Tschechen haben das Spiel um die Casinos gewonnen
Die Gespräche waren streng geheim und dauerten bis spät in die Nacht. Die Teams, die in mehreren Wiener Anwaltskanzleien verhandelten, wurden von Novomatic-Chef Harald Neumann und Sazka-Boss Robert Chvatal geleitet. Weder das Finanzministerium noch die Staatsholding ÖBAG wussten davon. Erst um 2 Uhr waren die beiden Gaming-Konzerne handelseins. Unterschrieben wurde der Deal am späten Vormittag im Novomatic-Forum in der Wiener Innenstadt.
Der KURIER hatte als erstes Medium bereits am 27. November berichtet, dass Novomatic-Eigentümer Johann F. Graf den Rückzug aus dem Geschäft in Österreich überlege. Den Selfmade-Industriellen nervten die jahrelangen Streitereien mit dem Rivalen Karel Komarek, dessen Mischkonzern KKCG die Sazka gehört. Nach der Hausdurchsuchung in der Causa Sidlo dürfte Graf endgültig genug gehabt haben. Er mache nur fünf Prozent seines Umsatzes von knapp fünf Milliarden Euro in Österreich, zahle aber 100 Prozent seiner Steuern und habe dafür 80 Prozent der „Sch...“ hier, sagte er.
Novomatic steigt aus und verkauft die 17,2 Prozent an Sazka. Lediglich an der Casinos-Tochter Lotterien GmbH bleibt der niederösterreichische Gaming-Konzern mit elf Prozent beteiligt. Die Lotterien sind die Cash-Cow der Casag. Der Kaufpreis wird nicht verraten, Insider rechnen mit 100 Millionen Euro.
Für die insgesamt 3.345 Mitarbeiter der Casinos-Gruppe wird sich einiges ändern. Sazka hatte immer wieder davon gesprochen, dass das Marktpotenzial besser ausgeschöpft werden müsse.
Druck aufs Geschäft
Das bedeutet mehr Druck, um die Umsätze zu steigern und die Rendite zu verbessern. Die Tschechen versuchen seit Langem, eine Dividendenpolitik mit einer Ausschüttungsquote von mindestens 80 Prozent des Nettogewinns durchzusetzen. Was für ein Unternehmen wie die Casinos, die sich für die Zukunft auf mehr Wettbewerb einstellen und besser aufstellen müssen, sehr üppig ist.
In den Lotterien hat Sazka bereits ein „Operationel Comitee“ zwischen Management und Aufsichtsrat unter der Leitung von Chvatal eingerichtet. Der heimische Lotto-Markt ist ziemlich gesättigt, mit neuen Spielen und Vertriebswegen will Sazka mehr möglich machen. Sazka hat viel Erfahrung im Lotto-Business und gehören zu Europas größten Anbietern.
Auch der Druck auf die Personalkosten wird härter. Unter den 12 Inlandscasinos sind derzeit nur die Standorte Wien und Bregenz rentabel. Im ersten Halbjahr 2019 spielte der gesamte Konzern 2,26 Milliarden Euro Umsatz ein, das Ergebnis lag bei bescheidenen 49 Millionen.
Wird spannend, ob Casinos-Chefin Bettina Glatz-Kremsner ihr Dirimierungsrecht (Entscheidung bei Stimmengleichheit) behält. Nach der Abberufung des FPÖ-Managers Peter Sidlo soll der Vorstand nicht mehr auf drei Mitglieder aufgestockt werden. Neben Glatz-Kremsner ist der Sazka-Vertraute und Ex-Erste-Banker Martin Skopec im Vorstand.
Die ÖBAG, die ein Drittel der Anteile hält, wird frühestens Mitte 2020 entscheiden, wie sie weiter vorgeht. Die Casinos-Aktionäre sind durch gegenseitige, komplexe Aufgriffsrechte aneinandergebunden. Die dem Finanzministerium unterstehende ÖBAG muss sich erst mit dem Closing (endgültige Fixierung) des Novomatic-Sazka-Deals deklarieren.
Bis es so weit ist, wird es dauern. Zuerst müssen die Lizenzbehörden in den zahlreichen Staaten, in denen die Casinos tätig sind, dem Deal zustimmen. Das kann lange dauern, vor allem in Australien. Im März/April soll dann der Aufsichtsrat neu besetzt werden. Mit der Umsetzung konkreter Maßnahmen kann Sazka daher erst im zweiten Halbjahr 2020 beginnen.
Aufstocken oder Verkaufen: Regierung muss entscheiden
Sazka hat auf alle Fälle die Mehrheit der Stimmrechte Die neue Regierung wird entscheiden müssen, wie die Staatsholding ÖBAG weiter mit dem Drittel-Anteil der Republik vorgeht. Entweder die Regierung beschließt, der Staat braucht keine Beteiligung am Glücksspiel und sucht einen Käufer. Das muss nicht Sazka sein. Andere internationale Anbieter könnten durchaus ein Interesse haben, ebenso österreichische Investoren.
Oder die Staatsholding stockt auf, sie hat ein Vorkaufsrecht von rund acht Prozent auf den Anteil der Novomatic. Dafür bräuchte die ÖBAG jedoch einen Regierungsbeschluss. Die ÖVP hat sich unter Kurz von der früheren Privatisierungsideologie verabschiedet. Das große Fragezeichen sind die Grünen, die einem Ausstieg des Staates kaum zustimmen dürften. Möglich wäre auch ein Shareholder Agreement aller Aktionäre.
Sazka bekommt durch den Novomatic-Deal auf alle Fälle die Mehrheit der Stimmrechte. Selbst wenn die Staatsholding aufstockt, denn die Tschechen haben wie berichtet ein Stimmrechtsabkommen mit einem Mitaktionär, der ehemaligen Kirchenbank Schelhammer und Schattera.
Karel Komarek, mit einem geschätzten Vermögen von rund 2,8 Milliarden Euro einer der reichsten Tschechen, war seit dem Einstieg in die Casinos auf die Mehrheit aus. 2017 meldete Sazka bei der Bundeswettbewerbsbehörde die Absicht, die „alleinige Kontrolle“ zu erwerben.
Kann Sazka die Casinos in der Konzernbilanz verbuchen, tun sich die Tschechen auf dem Kapitalmarkt leichter. Sazka expandiert international stark und gab zuletzt eine Anleihe über 300 Millionen Euro aus, verzinst mit hohen 4,125 Prozent. Ein Gang an die Börse wurde abgesagt.
Anonyme Anzeige Das Ibiza-Video mit Straches Bemerkung „Novomatic zahlt alle“ dürfte Sazka durchaus gelegen gekommen sein. Im August löste eine anonyme Anzeige über die Bestellung des FPÖ-nahen Managers Peter Sidlo zum Finanzvorstand und angebliche Absprachen zwischen Novomatic und FPÖ etliche Hausdurchsuchungen aus, elf Beschuldigte gibt es derzeit, darunter zwei ehemalige ÖVP-Finanzminister.
Zuvor hatte Sazka versucht, die Republik im Aufsichtsrat der Casinos auszuhebeln. Novomatic hielt trotz eines Stimmrechtsabkommens mit Sazka zum Staat. Die Folge war eine Klage der Tschechen gegen Novomatic vor dem Schiedsgericht in Paris. Diese Klage, in der es um einen hohen dreistelligen Millionenbetrag geht, dürfte sich hiermit erledigt haben.
Sazka-Chef Chvatal spricht jetzt von der „besten Lösung“ für die Casinos, aber auch schon von „Innovationen“, die man auf den Markt bringen werde.
Kommentare