Viel Munition für geschädigte VW-Aktionäre

Immer mehr österreichische VW-Anleger klagen
Wolfsburger Autobauer setzt auf eine kuriose Verteidigungsstrategie. Anlegeranwalt ortet gute Erfolgschancen für Schadenersatz-Zahlungen.

Für den Volkswagen-Konzern geht es in Sachen Dieselgate-Affäre nun ans Eingemachte. Nachdem das Landgericht Braunschweig ein Kapitalanleger-Musterverfahren für geschädigte VW-Aktionäre mit einem Streitwert in Höhe von rund vier Milliarden Euro zugelassen hat, wittern auch österreichische Geschädigte und ihre Anwälte Morgenluft.

"Aus dem Gerichtsbeschluss geht hervor, dass VW die wesentliche Fakten im Zusammenhang mit der Abgasmanipulation gar nicht bestreitet, sondern nur deren rechtliche Interpretation", sagt der Wiener Anwalt Lukas Aigner, der mehr als 100 VW-Aktionäre vertritt, zum KURIER. "Ich sehe daher sehr gute Chancen, dass den geschädigten VW-Aktionären Schadenersatz zugesprochen wird." Nachsatz: "Denn ein Zusammenhang zwischen dem massiven Kurseinbruch und der Abgasaffäre ist unwiderlegbar."

Aigner bringt noch diese Woche weitere Klagen für betroffene Anleger bei österreichischen Gerichten ein. Zugleich schließt er sich einer Sammelklage-Aktion des Wiener Prozessfinanzierers AdvoFin an, die über die renommierte Münchner Anwaltskanzlei Klaus Rotter in Deutschland abwickelt wird. Auch AdvoFin-Chef Franz Kallinger kann dem deutschen Gerichtsbeschluss, der am Ende des Verfahrens in einem richtungsweisenden Musterurteil münden wird, viel Positives abgewinnen. "Die Verteidigungslinie von VW ist plump", sagt Kallinger zum KURIER. "Dass ein technikverliebter Konzernchef wie Martin Winterkorn von der Abgas-Abschalteeinrichtung in den Dieselmotoren nichts gewusst haben soll, ist völlig realitätsfremd."

Laut dem 25 Seiten starken Gerichtsbeschluss nach dem deutschen Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) werfen die VW-Aktionäre dem Konzern vor, seit spätestens Juni 2008 unerlaubte Abgas-Abschalteinrichtungen in weltweit elf Millionen Diesel-Autos der VW-Gruppe eingebaut und die Aktionäre lange nicht bzw. verspätet über die diesbezüglichen Ermittlungen der US-Umweltbehörden EPA und CARB informiert zu haben. Die Untersuchungen in den USA begannen im Frühjahr 2014. Erst am 18. September 2015 hat die US-Umweltbehörde EPA im Rahmen einer Pressekonferenz diese Abgas-Manipulation bei VW- Fahrzeugen öffentlich gemacht.

Krasse Argumentation

Der Wolfsburger Autobauer hat dann noch vier Tage gebraucht, um eine entsprechende Ad-hoc-Meldung zu veröffentlichen. Da war der Kurs der VW-Aktien schon massiv abgestürzt. Alleine in diesen vier Tagen wird der Kursverlust laut Aktenlage auf mindestens 59,50 Euro pro Vorzugsaktie beziffert.

Der VW-Konzern räumt laut Gerichtsbeschluss zwar ein, dass sich die Veröffentlichung der US-Behörde EPA am 18. September 2015 zu einer "kursrelevanten Insiderinformation verdichtet hatte", da aber diese Fakten "durch die EPA bereits öffentlich bekannt" waren, habe für VW keine Publizitätspflicht mehr bestanden.

Es kommt noch besser. Der VW-Vorstand habe deshalb nicht schuldhaft gehandelt, heißt es weiter, da er die Informationen über die Abgasuntersuchungen der US-Behörden, die ihm nach und nach zur Kenntnis gebracht wurden, "fehlerfrei beurteilte". Aufgrund der Einschätzung seiner Rechtsberater "durfte der Vorstand davon ausgehen, die Diesel-Thematik zeitnah ohne kursrelevante Verwerfungen im Verhandlungswege mit den US-Behörden lösen zu können".

Indes ist der Schaden der VW-Aktionäre enorm. Anwalt Aigner: "Der Schaden meiner Klienten beträgt 40 bis 50 Prozent des ursprünglichen Ankaufskurses der Aktien."

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