Sorger: "Alter rechtfertigt nicht hohes Gehalt"

Sorger: "Alter rechtfertigt nicht hohes Gehalt"
Der scheidende IV-Präsident Veit Sorger über Jobs für Ältere, "Neoliberale" und sein Image als Kapitalist.

Am Mittwoch feierte Veit Sorger seinen Abschied aus der Industriellenvereinigung. Im KURIER-Gespräch bedauert er die mangelnde Wirtschaftsliberalität in Österreich.

KURIER: Ihr Arbeitszimmer in der IV ist geräumt. Sortieren Sie ab jetzt daheim die Weinflaschen im Keller?

Veit Sorger: Nein, das mache ich nicht.

Was waren Ihre größten Erfolge, die größten Flops?

Ich bin 2004 mit dem Slogan "Arbeitszeitflexibilisierung" angetreten. Damals begegnete man mir nach dem Motto: "Wir werden es dem Neuen schon zeigen" – das übliche Verhaltensmuster unserer "Freunde", um das Ganze zu Tode zu diskutieren.

Wer sind diese "Freunde"?

Meine Vis-a-vis von Arbeiterkammer und Gewerkschaft natürlich. Allerdings muss ich ihnen zugestehen, dass das Thema einen anderen Stellenwert bekommen hat. Immerhin werden heute zwischen Betriebsräten und Geschäftsführung Lösungen verhandelt. Trotzdem habe ich bei Weitem nicht alles erreicht. Es fehlt der rechtliche Rahmen.

Was Sie als Misserfolg betrachten?

Zumindest teilweise war das auch eine Niederlage. Ein wirklicher Erfolg war die Schaffung des Institute of Science and Technology in Klosterneuburg. Außerdem die Absenkung der Körperschaftssteuer, die Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer, die neue Gruppenbesteuerung. Der Rückschlag kam 2008, als zwei Tage vor der Wahl u. a. die Studiengebühren abgeschafft wurden und die 13. Familienbeihilfe kam. Das ganze Paket kostet rund eineinhalb Milliarden Euro jährlich. Es ist uns nicht gelungen, diese schlimme Entwicklung aufzuhalten oder später zu reparieren.

Wollten Sie Österreich wirtschaftsliberaler machen?

Ich habe von 2004 bis 2006 die Ära Schüssel mitbegleiten können, die von echter wirtschaftsliberaler Prägung war. Natürlich hätte ich gerne weitere Privatisierungen und noch mehr Deregulierung gesehen. Doch nun sind wir wieder in ein altes Muster zurückgefallen. Das hat dem Wirtschaftsstandort, wie alle Rankings zeigen, nicht gut getan.

Wobei Schwarz-Blau mittlerweile einen verheerenden Ruf hat. Einige Privatisierungen waren von Skandalen begleitet.

Wir fragen uns natürlich, ob man bei der Telekom mehr sehen hätte können. In meiner Tätigkeit als Vorsitzender des Privatisierungsausschusses der ÖIAG von 2000 bis 2007 hat jedenfalls kein Minister interveniert. Die Privatisierungen von voestalpine, Post, Austria Tabak sind sauber abgelaufen. Aber mögliche Parallelbuchhaltungen in der zweiten und dritten Ebene der Telekom konnten in der obersten Kontrollebene gar nicht auffallen.

Soll sich der Staat ganz aus der Telekom zurückziehen?

Ja, ich bin und war immer der Meinung, dass man ohne Druck Staatsbeteiligungen privatisieren sollte. Aber das wird bei uns auch deshalb so wenig gewollt, weil dann Einfluss und Postenbesetzungen in der jetzigen Form nicht mehr möglich sind.

Österreich wird kaum jemals ein Hort des Wirtschaftsliberalismus werden.

Bedauerlicherweise. Das ist ein Mangel unserer Erziehung, unserer Schulung und unserer Vergleichsmöglichkeiten. Viel zu schnell wird der Begriff "neoliberal" verwendet. Dabei gibt es hier in Österreich im scharfen Sinne gar keine Neoliberalen. Wir sind alle Marktwirtschafter und alle an einem sozialen Umfeld interessiert.

Nach Ausbruch der Finanz- und Schuldenkrise hat die Industriellenvereinigung ihre wirtschaftsliberalen Forderungen nicht mehr so keck wie davor erhoben.

In der Krise hat sich gezeigt, dass verschiedene Mechanismen nicht funktioniert haben. Wir von der IV wollen ja auch keinen schwachen Staat, sondern einen gut funktionierenden.

Immer weniger Leute haben Lust, in die Politik zu gehen. Ein Problem?

