Der Preiskampf ist eröffnet, Strom wird jetzt billiger

Strommasten.
Strom für Privatkunden wird zehn Prozent billiger – andere Versorger warten noch ab.

Den Verbund-Kunden wird in den nächsten Wochen erfreuliche Post ins Haus flattern. Ab 1. September senkt der größte Stromerzeuger des Landes den Preis für seine Privatkunden um zehn Prozent. Mit dieser Werbeoffensive will der Verbund Neukunden gewinnen. „Das gilt aber auch für die 266.000 bestehenden Kunden“, sagte Verbund-Generaldirektor Wolfgang Anzengruber am Mittwoch. „Ich hoffe, es wird uns nichts kosten, sondern etwas bringen.“ Vom erklärten Ziel, binnen drei Jahren 500.000 Privatkunden zu erreichen, war der Verbund bisher deutlich entfernt.

Die Stromrechnung wird freilich nicht um volle zehn Prozent sinken: Billiger wird nur der Energieanteil, der etwa 40 Prozent ausmacht. Der Rest sind Steuern, Abgaben und Netzgebühren.

„Zu wenig Wettbewerb“

Setzt der Verbund eine Welle von Preissenkungen in Gang? Die Arbeiterkammer ist davon überzeugt: „Das ist ein längst überfälliger Schritt. Jetzt sind die anderen Stromlieferanten am Zug“, fordert AK-Expertin Silvia Angelo.

Walter Boltz, der Chef der Energiebehörde E-Control, ist vorsichtiger. „Es könnte sein, dass andere nachziehen“, sagt er zum KURIER. Eine große Welle würde ihn eher überraschen: „Die Unternehmen verlieren im Augenblick in der Stromerzeugung relativ viel Geld. Daher versuchen sie, von jenen Kunden hohe Preise zu kassieren, deren Wechselbereitschaft gering ist.“ Und das sind eben die Haushalte. Sie verpassen dadurch die Chance auf Einsparungen von 100 Euro pro Jahr oder mehr.

Der Preiskampf ist eröffnet, Strom wird jetzt billiger
Die Konsumenten seien auch deshalb so träge, weil echter Wettbewerb fehle: „Wirklich aggressive Werbung gibt es nicht.“ Der Strommarkt sei besetzt – man tut einander nicht weh und jagt sich keine Kunden ab.

Ein KURIER-Rundruf zeigt: Die großen Mitbewerber – die früheren Landesenergiegesellschaften – warten noch ab. „Wir schauen laufend, ob Spielraum bei Produktpreisen gegeben ist“, sagt die Energie Allianz Austria (EAA). Sie bündelt den Vertrieb von Wien Energie, EVN und Energie Burgenland und ist mit zwei Mio. Privatkunden der größte Anbieter.

Die Kärntner Kelag will „den Markt beobachten“, um unter den günstigsten Anbietern zu bleiben. „Entspannt“ sieht die Energie AG in Oberösterreich den Vorstoß: Man habe den Kunden eine Preisgarantie bis Ende 2015 gegeben. Jetzt sieht man keinen Anlass zum Handeln. Dass der Strompreis um bis zu zehn Prozent zu hoch sei, „können wir nicht nachvollziehen.“

Der Preiskampf ist eröffnet, Strom wird jetzt billiger
Genau das hatte vor einer Woche WirtschaftsministerReinhold Mitterlehnerder Strom-Branche vorgehalten. Da hat sich wohl der Verbund-Miteigentümer Staat noch rechtzeitig vor der Wahl eine Preissenkung bestellt, ätzen Mitbewerber. Nicht nur das Ministerium, auch Verbund-Chef Anzengruber weist das zurück: Es habe keinen Druck gegeben. Eine Strompreissenkung sei auch „keine Sache von drei Tagen“.

Teures Gas, billiger Strom: Gaskraftwerke wie die des Verbund in Mellach (Steiermark) oder Frankreich produzieren derzeit Verluste. Bis Ende 2013 wird entschieden, was mit ihnen passiert; sogar eine Schließung sei denkbar. „Skurril“, sagt Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber: Genau solche Anlagen würden künftig gebraucht, um Schwankungen durch Wind- und Solarkraftwerke auszugleichen. Im Mai hat der Verbund das Kartellgericht aufgefordert zu prüfen, ob ein Marktmissbrauch der Gaslieferanten vorliegt.

Dem Verbund verhagelt diese Misere die Bilanz: Zusammen mit der 45-Prozent-Beteiligung an Sorgenia in Italien wurden fast 1,2 Mrd. Euro an Wertberichtigungen fällig. Im Halbjahr fiel so operativ ein Minus von 89 Mio. Euro an, wo im Vorjahreszeitraum 472 Mio. Euro Plus standen. Als Reaktion verhängt der Verbund einen Personalaufnahmestopp (außer Lehrlinge) und verschiebt Investitionen. Bis 2017 werden 1,2 Mrd. in die Hand genommen, davon 700 Mio. für den Netzausbau.

Sonst lief das Geschäft gut. Der Umsatz stieg um 5,6 Prozent, vor Abschreibungen und Steuern erwirtschaftete der Verbund 794 Mio. Euro. Der Tausch der Türkei-Anteile (Enerjisa) gegen acht E.ON-Wasserkraftwerke in Bayern bringt 1,25 Mrd. Euro ein. Vorwürfe von Hochwasser-Opfern in Oberösterreich, sie seien nicht gewarnt worden, weist Anzengruber zurück: „Wir haben keine Fehler gemacht, sondern entsprechend den Gesetzen und Vorschriften gehandelt.“ Geklagt worden sei man bisher nicht.

