Treichl: Der Wutbanker als Klassenfeind

Treichl: Der Wutbanker als Klassenfeind
Das Image von Österreichs unbequemstem Banker, Andreas Treichl, ist gekippt. Eigendynamik oder politisch gesteuert, damit die SPÖ Einfluss auf die Banken kriegt?

Andreas Treichl, bis vor Kurzem erfolgsgewohnter Sonnyboy der heimischen Bankenszene, hat Fehler gemacht. Die Pannenserie begann Ende September mit einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Treichl sprach von einem "starken Betriebsergebnis", also dem operative Ergebnis der Bankengruppe ohne Rückstellungen und Abwertungen, machte aber keine Gewinnprognose. Dieser feine Unterschied ging in den nachfolgenden Medienberichten unter. Eine Richtigstellung seitens der Bank blieb aus.

Am 10. Oktober schockte Treichl mit einer Gewinnwarnung und kündigte für heuer 700 bis 800 Millionen Euro Verlust an. Bis dahin war ein Gewinn in dieser Größenordnung geplant. Abschreibungen der Töchter in Ungarn und Rumänien, neue Kreditwertberichtigungen und Abwertungen von Kreditversicherungen, den berüchtigten Credit Default Swaps (CDS).

Dabei passierte der nächste Fehltritt. Auf der Telefonliste standen die Finanzmarktaufsicht (FMA), Regierungsmitglieder, Sparkassenvertreter und die wichtigsten Mitbewerber. Alle wurden unmittelbar nach der Ad-hoc-Meldung informiert, auf die Konkurrenz hatte Treichl vergessen. Die war entsprechend sauer. Musste man doch lästige Journalistenfra gen beantworten. Wenn der Treichl solche Leichen im Keller hat, kann's beim Rest der Branche auch nicht viel besser sein, wurde geargwöhnt. "Wie kommen wir dazu, uns dauernd rechtfertigen zu müssen. Treichl hätte den Anstand haben können, uns kurz zu informieren", ärgert sich ein Mitbewerber.

Medial hatte Österreichs bestbezahlter Banker bis zu diesem Zeitpunkt noch keine gröberen Schrammen davon getragen. Im Gegenteil. Er heimste Lob für seinen Mut ein, den Herbstputz derart radikal durchzuziehen. Sodass Herbert Stepic, Chef der Raiffeisen Bank International, dazu gratulierte, "ein so schlechtes Ergebnis so positiv zu verkaufen".

Prügel

Dann aber begannen die Sympathien auch öffentlich zu kippen. Es wurde Bezug zur vermeintlichen, nicht dementierten Gewinnprognose hergestellt. Keiner hatte gewusst, dass die Erste CDS um 5,2 Milliarden Euro hatte. Die waren nicht als Derivate, sondern als Kreditgarantien verbucht und bislang nie abgewertet worden. Eine Bilanzierungsmethode, die zulässig ist. Warum sich die Bank überhaupt auf CDS eingelassen hatte, wurde hinterfragt. Treichl hatte sich im Zuge der Finanzkrise 2008 von Zockereien distanziert und das biedere Einlagen- und Kreditgeschäft ("Brot und Butter") beschworen. Da passen CDS so gar nicht dazu.

Medial wurde mittlerweile kräftig auf Treichl eingeprügelt. Dann ging bei der Staatsanwaltschaft Wien eine Anzeige ein, der private Absender warf Treichl Bilanzfälschung vor, wenn auch sehr oberflächlich begründet. Auch bei der FMA wurde angezeigt, die Aufsicht leitete ein Verfahren wegen Marktmanipulation und Verletzung der Ad-hoc-Pflicht ein.

Treichl: Der Wutbanker als Klassenfeind

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter legte kräftig nach. Er witterte Untreue wegen falscher Bilanzierung, rief nach rechtlichen Konsequenzen und verdächtigte den Spross einer großbürgerlichen Familie - Vater Heinrich Treichl war langjähriger Chef der Creditanstalt - sogar des Insiderhandels. Ein schwerwiegender Vorwurf gegen den Vorstandsvorsitzenden einer Bank.