Das bedaure ich. Ich würde den Stand der Politiker ganz anders positionieren: sie viel besser bezahlen, einen schärferen Ausleseprozess starten und ihre Funktionsdauer limitieren. Dann hätten sie die Möglichkeit, vorher und nachher einen Beruf zu haben. Es ist teilweise menschenverachtend, wie schwer es auch guten Politikern fällt, wieder einen anständigen Job zu finden.

Laut einer OECD-Studie wird künftig nicht einmal mehr ein Pensionsantrittsalter von 67 reichen. Müssen da auch Unternehmer umdenken und die Leute nicht mehr so früh rausdrängen?

Ja absolut. Bei uns ist der Schalter noch nicht richtig umgelegt. Man muss den Arbeitnehmern und Unternehmern sagen: In Pension gegangen wird jetzt mit 65 – und in drei Jahren mit 67. Du bekommst keine Pension vorher, außer du bist todkrank, Punkt. Aber bei uns schwärmt man einander ab Fünfzig – speziell in der Beamtenschaft – vor, ab wann man in Pension geht und wohin man dann reisen wird. Das ist eine Frage der Mentalität. Wenn ich arbeiten will, finde ich einen Job in Österreich.

Wirklich? Am Arbeitsmarkt gilt man doch schon ab 40 Jahren als alt.

Das ist schon richtig. Weil die Firmen Angst haben, dass sie einen älteren Mitarbeiter aufgrund des hohen Kündigungsschutzes im Falle einer Krise nicht mehr freisetzen können.

Unternehmer entledigen sich sowieso gerne ihrer teuren älteren Arbeitnehmer.

Es gibt aber auch keine Logik, die höheres Gehalt im Alter rechtfertigt. Warum sollte ein sechzigjähriger Arbeitnehmer mehr verdienen als seine talentierte 35-jährige Kollegin, die im Gegensatz zu ihm einen Führungsjob hat?

Könnte es sein, dass die Jungen noch schwerer Arbeit kriegen, wenn Ältere länger arbeiten müssen?

Das stimmt einfach nicht. Wir haben in Wahrheit Vollbeschäftigung. Unqualifizierte haben aber tatsächlich ein höheres Arbeitslosigkeitsrisiko. Deshalb müssen wir die Qualifikation heben.

Was machen Sie künftig?

Ich bin jetzt 70, fühle mich sehr wohl und habe immer wirtschaftliche Beteiligungen und Aufsichtsratsfunktionen innegehabt. Weil außerdem in mir alle immer nur den Kapitalisten und nicht auch den guten Menschen sehen wollen, ist in der Öffentlichkeit leider mein Sozialprojekt untergegangen.

Und was ist das Projekt?

2004 habe ich einen Teil meiner Abfertigung von Mondi ( Papierindustriegruppe, Sorger war dort im Vorstand ) in eine Foundation gesteckt. Damit finanzieren wir Stipendien für 40 ausgewählte Studenten naturwissenschaftlicher Fächer: zehn aus Asien, zehn aus Osteuropa, zehn aus Österreich und zehn aus Südafrika. Da sind unglaubliche Talente dabei!

Was raten Sie Ihrem Nachfolger Georg Kapsch?

Er kennt das Haus, ist den Umgang mit Medien gewöhnt und wird’s schon gut machen – allein schon deshalb, weil wir am gleichen Tag Geburtstag haben (lacht). Er wird seinen Weg gehen.

Polit-Prominenz feiert mit dem IV-Präsidenten

Die VIP-Liste ist lang: Rund 300 bekannte Persönlichkeiten aus der Politik und der Industrie fanden sich zum Abschiedsfest des Präsidenten der Industriellenvereinigung, Veit Sorger, ein. Nach dem musikalischen Auftakt des Gustav Mahler-Jugendorchesters hielten Vize-Kanzler Michael Spindelegger und Veit Sorgers Vorgänger, Peter Mitterbauer , kurze Reden für den scheidenden Präsidenten. Kanzler Werner Faymann ließ sich entschuldigen, hatte er doch zeitgleich selbst zum Fest eingeladen. Sozialminister Rudolf Hundstorfer ließ sich einen Besuch des Sorger-Festes dennoch nicht nehmen. Immerhin ist die Industrie wichtiger Verhandlungspartner für ihn. Und die schätzt Hundstorfer als fairen Gesprächspartner. Wenn ein Industrie-Boss wie Sorger zum Feiern lädt, darf aber auch Ernstes nicht fehlen: Im Europa-Talk diskutierten Altkanzler Franz Vranitzky, Siemens-Vorstand Brigitte Ederer und Ex-Vizekanzler Erhard Busek über die Euro-Krise. Ebenso zum Fest eilten Finanzministerin Maria Fekter, Infrastrukturministerin Doris Bures, Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle.

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