"Verschwendung ist kein Konjunkturprogramm"

Wörgötter: "Mehr Leistung um weniger Geld muss möglich sein"
Vernichtende Kritik an Österreichs Wirtschaftspolitik

Eine derart schonungslose Analyse ist von Wirtschaftsforschern selten bis gar nicht zu hören. "Was läuft eigentlich schief am Standort Österreich?" lautete die Frage der Denkfabrik Agenda Austria an Andreas Wörgötter, der bis Mai viele Jahre lang bei der OECD für Österreich zuständig war. Die Beantwortung wurde zur vernichtenden Kritik an der heimischen Wirtschaftspolitik.

Zuerst das Positive. Österreich war in der Vergangenheit wirtschaftlich hervorragend unterwegs und hat beim Wachstum die meisten EU-Staaten hinter sich gelassen.

Das sei allerdings nicht der Wirtschaftspolitik zu verdanken, "sondern war ein warmer Regen von außen", konstatiert Wörgötter. Maßgebliche Faktoren waren etwa der Binnenmarkt, die Öffnung Osteuropas oder die Einführung des Euro.

"Damit mit Österreich alles so bleibt, wie es ist, muss sich sehr viel ändern", mahnt der Wirtschaftsforscher. Österreich habe die gute Zeit nicht genutzt, um die Staatsverschuldung zu reduzieren. Sondern den Schuldenstand zusätzlich erhöht, "um die bestehenden ineffizienten Strukturen aufrechtzuerhalten".

Wie aber schafft Österreich einen Wachstumspfad von zwei Prozent, der notwendig ist, um nicht zum wirtschaftlichen Hinterbänkler abzurutschen?

Kosteneffizienz steht für Wörgötter an erster Stelle. Der öffentliche Sektor müsse "ein bedingungsloses Bekenntnis" zur Kosteneffizienz abgeben. Mehr Leistung für weniger Geld müsse möglich sein, "Verschwendung im öffentlichen Sektor ist kein Konjunkturbelebungsprogramm". Besonders scharfe Kritik bekommt das "fiskal-föderale Beziehungsgeflecht" ab: "Das Ausmaß an Geldverschwendung dort spottet jeder Beschreibung."

"Bildungssystem ist eine Katastrophe"

Das Bildungssystem bezeichnet der OECD-Experte überhaupt als "Katastrophe". Österreich könne sich als Standort nur halten, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen geboten würden, dass Unternehmen mit Freude in neue Technologien und Innovation investieren und hoch qualitative Arbeitsplätze schaffen könnten. Dafür allerdings "ist unser Bildungssystem nicht geeignet".

Österreich sei außerdem "das einzige Land der Welt, in dem es 30 öffentliche Krankenversicherungsträger ohne Wahlmöglichkeit gibt". Die obendrein unter Selbstverwaltung stehen. Wörgötter plädiert für die Finanzierung des Sozialsystems über Steuern, wie etwa in Dänemark.

Das österreichische Steuersystem sei "das ineffizienteste, das man sich vorstellen kann". Außerdem leiste sich Österreich den Luxus, "dass auch höchstqualifizierte Frauen nach dem ersten Kind nur teilweise an den Arbeitsplatz zurückkehren".

Kern-Punkte

Die Agenda von Bundeskanzler Christian Kern beurteilt Wörgötter unterschiedlich. Eine Wertschöpfungsabgabe ("Maschinensteuer") mache ebenso wenig Sinn wie die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger. Österreich brauche keine Maschinensteuer, öffentliche Leistungen sollten aus öffentlichen Steuern mit Durchgriffsrecht der Politik finanziert werden. Dann wären die Sozialpartner draußen und die oberösterreichische Gebietskrankenkasse wäre beispielsweise Vergangenheit. Die Sozialpartner sollten sich stattdessen wieder darauf konzentrieren, die Produktivität zu steigern.

Die Vermögensbesteuerung befürwortet der Wirtschaftsexperte. Voraussetzung sei aber eine Steuer-Strukturreform, die Arbeitseinkommen und die Einkommen aus unternehmerischer Tätigkeit entlaste.

Gegen kürzere Arbeitszeiten im individuellen Bereich spreche nichts, "wer weniger arbeiten will, soll das können". Als wirtschaftspolitische Maßnahme sei die Verkürzung jedoch "eine Belastung, die die Lohnkosten erhöht, und eine Behinderung der Wahlfreiheit". Es gebe kein Potenzial an Arbeit, "das gestreckt werden kann".

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