Beim Strompreis gibt es keinen normal funktionierenden Wettbewerb, sagt Walter Boltz, der Chef der Energieregulierungsbehörde E-Control. Klagen der Firmen über Verluste durch die Stromerzeugung oder unrentable Investitionen kann er nicht nachvollziehen.

KURIER: Der Verbund senkt den Strompreis. Kommt jetzt eine Preissenkungswelle?

Walter Boltz: Gut, dass der Verbund die Preise senkt. Als gelernter Österreicher weiß man: Vor der Wahl könnte es als Geschenk noch die eine oder andere klitzekleine Strompreissenkung geben. Eine große Welle würde mich aber überraschen. Die Firmen verlieren in der Strom-Erzeugung relativ viel Geld. Daher versuchen sie, bei jenen Kunden, die nicht preissensibel sind, möglichst viel zu kassieren. Da die Haushaltskunden selten wechseln, wäre es da unlogisch, diesen günstige Preise zu geben.

KURIER: Nach dem Motto: Die verlieren wir nicht, dort verlangen wir einen Aufschlag?

Boltz: Ja, genau. Wir hatten im letzten Jahr weniger als ein Prozent Wechselrate. Und das, obwohl die Einsparungen für einen durchschnittlichen Haushalt 100 Euro und mehr betragen würden.

KURIER: Woher kommt die geringe Wechsel-Bereitschaft?

Boltz: Wirklich aggressive Werbung gibt es nicht. Viele der Energie-Unternehmen sind gesellschaftsrechtlich verwoben. Interessant ist, dass die Wechselrate im Gasgeschäft fast doppelt so hoch ist – dort gibt es jetzt drei ausländische Anbieter.

KURIER: Die Stromfirmen jagen sich also gegenseitig keine Kunden ab?

Boltz: Man macht ein bissel Marketing, aber sehr schaumgebremst. Dann gibt es den Sündenfall Energie Allianz Austria, die mit Wien, Niederösterreich und Burgenland ganz Ostösterreich umfasst. Kleinere Anbieter haben Angst, diese könnte massiv zurückschlagen. Deshalb treten Salzburger, Kärntner, Steirer nicht so aggressiv auf.

KURIER: Die anderen scheuen davor zurück, der Wien Energie, EVN und Energie Burgenland ins Gehege zu kommen?

Boltz: Man sieht ja: Geht die Salzburg AG aggressiver vor und macht mit MyElectric eine Aktion im Osten, kontert die Allianz sofort mit einem switch-Sonderangebot nur für Salzburg. Die Botschaft wird verstanden: „Halt dich zurück, sonst machen wir dir die eigenen Kunden abspenstig.“ Der einzige, der sich nicht fürchtet, ist der Verbund, weil er selbst groß ist. Er hat aber die Allianz-Unternehmen als Aktionäre an Bord. Einem ausländischen Anbieter wäre das egal, aber den haben wir im Strombereich nicht.

KURIER: Einige in der Branche sagen, es wird jetzt schon kein Geld verdient. Stimmt das?

Boltz: An der Stromerzeugung verdient keiner etwas, außer er hat geförderte Ökostrom-Anlagen oder ihm gehören die großen Wasserkraftwerke an der Donau (wie dem Verbund, Anm.) Die kosten im Betrieb fast nichts. Ein Gaskraftwerk hingegen macht je produzierter Kilowattstunde Strom derzeit zwei oder drei Cent Verlust.

KURIER: Kann man von Unternehmen verlangen, Verluste zu machen, damit der Strom billig ist?

Boltz: In vielen anderen Branchen mit normal funktionierenden Markt wäre das so. Macht ein Printunternehmen mit einer Zeitung Verluste, kann es auch nicht für alle anderen Produkte die Preise verdoppeln, um das zu kompensieren.

KURIER: Investitionen in neue Kraftwerke rentieren sich derzeit nicht. Leidet darunter die Versorgungssicherheit?

Boltz: Noch lange nicht. Wir haben eine sehr komfortable Sicherheitsmarge bei den Kraftwerkskapazitäten in Europa. Dass manche Investments sich nachträglich als schlechte Entscheidung herausstellen, ist das Schicksal des freien Marktes.

KURIER: Die Stromfirmen werden kritisiert, dass die Großhandelspreise gesunken sind, der Preis für den Endkunden aber nicht. Die EnergieAllianz wundert sich umso mehr darüber, dass die E-Control ausgerechnet ihren Floater-Tarif, der sich direkt am Strompreis an der Börse orientiert, nicht in ihren Tarifkalkulator aufnimmt. Warum?

Boltz: Wir haben lange diskutiert. So wie der Floater-Tarif konzipiert war, wäre für den Kunden erst im Nachhinein klar gewesen, um welchen Preis er Strom kauft. Jetzt wird die Allianz den Tarif auf vergangenen Indizes aufbauen. Wir werden ihn in ein, zwei Monaten aufnehmen.

KURIER: Vorbehalte, dass der stark spekulative Tarif nicht massentauglich ist, haben Sie nicht?

Boltz: Ist es unsere Aufgabe, so etwas zu verhindern? Man kann unterschiedlicher Meninung sein, ob das für einen durchschnittllichen Kunden gescheit ist. Im Augenblick gehen wir davon aus, dass die Großhandelspreise auf Sicht niedrig bleiben. Somit ist das Risiko nicht so wahnsinnig groß.

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