Treichl hatte 2009, als die Erste-Aktie auf einen Tiefpunkt von 7,372 Euro abgesackt war, 25.000 Stück gekauft und am 4. November 2010 zu 33,5433 Euro verkauft. Steuerfreier Gewinn: mehr als 654.000 Euro. Der Aktiendeal war vorschriftsmäßig bei der FMA gemeldet und auf der bankeigenen Homepage veröffentlicht. Dass Treichl vor einem Jahr von den aktuellen Wertberichtigungen wusste und deshalb seine Aktien verkaufte, ist allerdings absurd.

Obendrein begannen Gerüchte zu zirkulieren, Treichl sei ein wenig stressresistenter Sonnenschein-Banker und werde bald als Erste-Chef demissionieren.

Schadenfreude

Treichl: Der Wutbanker als Klassenfeind

Insider vermuten dahinter System und orten die Giftküche in der SPÖ, speziell im Kreis um Bundeskanzler Werner Faymann. Nicht ganz abwegig. Treichl eignet sich hervorragend als Feindbild, das imagemäßig angepatzt und als Bad-Banker in die Auslage gestellt werden kann. Mit seiner Politikerbeschimpfung - "zu feig", "zu blöd" - machte er sich (nicht nur) in der SPÖ viele Feinde, Faymann soll empört gewesen sein. Zuerst Staatsgeld nehmen und dann auf die Politiker hinhauen, das kam nicht gut an.

Schadenfreude und Neid spielen ebenfalls mit. Endlich ist der bestverdienende Banker des Landes, der 2007 dank Sonderbonus auf eine Rekordgage von 4,4 Millionen Euro kam, in der Bredouille. Dass er für 2010 450.000 Euro an Bonus zurückzahlte, weil die Bilanz rückwirkend neu gerechnet wurde, erfüllt da schon mit Genugtuung. Die Auftritte mit Ehefrau und Opernball-Chefin Desiree Treichl-Stürgkh als Glamour-Paar werden von der Neidgesellschaft ohnehin missgünstig beäugt. Alles in allem, Treichl gibt das perfekte Bild des Klassenfeindes ab.

Da argumentiert sich eine Teil-Verstaatlichung von Banken gegenüber den Wählern viel leichter. Sollten die Institute die am Euro-Gipfel beschlossene Aufstockung des Kernkapitals auf neun Prozent nicht aus eigener Kraft schaffen, wird es diesmal nicht mehr mit stimmrechtsloser Staatsbeteiligung abgehen. Und die SPÖ könnte endlich wieder bei den Banken mitreden. So wie in der glorreichen Vergangenheit, als man noch Länderbank, Zentralsparkasse, Bawag, CA und Bank Austria als Spielwiese hatte.

Treichls Stärke, parteipolitisch nicht so fest verankert und damit unabhängig zu sein, könnte sich jetzt als Schwachstelle erweisen. Er zählt zwar zum konservativen Lager, immerhin rettete er die ÖVP als deren Finanzreferent vor dem finanziellen Absturz, hat aber nicht annähernd den politischen Einfluss, den Raiffeisen hat.

Faymann-Sprecher Nedeljko Bilalic gibt sich zugeknöpft: "Wir reden erst dann über die Art und Weise des Kapitals, wenn die Banken tatsächlich die Hilfe des Staates brauchen. Das ist keine Frage der Parteipolitik, sondern der Regierung". Außerdem sei es nicht "Aufgabe des Regierungschefs, Gerüchte über Banker zu kommentieren".

Eigendynamik

Günter Geyer, Chef der Vienna Insurance Group (Wiener Städtische) mit guten Kontakten zu Faymann und enger Partner der Ersten, formuliert klarer. "Ich glaube nicht, dass das von der Seite Faymanns kommt. Das ist eine Thematik der Mitbewerber und der Politik, die eine gewisse Eigendynamik gekriegt hat." Treichl verteidigt er: "Ohne ihn wäre die Erste wahrscheinlich heute noch eine österreichische Sparkasse."

Der letzte Lapsus passierte übrigens vergangenen Donnerstag. Die Bank schickte einen schon lange überholten, von der Europäischen Aufsicht berechneten Kapitalbedarf von 59 Millionen Euro aus. Nur 21 Stunden später vermeldete Treichl auf einer Analystenkonferenz in London satte 750 Millionen Euro.

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