sie wünscht sich eine bessere Information der Öffentlichkeit und eine ausgewogenere Diskussion. "Das Wort Mutation ist negativ besetzt. Aber jede natürliche Züchtung ist eine Mutation, die zu einer Veränderung der Genstruktur führt."

Die natürliche Mutation von Pflanzen kann durch Auslöser wie Strahlen oder Chemikalien drastisch gesteigert werden. Beides ist in Österreich erlaubt. Unter das Anbauverbot fallen nur Pflanzen, in deren Zellen gezielt Teile anderer Organismen eingebaut wurden.

Vorbild Kanada

Laimer möchte stattdessen eine Regelung wie in Kanada. Dort müssen alle Saatgutproduzenten vor der Marktzulassung neuer Sorten Belege dafür liefern, dass ihre neuen Züchtungen keine Gefahr darstellen. Das gilt auch für konventionelle Züchtungen.

Es ist auch nicht notwendigerweise so, dass moderne Züchtungsmethoden allein von US-Konzernen zur Profitmaximierung eingesetzt werden. Laimer arbeitet derzeit an einem Projekt mit einer nicht domestizierten tropischen Pflanze, die sich besonders für die Biodiesel-Produktion eignet. Allerdings ist Jatropha curcas (Purgiernuss) toxisch. Laimer versucht durch Bestrahlung und chemische Behandlung, Mutationen zu erzeugen, die nicht giftig sind. "Dann kann der gesamte Presskuchen, der sehr viel Protein enthält, verfüttern werden."

Man könnte diese Pflanzen auch aussetzen. Denn Mutationen, die durch Bestrahlung erzeugt werden, fallen nicht unter das Gentechnikgesetz.

Auch wenn Lebensmittelhändler ihre Umsätze scheinbar immer aggressiver mit Aktionen ankurbeln, setzen sie am anderen Ende der Preisskala auf das Wachstumsfeld Bio. Weltweit soll der Markt mehr als 70 Milliarden US-Dollar (63 Mrd. Euro) schwer sein. Allein in Europa bewegen Bio-Lebensmittel Studien zufolge rund 25 Milliarden Euro im Jahr. Tendenz weiter steigend – zuletzt wurden Wachstumsraten von rund sechs Prozent gemeldet.

Allein die Deutschen geben jährlich rund acht Milliarden Euro für ökologisch nachhaltiges Essen aus. Die Österreicher kaufen laut den Aufzeichnungen der Roll-AMA bereits acht Prozent aller Frischeprodukte (exklusive Brot und Gebäck) in Bio-Qualität. Noch höher ist die Quote unter anderem bei Milch- und Molkereiprodukten sowie bei Eiern.

Österreich spielt in der Bio-Landwirtschaft in der Spitzenliga. Bereits jeder fünfte Bauernhof läuft hierzulande unter dem Bio-Siegel. Zum Vergleich: In Deutschland sind es relativ gesehen nicht einmal halb so viele (8,7 Prozent der Betriebe). Bio-Ware ist längst zu einem weltumspannenden Geschäft geworden. Kritiker monieren, dass die Standards verwässert werden. Gleichzeitig wollen immer mehr Kunden wissen, woher das Essen auf ihren Tellern kommt. "Regionalität ist das neue Bio", frohlocken nun die ersten Marktforscher. War es früher chic, Wein aus Kalifornien zu kredenzen, sind heute heimische Winzer angesagt. Sowie Gemüse aus der Region oder Teigwaren aus dem Nachbarort. Der Begriff "Regionalität" lässt viel Interpretationsspielraum. Er ist gesetzlich nicht geregelt.

von Simone Hoepke

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