Zu viele Miesmacher in Österreich

In Deutschland hat die Wirtschaft momentan Vorfahrt - das war nicht immer so.
Die Wirtschaftserwartung hinkt seit Juli 2010 Deutschland hinterher – Experten sehen zwei Gründe.

Österreich steckt in einem hartnäckigen Stimmungstief: Die Arbeitslosigkeit steigt und steigt. Die Bevölkerung und die Unternehmer trauen den optimistischeren Prognosen nicht so recht, stehen auf der Bremse. Das führt zu einer gefährlichen Abwärtsspirale – sodass das Wachstum wirklich stagniert. Experten sehen darin mittlerweile einen der größten Bremsklötze.

Zu viele Miesmacher in Österreich

Warum aber ist die Erwartungshaltung so katastrophal? Die Analyse anhand des Vertrauensindikators zeigt: Die Schere zu Deutschland geht nicht erst seit ein paar Monaten, sondern schon seit Juli 2010 auf (Grafik) – anfangs vor allem aufseiten der Industrie, seit Ende 2013 auch bei den Konsumenten. Was ist passiert?

Die Wettbewerbsfähigkeit . . .

Vor der Krise habe Österreich nicht zu Unrecht als „besseres Deutschland“ gegolten, sagt Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellen-Vereinigung. Es gab sogar jahrelang höheres Wachstum als im EU-Durchschnitt – ungewöhnlich für ein Land mit hohem Wohlstand. Danach habe sich Österreich noch „ordentlich durch die Krise verwaltet“.

Zu viele Miesmacher in Österreich
Interview mit Dr. Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung, am 09.08.2013 in Wien.
Ab 2010 diagnostiziert Helmenstein aber eine schleichende Erosion der Wettbewerbsfähigkeit: Andere Länder hätten Reformen durchgeführt, Österreich trete jedoch auf der Stelle. Ab 2013 komme der Vertrauensverlust der Bevölkerung dazu.

Momentan gebe es in der Industrie die paradoxe Situation, dass die Unternehmen gute Auftragseingänge verzeichnen, die Produktionserwartung aber nicht steigt. Helmensteins Erklärung: „Die Aufträge sind da, abgearbeitet werden sie aber nicht bei den Standorten in Österreich, sondern in Osteuropa oder Deutschland, die teilweise billiger produzieren.“ Kurzum: Die Produktion mache einen Umweg um Österreich, etwa im Maschinenbau oder in der Metallindustrie.

. . . oder doch der Konsum?

„Ich sehe da kein dramatisches Nachhinken der Wettbewerbsfähigkeit“, widerspricht Marcus Scheiblecker vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Deutschland wachse erst seit 2014 stärker – der markante Unterschied sei die Binnennachfrage: Die Österreicher halten sich zurück, weil die Arbeitslosigkeit steigt und die höhere Inflation Gehaltssteigerungen auffrisst.

Zu viele Miesmacher in Österreich
In Deutschland seien die Einkommen hingegen zuletzt deutlich gestiegen – es wird mehr Geld für Handys, TV-Geräte, Autos oder Urlaub ausgegeben. Obendrein habe die Bauwirtschaft riesigen Nachholbedarf.

Österreichs Firmen profitieren davon leider kaum: Ihre Exportstärken sind bei Maschinen, Anlagen und Investitionsgütern. Da brauche es Geduld; die Nachfrage ziehe zeitverzögert an, sagt Scheiblecker.

Reformen, jetzt!

Einig sind sich die Experten, dass Österreich jetzt Reformen braucht. Die Steuerreform stärke die Kaufkraft, aber nicht den Standort, sagt Helmenstein: Niedrigere Lohnkosten und flexiblere Arbeitszeiten seien oberstes Gebot. Das Wifo setzt seinen Schwerpunkt auf Bildung, Forschung und Leistungsanreize im Steuersystem – sprich niedrigere Lohn- und höhere Vermögenssteuern.

Stimmungsbild der Wirtschaft

Der Vertrauensindikator der EU-Kommission ermittelt durch Umfragen die Erwartungshaltung in fünf Bereichen: Industrie, Dienstleistungen, Verbraucher, Bau, Handel. Die Werte werden in einer Kennzahl (ESI, Economic Sentiment Indicator) gebündelt. Der Wert 100 entspricht dem langfristigen Mittelwert.

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